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Indien: Rinder-Schlachtverbot löst heftige Debatte aus


"Die Kuh ist unsere Mutter"
Heftige Debatte über Rinder-Schlachtverbot in Indien

ap, Von Nirmala George

Aktualisiert am 17.04.2015Lesedauer: 3 Min.
Eine Kuh auf der Straße in der südindischen Stadt Bangalore.Vergrößern des BildesEine Kuh auf der Straße in der südindischen Stadt Bangalore. (Quelle: dpa-bilder)
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Für die hinduistische Mehrheit in Indien sind Kühe heilig. Aber kann man die Schlachtung von Rindern mit Mord gleichsetzen? Im Land ist eine heftige Debatte darüber entbrannt, ob der Staat den Menschen vorschreiben darf, was sie essen.

Im Morgengrauen treffen täglich Hunderte Lastwagen mit Büffeln im Schlachthof von Neu-Delhi ein. Junge Männer treiben die Tiere aus den Fahrzeugen, sie werden entweder verkauft oder direkt geschlachtet. Der Handel mit Rindfleisch ist - trotz heiliger Kuh - ein Riesengeschäft in Indien. Bemühungen nationalistischer Hindus, ein umfassendes Schlachtverbot der Tiere zu erreichen, stoßen deshalb in vielen Kreisen auf Kritik.

Obwohl Kühe für die hinduistische Bevölkerungsmehrheit heilig sind und nicht getötet werden dürfen, ist das Land weltweit der fünftgrößte Konsument von Rindfleisch und der zweitgrößte Exporteur. Es sind vor allem Christen und Muslime im Land, die das Fleisch verzehren, sowie Angehörige der unteren Kasten. Denn Rindfleisch ist billig, kostet in Indien oft nur halb so viel wie Geflügel.

Landesweites Schlachtverbot für Kühe

In der Regel handelt es sich bei dem Fleisch um das von Ochsen oder Büffeln, nicht um das weiblicher Rinder. Für diese gilt landesweit ein Schlachtverbot. Nach dem Wahlsieg der hindu-nationalistischen Bharatiya Janata Partei (BJP) von Ministerpräsident Narendra Modi fordern nun religiöse Gruppen verstärkt, dieses Verbot auf alle Rinder auszuweiten.

In der Fleischindustrie ist deshalb die Sorge groß. "Dies ist eine politische Entscheidung", sagt Mohammed Aqil Qureshi, Präsident eines Verbandes von Büffelhändlern in Ghazipur, dem Stadtteil Neu-Delhis, in dem sich der Schlachthof befindet. "Sie belohnen die Hindus und schikanieren die Muslime." Rindfleisch sei ein wichtiges Nahrungsmittel für Millionen Menschen, betont er, insbesondere für Arme.

Kein rotes Fleisch in den Läden

Im Staat Maharashtra wurde das Schlachtverbot im vergangenen Monat bereits auf männliche Rinder ausgeweitet. Obwohl Büffel in dem neuen Gesetz nicht ausdrücklich erwähnt wurden, wird auch dieses in den Metzgerläden nicht mehr verkauft: Händler befürchten Ausschreitungen, sollte das Büffelfleisch mit dem von Kühen oder Ochsen verwechselt werden. Binnen kurzer Zeit verschwand in Mumbai, der Hauptstadt des Staates, rotes Fleisch aus den Läden. Restaurants und Kantinen mussten nach Alternativen suchen.

Die Strafen bei einem Verstoß gegen das Verbot sind scharf: Wer wegen Besitzes oder Verkaufs von Rindfleisch verurteilt wird, kann zu einer Haftstrafe von bis zu fünf Jahren und einer Geldstrafe in Höhe von umgerechnet etwa 188 Euro verurteilt werden. Fleischhändler in Maharashtra, in der die Staatsregierung von der BJP gestellt wird, haben Klage gegen das Gesetz eingelegt. Zehntausende Menschen hätten ihren Arbeitsplatz verloren, argumentieren sie.

Hindus für schärfere Gesetzgebung

Allerdings kam das Gesetz nicht überraschend. Modi hatte bereits im Wahlkampf angekündigt, ein umfassendes Schlachtverbot für Rinder einführen zu wollen. Und andere indische Staaten, in denen die BJP die Regierung stellt, wollen dem Beispiel Maharashtras folgen. Der Staat Haryana beispielsweise erwägt ein Gesetz, das das Schlachten von Rindern mit Mord gleichsetzt. Verstöße würden dann mit einer lebenslangen Haftstrafe belegt.

Viele Hindus begrüßen eine schärfere Gesetzgebung. "Die Kuh ist unsere Mutter", sagt der Geschäftsmann Pankaj Bansal, der in einem Tierasyl, das sich in Neu-Delhi um streunende Kühe kümmert, einem Tier gerade Brot reicht. "Ein Schlachtverbot sollte im ganzen Land gelten."

Vom Kuhschwanz gesegnet

Die Hausfrau Minu Aggarwal füttert Kühe mit grünen Blättern. Vor einem Tier kniet sie nieder und ein Mitarbeiter des Tierasyls berührt mit dem Schwanz der Kuh ihren Kopf - dies komme einer Segnung gleich, sagt sie.

Aus Sicht von Wirtschaftswissenschaftlern wäre ein Schlachtverbot für Rinder allerdings nicht sinnvoll. Zum einen befürchten sie, dass Bauern die Kühe ihrem Schicksal überlassen könnten, wenn sie keine Milch mehr geben. Oder noch schlimmer, sie könnten generell darauf verzichten, Kühe zu halten, weil sie befürchteten, diese jahrelang durchfüttern zu müssen, sagt der Analyst Harish Damodaran. "Die Kuh hat nur eine Zukunft dort, wo Schlachten nach bestimmten Kriterien erlaubt ist", schrieb er in der Zeitung "Indian Express".

Außerdem wäre ein umfassendes Schlachtverbot ein Rückschlag für die exportierende Rindfleischindustrie. Die Ausfuhr ist in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen. Für dieses Jahr erwarten die Händler eine Steigerung von 25 Prozent. "Unter einem solchen Verbot würden die Fleischexporte stark leiden", sagt ein Sprecher der staatlichen Behörde für den Export von Lebensmitteln.

Allein 2013 wurde Büffelfleisch in einem Umfang von fast fünf Milliarden Dollar (4,7 Milliarden Euro) exportiert, vor allem in Länder Südostasiens sowie am Persischen Golf.

Auch Inder wehren sich gegen das Verbot. "Kann uns die Regierung vorschreiben, was wir zu essen haben und was nicht?", fragt Danish Qureshi, ein Händler im Schlachthof von Ghazipur. "Das ist so, als wenn sie den Menschen verbieten wollten, Zucker zu essen."

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