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Corona-Regeln: Neuseeland lässt schwangere Journalistin nicht einreisen


In Afghanistan gestrandet
Neuseeland lässt schwangere Journalistin nicht einreisen

Von t-online, jro

Aktualisiert am 31.01.2022Lesedauer: 4 Min.
Charlotte Bellis und Jim Huylebroek (l): Nachdem ihr Heimatland ihr die Einreise verweigerte, suchte die neuseeländische Reporterin Hilfe bei den Taliban.Vergrößern des BildesCharlotte Bellis und Jim Huylebroek (l.): Nachdem ihr Heimatland ihr die Einreise verweigerte, suchte die neuseeländische Reporterin Hilfe bei den Taliban. (Quelle: Uncredited/Charlotte Bellis/AP//dpa)
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Eine neuseeländische Journalistin wird in Afghanistan schwanger und möchte in ihr Heimatland zurückkehren. Nun kämpft sie um die Einreise, die ihr wegen der strikten Corona-Politik verweigert wird.

Es war Charlotte Bellis, die es wagte, den Taliban auf ihrer ersten offiziellen Pressekonferenz diese Frage zu stellen: "Welche Zusicherungen können sie Frauen und Mädchen geben, dass ihre Rechte geschützt werden?"

Bellis berichtete aus Kabul für den Nachrichtensender Al Jazeera mit Sitz in Katar. Noch im August 2021, kurz nach der Machtübernahme, sagte sie dem Radiosender RNZ: "Ich bleibe in Afghanistan, solange ich kann." Doch dann wurde sie schwanger.

"Heiraten Sie oder verlassen Sie das Land"

Im "New Zealand Herald" beschreibt die Journalistin in einem Gastbeitrag, was sie durchlebt hat, nachdem sie im September 2021 bei einem Besuch in Katar von ihrer Schwangerschaft erfahren hatte. Ihre Empfängnis bezeichnet Bellis darin als "Wunder" – jahrelang hätten ihr Ärzte gesagt, sie könne keine Kinder bekommen.

Doch als unverheiratete Frau ist ihre Schwangerschaft in Katar illegal. Sie berichtet von dem Besuch bei einer Gynäkologin in Doha. Diese habe ihr gesagt: "Heiraten Sie oder verlassen Sie das Land so bald wie möglich."

Was folgt, kann nur als emotionale Achterbahnfahrt beschrieben werden: Bellis sucht mit ihrem Partner Jim Huylebroek, einem freien Fotografen, nach einer Zukunft. Sie hätten beschlossen, das Kind in Neuseeland zur Welt zu bringen. Doch die Plätze im Einreiseprogramm sind knapp.

Tausende wollen nach Neuseeland

Neuseeland fährt eine harte "No-Covid"-Strategie. Auch Staatsangehörige müssen ein Zimmer in einem staatlichen Quarantäne-Zentrum, genannt MIQ, ergattern. Tausende nehmen jeden Tag an dem Vergabeverfahren teil, Bellis hat kein Glück.

Im November kommt die Erleichterung: Neuseeland kündigt an, die Einreiseregeln im Februar 2022 für Staatsbürger zu lockern – eine Rückkehr scheint nah. Im Zuge der sich ausbreitenden Omikron-Welle werden diese Pläne jedoch bald wieder zurückgenommen und auf ein ungewisses Datum verschoben.

Bellis hat sich für diese Zeit nach Belgien, das Heimatland ihres Partners, zurückgezogen. Als einziger Ausweg erscheint ihr das Notfallprogramm des MIQ. Dieses hält eine begrenzte Kapazität an Plätzen für Härtefälle zurück.

Taliban: "Ihr könnt kommen und werdet keine Probleme haben"

Nach eigener Aussage enthält der Antrag, den sie beim MIQ einreichte, 59 Dokumente. Sie belegten ihre Schwangerschaft, ihre Corona-Impfungen und begründeten ausführlich die Dringlichkeit der Lage. Noch vor Wochen hatte sie für Al Jazeera selbst über die prekäre Lage in afghanischen Krankenhäusern berichtet, denen die Medikamente ausgehen. Ein Kaiserschnitt könne dort gar nicht mehr durchgeführt werden.

Die Uhr läuft weiter: Ihr Visum für Belgien ist auf drei Monate begrenzt. Im Januar entschließt sie sich deshalb zu einem überraschenden Schritt. Sie habe einen ranghohen Taliban kontaktiert und gefragt, ob ihr und ihrem Partner Gefahr drohe, wenn sie nach Kabul zurückkehrten.

"Ihr könnt kommen und ihr werdet keine Probleme haben. Sagt den Leuten einfach, ihr wärt verheiratet und wenn es eskaliert, ruft uns an", gibt Bellis die umso überraschendere Antwort des Taliban wieder. Also reisen sie zurück nach Afghanistan – das einzige Land, in dem sie nach eigenen Angaben ein dauerhaftes Visum haben. Dass sie sich in ihrer Not an die Taliban gewandt habe, bezeichnet Bellis als "brutale Ironie" des Schicksals.

Antrag abgelehnt

Zurück in Kabul erhält die Neuseeländerin Ende Januar die bedrückende Neuigkeit. Ihr Antrag auf einen Platz im Härtefall-Programm wurde abgelehnt. Sie habe nicht nachweisen können, dass in Neuseeland ein medizinischer Eingriff mit zeitlicher Dringlichkeit vorgesehen sei. Der Knackpunkt: Für die Härtefallregelung muss der Termin in einem Zeitraum von 14 Tagen liegen. Der gebuchte Flug in die Heimat sollte aber erst Ende Februar starten.

Zu diesem Zeitpunkt beschließt Bellis, ihrem Anliegen mit allen verfügbaren Mitteln Geltung zu verschaffen: Sie kontaktiert erneut einen Anwalt und engagiert eine Freundin, die Expertin für PR ist. Und schließlich geht sie an die Öffentlichkeit.

Seitdem ist einiges passiert: Der Status im Bewerbungsportal sprang von "deaktiviert" zurück auf "in Bearbeitung" und der Leiter der MIQ-Behörde Chris Bunny veröffentlichte im "NZ Herald" eine Antwort auf ihre Vorwürfe. Neuseeland sei inmitten der Omikron-Welle mit einer großen Zahl von Anträgen konfrontiert, diese würden in einem "fairen und einheitlichen Verfahren" bearbeitet, heißt es da.

Macht Bellis sich mit den Taliban gemein?

In den sozialen Medien erhielt sie eine Menge Zuspruch für ihren Gastbeitrag. Kommentatoren aus aller Welt drückten ihr Mitgefühl für die schwangere Frau aus. Menschen aus Neuseeland dankten ihr: Sie mache auf das Schicksal vieler Landsleute aufmerksam, denen wie Bellis die Einreise verweigert werde.

Doch aus der afghanischen Community kamen auch kritische Stimmen. Die Taliban-Führung behandle Ausländer gut und versuche, sich dadurch ein positives, weltoffenes Image zu verschaffen. Bellis trage durch ihre Erzählung zu dem Erfolg dieser Taktik bei.

Wo wird ihre Tochter zur Welt kommen?

Eine Zusage für ihre Einreise nach Neuseeland steht aber weiterhin aus. Sie sei sehr enttäuscht von ihrem Heimatland, erklärte die Journalistin am Wochenende gegenüber dem Radiosender RNZ: "Es fühlt sich wie ein Vertrauensbruch an. Ich bin eine von euch und ich brauche Hilfe."

Im jüngsten Kapitel ihrer Geschichte veröffentlichte Bellis in der Nacht zu Montag einen Brief, den sie vom MIQ erhalten habe. Darin wird von ihr verlangt, einen neuen Antrag zu stellen – in einer neuen Kategorie, die sich nicht auf den medizinischen Notfall bezieht, sondern auf die allgemeine Bedrohungslage in Afghanistan.

Bellis lehnte die Anfrage ab. Sie bestehe darauf, dass ihre Schwangerschaft einen medizinischen Grund darstellt. Bis auf Weiteres werde sie an ihrem ersten Antrag festhalten, erklärte sie in dem auf Twitter veröffentlichten Antwortschreiben.

Am Sonntag kündigte ihre PR-Agentin Gemma Ross gegenüber RNZ an, ein weiterer Staat habe Charlotte Bellis nun Asyl angeboten. Im Mai soll ihre Tochter zur Welt kommen – unklar bleibt, in welchem Land das geschehen wird.

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