Triage nach Flugzeugabsturz: Schwerverletzte werden von Helfern aussortiert

Bei einem schweren Flugzeugabsturz im Norden Australiens werden mehr als 20 Soldaten verletzt. Ihre Rettung verläuft unter extremen Umständen.

In Australien ist es innerhalb von nur einem Monat zum zweiten Mal zu einem schweren Absturz eines Militärflugzeuges gekommen. Dieses Mal traf es ein senkrecht startendes Kipprotor-Wandelflugzeug der US-Luftwaffe, das sich auf dem Weg zu einer vor der nordaustralischen Küste gelegenen Inselgruppe befand. Der Flug war Teil einer Militärübung namens "Exercise Predator Run 2023", an der die Streitkräfte verschiedener Nationen teilnahmen, darunter die USA, Australien, Philippinen und Indonesien.

Was war passiert? Das Flugzeug des Typs MV-22B Osprey war mit 23 Soldaten der amerikanischen Streitkräfte besetzt, als es am Sonntagmorgen um 9.30 Uhr Ortszeit auf Melville-Island plötzlich abstürzte. Die Insel befindet sich 80 Kilometer nördlich der Stadt Darwin. Wie es zu dem Unfall kam, konnte bislang noch nicht geklärt werden. Mehrere Untersuchungen zum genauen Unfallhergang sind laut dem australischen Verteidigungsminister Richard Marles bereits angelaufen.

Was geschah nach dem Absturz? Laut Medienberichten sollen Einsatzkräfte des Militärs, der Polizei und lokale Hilfskräfte sehr schnell vor Ort gewesen sein, um die Opfer des Absturzes notfallmedizinisch zu behandeln. Dabei wurde offenbar das Triage-System angewandt. Für drei Soldaten kam jede Hilfe zu spät. Sieben Insassen des hubschrauberähnlichen Flugzeugs wurden schwer verletzt und umgehend ins Royal Darwin Hospital ausgeflogen, einer von ihnen befand sich am Sonntagabend in kritischem Zustand. Für das Krankenhaus wurde zudem code brown verhängt, ein spezielles Einsatzverfahren für Notfallsituationen.

Was bedeutet die Triage? Der Begriff kommt aus dem Französischen und bedeutet so viel wie Sichtung und Sortierung. In der Notfallmedizin kommt das Verfahren meist zur Anwendung bei einem Ereignis, das eine große Anzahl an Verletzten zur Folge hat. Auch im Zuge der Corona-Krise ist die Triage an manchen Orten wohl angewandt worden. Unter Triage versteht man die Priorisierung von Patienten nach der Schwere ihrer Verletzung. Laut der Vorgabe des US-Militärs soll dadurch in einer unübersichtlichen Situation dafür gesorgt werden, dass "Ordnung über das Chaos regiert".

Wie gingen die Rettungskräfte vor? Im konkreten Fall handelten die Einsatzkräfte am Unfallort nach dem gängigen, vierstufigen Triageprinzip. Es sieht die Einteilung der Verletzten in die folgenden Sichtungskategorien vor:

• akut: Der Patient braucht sofortige Behandlung, weil er ansonsten in den nächsten Minuten sterben könnte.
• schwer verletzt: Der Patient hat ernste Verletzungen, die unbedingt behandelt werden müssen, allerdings ist die Dringlichkeit aufgeschoben. Der Patient muss bis zum Abtransport medizinisch überwacht werden.
• leicht verletzt: keine schweren Verletzungen, der Patient kann für seine Versorgung/Bergung selbst oder auch mit Hilfe nichtmedizinischen Personals sorgen.
• ohne Überlebenschance: Für den Patienten kommt jede Hilfe zu spät. Es kann höchstens noch eine Sterbebegleitung stattfinden.

Woher stammt die Triage? Erstmals eingeführt wurde das Verfahren im 15. Jahrhundert von dem deutschen Habsburgerkönig Maximilian I., der es in seine Heeres-Sanitäts-Verfassung integrierte. Die Triage sollte gewährleisten, dass in einem Krieg möglichst viele der verletzten Soldaten überleben. Auch, um sie später wieder im Kampf einsetzen zu können. Bei Anwendung der Triage müssen Ärzte und Sanitäter allerdings die ethisch äußerst schwierige Entscheidung treffen, welche Opfer sie zuerst behandeln und welche erst später.

Was bedeutet der code brown? Für das Royal Darwin Hospital wurde am Sonntag von den zuständigen Behörden zudem der code brown ausgerufen. Auch dieser wird nur bei schweren Unfällen mit einem erwarteten Massenaufkommen von Opfern verhängt. Der Kodex erlaubt es Hospitälern, ihr Personal außerplanmäßig zu aktivieren, Ärzte also auch aus der Freizeit in den Dienst zu rufen, geplante Operationen zu verschieben und bereits im Dienst befindliches Personal zu Überstunden zu verpflichten.

Warum war die Versorgung so schwierig? Ein Polizeikommissar des Bundesstaates Northern Territory, in dem der Absturzort liegt, nannte die Bergung der Unfallopfer angesichts des schwierigen und abgelegenen Terrains "sehr komplex". Der Ort des Absturzes auf der Insel Melville liegt demnach in relativ unzugänglichem Buschland.

"Es waren 23 Personen an Bord, 20 haben den Absturz überlebt, das ist wirklich bemerkenswert", sagte Verteidigungsminister Marles. Dass es nicht zu noch mehr Todesopfern gekommen ist, führte er auch auf den hohen Grad an Koordination der Einsatzkräfte und deren Zusammenspiel zurück. "Ich denke, das hat eine entscheidende Rolle gespielt. So konnten wir sicherstellen, dass so viele Menschen wie möglich den Crash überleben".

Seit 2012 war es bereits der sechste Absturz eines Osprey-Fluggeräts, bei dem es zu Todesopfern gekommen ist. Insgesamt kamen bei den Unfällen 19 Soldaten ums Leben. Sowohl die US-Luftwaffe als auch die australische Royal Airforce nutzen dieses Modell, da es als sehr leistungsfähig gilt und wie ein senkrecht startender Helikopter punktgenau abheben kann, woraufhin es sich in der Luft in ein Flugzeug verwandelt.

Erst vor drei Wochen war es im australischen Bundesstaat Queensland zu einem ähnlich tragischen Absturz eines Militärhelikopters vom Typ "MRH-90-Taipan" gekommen, der im Rahmen der "Talisman Saber"-Militärübung vor den Whitsunday Islands ins Meer stürzte. Alle vier Besatzungsmitglieder kamen dabei ums Leben.