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Urteil zu Flugzeugabsturz gefallen: Freispruch für Airbus und Air France


Urteil zu Flug AF447
Die letzten Minuten vor dem Absturz: "Wir knallen runter"

Von dpa, afp, t-online
17.04.2023Lesedauer: 3 Min.
Brasilianische Armee-Angehörige bergen Wrack-Teile (Archivbild): Der Flugschreiber wurde erst zwei Jahre später in rund 4.000 Metern Tiefe gefunden.Vergrößern des BildesBrasilianische Armee-Angehörige bergen Wrack-Teile (Archivbild): Der Flugschreiber wurde erst zwei Jahre später in rund 4.000 Metern Tiefe gefunden. (Quelle: Brazilian Air Force/Handout/reuters)
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2009 starben 228 Menschen, als ein Air-France-Flugzeug in den Atlantik stürzte. Der Flugschreiber wurde einziger Zeuge der Panik an Bord. Nun ist das Urteil gefallen.

Vier Minuten vergingen zwischen dem Moment, in dem die Piloten den Ausfall des Geschwindigkeitsmessers bemerkten, bis zum Absturz. Alle 228 Menschen an Bord des Fluges AF447 von Rio de Janeiro nach Paris kamen in der Nacht zum 1. Juni 2009 ums Leben. Knapp 14 Jahre nach dem Unglück wurden die Airline Air France und der Flugzeug-Hersteller Airbus nun vom Verdacht der fahrlässigen Tötung freigesprochen.

Die Konzerne hätten zwar teils nachlässig oder unvorsichtig gehandelt, doch ein eindeutiger Kausalzusammenhang zum Unglück lasse sich nicht herstellen, sagte die Vorsitzende Richterin Sylvie Daunis. Die Unternehmen hatten die Verantwortung für den Absturz von sich gewiesen und einen Freispruch gefordert. Auch die Anklage hatte in ihrem Schlussplädoyer gesagt, keine Verurteilung fordern zu können.

Lange war unklar gewesen, warum die Maschine vor knapp 14 Jahren abstürzte. Erst die Auswertung des im Mai 2011 geborgenen Flugschreibers brachte Klarheit – und die letzten Momente im Cockpit erschreckend nah. Die französische Behörde für die Aufklärung von Flugunfällen hatte den Wortwechsel des Piloten und der beiden Kopiloten in der Unglücksnacht später dokumentiert und veröffentlicht.

Von Verwirrung zu Panik innerhalb von Minuten

Demnach war die Stimmung im Cockpit zunächst entspannt, trotz einiger Turbulenzen. Um 2.31 Uhr (MESZ) machte der Pilot einen der beiden Kopiloten mit einer launischen Bemerkung darauf aufmerksam, dass sie über den Äquator fliegen: "Hast Du kapiert, nehme ich an?" – "Ja, dachte ich mir."

Eine knappe halbe Stunde später verabschiedet sich der Pilot zu seiner Ruhepause. "Ok, ich verschwinde", sagt er. Einer der beiden Kopiloten übernimmt die Steuerung. Das Flugzeug steuert in Turbulenzen hinein. "Wir sagen denen hinten (in der Kabine) besser mal Bescheid", sagt der Kopilot um 4.06 Uhr. "Zieh mal ein bisschen nach links", sagt der andere.

Drei Minuten später herrscht offensichtlich Verwirrung im Cockpit. Alarmtöne sind zu hören. "Was ist los?", fragt der eine. "Die Geschwindigkeitsanzeige stimmt nicht mehr", bemerkt der andere. Der Autopilot schaltet sich ab. Der Kopilot steuert die Maschine steil nach oben.

Um 4.11 Uhr gesteht er ein: "Ich habe keine Kontrolle mehr über das Flugzeug." Die Tür zum Cockpit geht auf. "Was macht Ihr da?", fragt der Pilot, der aus seiner Pause zurückkommt. "Wir verstehen nichts mehr, wir haben alles versucht", lautet die Antwort. Die Panik der drei lässt sich nur erahnen.

"Zehn Grad" – dann knallt die Maschine auf das Wasser

"Gehe ich jetzt runter?" – "Nein, du gehst weiter rauf." Aus dem knappen Dialog wird klar, dass die drei mit der Situation überfordert sind. Sie können nicht mehr erkennen, ob sich das Flugzeug im Steig- oder Sinkflug befindet. Im Hintergrund sind weiter Alarmsignale zu hören.

"Los, zieh weiter hoch." – "Wir knallen runter. Das gibt's doch nicht. Was ist los?" Zu dem Zeitpunkt befindet sich die Maschine nahezu im freien Fall. Der Kopilot hatte sie so steil nach oben gezogen, dass es zum Strömungsabriss gekommen war.

Um 4.14 Uhr ist der Pilot ein letztes Mal zu hören: "Zehn Grad". Dann prallt die Maschine fast horizontal auf die Meeresoberfläche auf.

Die Ermittler werden später vermuten, dass die Passagiere von dem Drama wohl kaum etwas bemerkt haben. Viele von ihnen waren nicht angeschnallt gewesen. Sie hatten keine furchteinflößenden Durchsagen zu hören bekommen. Nach Ansicht der Experten starben sie unmittelbar beim Aufschlag auf den Atlantik – ein kleiner Trost für die Hinterbliebenen, die nach dem Absturz quälend lange auf die offizielle Todesnachricht warten mussten.

Angehörige nach Freispruch enttäuscht

Unter den Opfern des Unglücksflugs waren auch 28 Deutsche. Der Vater eines deutschen Opfers zeigte sich enttäuscht vom Ausgang des Gerichtsprozesses: "Die französische Industrie hat ihren Einfluss bewiesen", sagte Bernd Gans am Donnerstag der Nachrichtenagentur AFP. Der Freispruch sei abzusehen gewesen. Die Anwälte der Unternehmen hätten alles getan, "um die Vorwürfe kleinzureden". Die französische Industrie habe in dem Prozess "ihren Einfluss bewiesen". "Es war ein Kampf Davids gegen zwei Goliaths", so Gans.

Auch der französische Opferverband reagierte bestürzt auf den Freispruch. "Die Staatsanwälte sind taub geblieben für die schrecklichen Zeugenaussagen der Familien der Opfer", betonte der Verband in einer Stellungnahme. Airbus und Air France nahmen das Urteil zur Kenntnis und sprachen den Familien der Opfer erneut ihr Beileid aus.

Die juristische Aufarbeitung des Unglücks hatte sich in die Länge gezogen. 2019 wiesen Ermittlungsrichter ein Verfahren ab. Der Absturz sei auf eine Kombination von Elementen zurückzuführen, die noch nie vorgekommen sei. 2021 entschied ein Berufungsgericht anders und ordnete den Prozess gegen Airbus und Air France an. Das Verfahren lief von Oktober bis Anfang Dezember.

Verwendete Quellen
  • Nachrichtenagenturen dpa und AFP
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