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Griechenland | Sorge um Tourismus: "Man kriegt von den Bränden nichts mit"


Tourismus auf brennender Insel
Der verzweifelte Kampf gegen die Stornierungen

Von dpa, afp, lw

26.07.2023Lesedauer: 5 Min.
Verzweiflung in Griechenland: Beenden die Waldbrände die Hauptsaison des Tourismus?Vergrößern des BildesVerzweiflung in Griechenland: Beenden die Waldbrände die Hauptsaison des Tourismus? (Quelle: Petros Giannakouris)
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Auf Rhodos ist der Urlaub für viele Touristen in einer Evakuierung geendet. Doch die Regierung appelliert an Reisende, ihre Buchungen nicht zu stornieren. Das steckt dahinter.

Majestätisch ragt die Akropolis von Lindos in den blauen Sommerhimmel, ganz so, wie sie es seit über 2.000 Jahren tut. Den besten Blick auf das antike Wahrzeichen der Insel Rhodos haben die Touristen vom direkt daneben gelegenen Lindos Beach aus, wo sie sich auch am Mittwoch in der Hitze auf Strandliegen rekeln. Es herrscht "business as usual", es riecht nach Sonnencreme mit Kokos-Note, die Wellen plätschern an den Strand, Busse fahren die Urlauber auf den Hügel zum berühmten Wahrzeichen, die Tavernen sind gut besucht und die Parkplätze voll. So beschreiben es Reporter der Nachrichtenagentur dpa.

Nur zwei Kilometer weiter südlich haben in der Nacht zuvor Feuerwehrleute gemeinsam mit mehreren Tausend Einheimischen den Badeort Gennadi vorerst vor den Flammen gerettet. Zwischenzeitlich sah es so aus, als würde der Ort abbrennen: Der Wind war zu stark und das Feuer zu groß – die freiwilligen Helfer mussten die Dächer der Häuser verlassen, auf denen sie das Dorf zuvor stundenlang mit Schläuchen und Wassereimern verteidigt hatten. Schließlich ging es noch mal gut, und im Morgengrauen konnten dann die Löschhubschrauber und -flugzeuge wieder die Arbeit aufnehmen.

600 Brände in Griechenland

Nach Angaben der griechischen Regierung kämpften die Feuerwehren in den vergangenen zwölf Tagen gegen 600 größere Brände im ganzen Land. Die Lage ist teils bedrohlich – und hat erhebliche Konsequenzen für den Tourismus in dem beliebten Urlaubsland. Allein Rhodos verzeichnet laut "Handelsblatt" jährlich etwa 2,5 Millionen ausländische Besucher.

Als die großen Brände in der vergangenen Woche erstmals ausbrachen, hielten sich rund 200.000 Urlauber auf der Insel auf. Jeder zehnte ist von den Evakuierungen betroffen, so das "Handelsblatt". Viele der gestrandeten Urlauber sehnen sich nun nach ihrer Heimat – und nach Sicherheit. Andere wiederum, deren Urlaub auf der Insel eigentlich noch bevorgestanden hätte, sagen die Reise wegen der Waldbrände ab.

Stornierungen in der Hauptsaison

Davon berichtet auch der 59-jährige Tsabíkos im Gespräch mit der dpa. Deutsche, die eigentlich das Ferienhaus von ihm und seiner Frau gebucht hatten, schickten ihm eine SMS: "Hier heißt es, dass die Situation bei euch sehr schlimm ist, und so haben wir uns schweren Herzens entschieden, die Flüge zu stornieren." Und weiter: "Wir wollten wirklich gerne kommen." Das Ferienhaus bleibt nun also mitten in der Hauptsaison vorübergehend leer.

Es ist längst nicht das einzige: Auf der ganzen Insel, auch hoch im Norden, hagelt es Stornierungen in Hotels und Ferienunterkünften.

Tsabíkos, der auf Rhodos geboren wurde und lange Jahre in Deutschland gelebt und gearbeitet hat, ist enttäuscht von den vielen internationalen Berichten, die seine Insel in den vergangenen Tagen so dargestellt haben, als brenne sie von Nord nach Süd lichterloh. "Nimm Lindos als Beispiel, das ja relativ nah an den Brandherden liegt", sagt er der dpa. "Die Stadt kann gar nicht brennen, weil rundherum Felsen sind. Überhaupt ist nur der Südosten der Insel betroffen, der Rest ist völlig sicher, man kriegt von den Bränden gar nichts mit." Es ist, als würde man die Menschen warnen, nicht nach Stuttgart zu fahren, weil es im 50 Kilometer entfernten Heilbronn brennt.

"Alle wurden in Sicherheit gebracht"

Auch Berichte vom angeblichen Chaos auf Rhodos nimmt Tsabíkos sich sehr zu Herzen. "Ich möchte mal sehen, wie man anderswo binnen drei Stunden 19.000 Menschen evakuiert – wir haben es geschafft, und es gab nicht einmal Nasenbluten bei irgendwem, alle wurden in Sicherheit gebracht", sagt er.

Man habe zahllose Busse, selbst die Linienbusse der Inseln, für den Transport der Menschen zusammengezogen, Taxi- und Van-Fahrer seien zu Hilfe geeilt, gratis, versteht sich. Zu den Auffangpunkten für die nunmehr obdachlosen Touristen hätten Restaurants und Privatleute sofort Essen, Wasser, Matratzen und Decken gebracht – manche nahmen sogar Urlauber bei sich zu Hause auf.

Viele Touristen bestätigen die unglaubliche Hilfsbereitschaft der Einheimischen. "Es war so viel Essen da, wir haben uns gefragt, wer das schaffen soll", sagt eine britische Urlauberin im Gespräch mit der dpa. Sie ist noch nicht abgereist, sondern hat sich mit ihrem Mann eine neue Bleibe weiter nördlich gesucht und will noch eine Woche Urlaub machen.

Griechische Regierung appelliert an Reisende, nicht zu stornieren

Die griechische Tourismusministerin Olga Kefalogianni ruft ebenfalls dazu auf, sich wegen der Waldbrände nicht vom Urlaub in Griechenland abhalten zu lassen. Dem britischen Sender BBC sagte sie, Urlauber sollten ihre geplanten Ferien auf Rhodos und Korfu nicht stornieren. Auf Rhodos etwa seien nur zehn Prozent der Bettenkapazität durch den Waldbrand in Mitleidenschaft gezogen worden.

Zu den möglichen wirtschaftlichen Einbußen durch das Feuer haben sich die griechischen Behörden und Verbände bislang nicht geäußert. Laut "Handelsblatt" verweisen Branchenexperten jedoch darauf, dass sich Naturkatastrophen wie Waldbrände erfahrungsgemäß nur vorübergehend auf das Reiseverhalten auswirken. Die Tourismusbranche in den betroffenen Waldbrandgebieten dürfte deshalb wohl vorerst keinen langfristigen Schaden nehmen.

"Die Leute wollen den Tapetenwechsel"

Doch aufgrund der Klimakrise werden Brände und Hitzewellen künftig häufiger auftreten. Das hat durchaus auch weitreichendere Folgen für den Tourismus und damit auch für die Wirtschaft in Griechenland und anderen Mittelmeerländern – machen die Einnahmen doch teilweise rund ein Fünftel des Bruttoinlandsprodukts aus. Doch wenn es brennt oder zu heiß ist, könnten sich die Reisenden womöglich neue Reiseziele suchen – oder?

"Die Leute wollen den Tapetenwechsel, und der Süden ist auch weiterhin für viele ein Sehnsuchtsort, das wird auch so bleiben", erklärt Markus Tressel, Präsident des Branchenverbands Travel Industry Club, im Gespräch mit dem "Business Insider". "In der Folge werden sich die Leute also erst mal nicht überlegen, ob sie in den Süden fahren – sondern eher wann."

Video | Urlauber entkam Flammen – dann bricht er in Tränen aus
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Quelle: t-online
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Experte: "Saisonverschiebungen" sind möglich

Tressel hält "Saisonverschiebungen" für möglich. Die Menschen würden dann eher an Ostern, Pfingsten oder im Herbst in den Süden reisen, wenn die Temperaturen angenehmer sind. "Dafür verbringen sie ihren Sommerurlaub vielleicht eher mal in den Bergen", so der Tourismusexperte. In den Bergen gehe zunehmend Wintergeschäft verloren, weil die Winter zu warm seien. Daher überlege man dort, wie man Sommergeschäft generieren kann.

Die ganze Branche sei auf der Suche nach der Antwort auf die Frage, wie die Menschen in Zukunft verreisen werden, sagt Tressel. "Da ist in Zeiten multipler Krisen noch einiges offen."

Am Mittwoch brannte es im Südosten von Rhodos den neunten Tag in Folge. Aufgeben wollen die Einwohner nicht, im Gegenteil. Weiterhin sind Tausende im Kampf gegen die Flammen im Einsatz. "Wir schaffen das – und dann bauen wir alles wieder auf", versprechen sie sich selbst und den Touristen immer wieder. Immerhin haben die Bewohner von Rhodos das schon mit ihrer Akropolis in Lindos bewiesen: Deren Tempel wurde den Geschichtsbüchern zufolge im Jahr 392 v. Chr. von einem Feuer zerstört. Die Menschen bauten ihn wieder auf. Und er steht bis heute.

Verwendete Quellen
  • Nachrichtenagenturen dpa und AFP
  • handelsblatt.com: "Rhodos in Flammen – Zerstören die Feuer Griechenlands Tourismus-Boom?"
  • businessinsider.com: "Hitzewellen und Feuer auf Rhodos: Das sagen Tourismus-Experten über den Klimawandel und die Zukunft des Urlaubs am Mittelmeer" (kostenpflichtig)
  • fvw.de: "Nur zehn Prozent der Bettenkapazität betroffen"
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