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Debatte um Mord-Urteil: Wie kommt das Strafmaß in Kandel zustande?


Wurde Mias Mörder zu milde bestraft, der Dresdner Bomber zu hart?


Aktualisiert am 06.09.2018Lesedauer: 4 Min.
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"Warum?": Kerzen, Blumen und Erinnerungsstücke vor dem Drogeriemarkt, in dem Mia ermordet wurde.Vergrößern des Bildes
"Warum?": Kerzen, Blumen und Erinnerungsstücke vor dem Drogeriemarkt, in dem Mia ermordet wurde. (Quelle: Andreas Arnold/dpa)

Rechte Politiker vermengen zwei aktuelle Gerichtsurteile und sprechen vom Versagen des Rechtsstaats. Was ist dran an den Vorwürfen? t-online.de fragte einen Strafrechts-Experten.

Zwei schwere Verbrechen, zwei Gerichtsurteile und die rechte Empörung im Netz. Die deutsche Justiz hat dieser Tage in zwei viel beachteten Prozessen ihre Urteile gefällt. Sie schickte den Dresdner Moschee-Bombenleger für knapp zehn Jahre ins Gefängnis und verurteilte den Mörder der 15-jährigen Mia aus Kandel zu achteinhalb Jahren Haft. Im Fall Kandel hat die Staatsanwaltschaft nach dem Urteil Revision eingelegt.

In den sozialen Medien empörten sich AfD-Politiker und fremdenfeindliche Accounts: Ein Deutscher wird wegen versuchten Mordes härter bestraft als ein Flüchtling aus Afghanistan für vollendeten Mord. Ein Beleg für das Versagen des Rechtsstaats sei das und ein Beispiel für Unrechtsjustiz, die Deutsche gegenüber Flüchtlingen benachteilige.

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Die Vorwürfe gegen die Justiz wiegen schwer. Aber was ist dran an ihnen? Fällt das Urteil im Fall Kandel wirklich milde aus, das im Fall Dresden dagegen sehr hart? Und ist es möglich, dass Flüchtlinge anders abgeurteilt werden, als in Deutschland Geborene?

Die Fälle

Der Monteur Nino K. zündete am 26. September 2016 selbst gebaute Rohrbomben vor der Fatih-Moschee in Dresden. Nur einer von drei Sprengsätzen detonierte. Sie waren mit scharfkantigen Metallstücken gefüllt. Die Wucht der Explosion drückte die Tür des Hauses ein. Der Imam und seine Familie blieben bei dem Anschlag unverletzt. Wenig später explodierte am Internationalen Congress Centrum ein weiterer vom Beschuldigten gebauter Sprengsatz. Auch hier: keine Verletzten.


Der aus Afgahnistan stammende Abdul D. attackierte am 27. Dezember in einem Drogeriemarkt in Kandel die 15-jährige Mia mit einem Messer und tötete sie durch einen Stich ins Herz. Die Staatsanwaltschaft ging in ihrer Anklage von Eifersucht als Tatmotiv aus. Die Schülerin soll sich wenige Wochen zuvor von dem Angeklagten getrennt haben.

Das Strafmaß

Staatsanwaltschaft und Nebenklage hatten im Mordfall Kandel zehn Jahre Haft gefordert – die Höchststrafe nach Jugendstrafrecht. Abdul D. hatte nach der Tat angegeben, 15 Jahre alt zu sein, was allerdings schon vor Beginn des Verfahrens als widerlegt galt. Ein Gutachten kam zu dem Schluss, dass der 2016 nach Deutschland geflohene Afghane mindestens 17,5 Jahre alt war, wahrscheinlich aber um die 20.

Bei Unter-18-Jährigen kommt zwingend das Jugendstrafrecht zur Anwendung. Bei Heranwachsenden bis 20 Jahren kann nach regulärem Strafrecht verurteilt werden, in der Praxis wird aber meist das Jugendstrafrecht herangezogen, insbesondere bei schweren Straftaten. Da eine Minderjährigkeit des Verdächtigen zur Tatzeit nicht ausgeschlossen werden konnte, wurde das Verfahren entsprechend behandelt.

Dazu erklärt der Heidelberger Strafrechts-Professor Volker Haas: "Bei Heranwachsenden, also Tätern, die zur Zeit der Tat 18, aber noch nicht 21 Jahre alt sind, ist gemäß Paragraph 105 JGG Jugendstrafrecht anzuwenden, wenn die Gesamtwürdigung der Persönlichkeit des Täters bei Berücksichtigung auch der Umweltbedingungen ergibt, dass dieser zur Zeit der Tat nach seiner sittlichen und geistigen Entwicklung noch einem Jugendlichen gleichstand, oder es sich nach der Art, den Umständen oder den Beweggründen der Tat um eine Jugendverfehlung handelt." In der Rechtspraxis würden die Voraussetzungen in der Regel bejaht. Allerdings könne bei Mord kann unter Umständen auch gegen Heranwachsende auf bis zu fünfzehn Jahre Freiheitsstrafe erkannt werden.

Dennoch hält Haas das Urteil gegen Abdul D. nicht für milde. Im Gegenteil: "Das Gericht ist mit seinem Urteil schon nah an das Höchstmaß herangerückt. Da der Angeklagte nach Jugendstrafrecht abgeurteilt wurde, wären maximal zehn Jahre möglich gewesen", sagte Haas zu t-online.de.

In Flensburg wird seit Dienstag ein weiterer Mord an einem Mädchen verhandelt, begangen von einem afghanisischen Flüchtling. Wie in Kandel steht hier die Altersfrage im Vordergrund. Der Angeklagte gab nach der Tat sein Alter mit 18 an, was aber bezweifelt wird. Eine Gutachterin zeigte sich bei Prozessauftakt überzeugt, dass der Verdächtige deutlich über 21 ist. Wahrscheinlich sei er sogar 29 Jahre alt. Dann droht ihm nach Erwachsenenstrafrecht lebenslange Haft.

Bombenleger Nino K. war unter anderem wegen versuchten Mordes, Herbeiführens einer Sprengstoffexplosion und versuchter besonders schwerer Brandstiftung angeklagt. Laut Generalstaatsanwaltschaft, die zehn Jahre und neun Monate forderte, hat der Monteur die Tat lange vorbereitet und es billigend in Kauf genommen, dass Menschen verletzt oder getötet werden.

Starfrechts-Professor Haas sagt, das Urteil gegen K. hätte auch noch deutlich härter ausfallen können. "Auf Mord steht nach Paragraph 211 Strafgesetzbuch lebenslange Freiheitsstrafe. Der Versuch kann nach Paragraph 23 aber milder bestraft werden." Dass der deutsche Täter also härter abgeurteilt wurde als der Migrant, davon könne keine Rede sein.

Die Geständnisse

Beide Täter hatten Geständnisse abgelegt und Reue gezeigt. Nino K. sagte vor Gericht: "Ich habe einen Riesenfehler gemacht, den ich zutiefst bereue." Der Prozess gegen Abdul D. wurde vor einer Jugendkammer unter Ausschluss der Öffentlichkeit verhandelt.

Strafrechts-Experte Haas erläutert: "Es ist gängige Praxis, dass sich ein Geständnis strafmildernd auswirkt. Wenn der einsichtige Täter seine Tat bereut und zeigt, dass er das Recht wieder anerkannt, bedarf es nicht im selben Maße der Bestrafung, um die Rechtsgemeinschaft zu befrieden und den Täter von weiteren Straftaten abzuhalten."

Die Tatmotive

Nach Auffassung der Staatsanwaltschaft tötete Abdul D. die 15-jährige Mia aus Eifersucht und Rache. Sie sah die Mordmerkmale der Heimtücke und der niederen Beweggründe erfüllt. Inwieweit sich das Gericht in Landau dem anschloss, bleibt offen, da die Urteilsbegründung nicht veröffentlicht wurde.

Motiv des Dresdner Bombenbauers soll Fremdenfeindlichkeit gewesen sein, was als sittlich verwerflicher und damit ebenfalls niederer Beweggrund gilt, wie Professor Haas erklärt. Straferschwerend dürfte im Fall Nino K. zudem die lange Vorbereitungszeit gewesen sein. Laut Staatsanwaltschaft wusste er genau, dass sich über der Moschee die Wohnung des Imam und seiner Familie befand. Er wohnte in unmittelbarer Nachbarschaft. K. ließ sich demnach am Abend der Tat auch nicht von einem Lichtschein aus der Wohnung von seinem Plan abbringen.

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