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Fridays for Future: Carla Reemtsma über Austausch mit der Letzten Generation


Mitbegründerin von Fridays for Future
"Niemand will mehr Busse und Bahnen fahren"

InterviewVon Amir Selim

29.02.2024Lesedauer: 4 Min.
Interview
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Der Gesprächspartner muss auf jede unserer Fragen antworten. Anschließend bekommt er seine Antworten vorgelegt und kann sie autorisieren.

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Carla Reemtsma, Mitgründerin von Fridays for Future. (Archivbild) (Quelle: Christoph Hardt via www.imago-images.de/imago-images-bilder)

Sie dominierten lange die Szene der Klimaaktivisten. Zuletzt waren sie aber medial nicht mehr so präsent. Nun will Fridays for Future wieder in die Schlagzeilen.

Massive Proteste jeden Freitagmittag mit Tausenden Menschen auf der Straße: Das war der Erfolg von Fridays for Future. Zuletzt war es aber erstaunlich still um die Klimaaktivisten. Am 1. März wollen sie wieder in den Fokus der Öffentlichkeit rücken. Zusammen mit der Gewerkschaft Verdi nehmen sie am Streik des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) teil. Carla Reemtsma, Mitbegründerin von Fridays for Future, erklärt im Interview mit t-online, wie es bei den Klimaaktivisten weitergehen soll, ob sie sich ein Vorbild an der "Letzten Generation" nehmen und was sie von der Bundesregierung fordert.

t-online: Frau Reemtsma, hierzulande protestierten die Bauern, streikten Beschäftigte bei Bus und Bahn, und Millionen Menschen gingen gegen Rechtsextremismus auf die Straße. Nur von den Klimaprotesten fehlt jede Spur. Wo war Fridays for Future?

Carla Reemtsma: Fridays for Future hat in den letzten Wochen die Proteste gegen Rechtsextremismus unterstützt und teilweise mitorganisiert. Wir haben uns außerdem auf den Klimastreik am 1. März vorbereitet. An dem Tag werden wir gemeinsam mit Beschäftigten aus dem ÖPNV streiken. Dafür haben wir monatelang in den Betrieben das Gespräch gesucht. Diese Vorbereitung sehen Sie in der Öffentlichkeit natürlich weniger.

Warum streiken Sie mit Verdi?

Die Hitzerekorde der vergangenen Wochen machen klar: Es braucht konsequenten Klimaschutz jetzt. Und Klimaschutz geht nur mit einer echten Verkehrswende. Wir brauchen einen Ausbau des ÖPNVs, aber auch gute Jobs, denn gerade scheitert der Ausbau des ÖPNVs unter anderem daran, dass niemand mehr die Busse und Bahnen fahren möchte. Derzeit sind die Arbeitsbedingungen nicht gut, die Löhne gering, die Schichten zu lang und die Pausen zu kurz. Es fehlt außerdem massiv an Investitionen. Auch ohne sie ist die Verkehrswende nicht möglich.

Wäre es nicht effizienter, Straßen zu blockieren, so wie die "Letzte Generation"? Damit würden Sie Emissionen einsparen.

Der Großteil der Gesellschaft wünscht sich mehr Klimaschutz von der Regierung. Wenn es um einzelne Maßnahmen geht, müssen wir trotzdem für die gesellschaftliche Akzeptanz kämpfen. Beispielsweise, indem es günstige, gute und bezahlbare Mobilität für alle gibt. Das geht eben nur mit einem ausgebauten ÖPNV – und das spart dann wiederum auch Emissionen ein.

Nun sieht das die "Letzte Generation" offenbar so wie Sie. Die Aktivisten haben ihre Strategie geändert und wollen sich zukünftig nicht mehr ankleben. Wie bewerten Sie diese Veränderung?

Die disruptiven Proteste der "Letzten Generation" haben auf jeden Fall für Aufmerksamkeit für die Klimakrise gesorgt. Jetzt haben sich die Aktivisten für eine neue Form der Aktionen entschieden. Wir haben bei Fridays for Future von Anfang an gesagt, dass wir viele Leute bei den Klimaprotesten auf der Straße brauchen. Deshalb haben wir Organisationsformen genutzt, bei denen jede und jeder mitmachen und sich für Klimaschutz einsetzen kann. Die Anpassung zeigt: Die gesamte Debatte rund um Klimakrise und Klimaprotest hat sich verändert. Es geht nicht mehr nur darum, möglichst viel Aufmerksamkeit für die Klimakrise zu erzeugen, sondern auch Druck für konkrete Maßnahmen zu machen.

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(Quelle: Dwi Anoraganingrum/imago-images-bilder)

Zur Person

Carla Reemtsma (25) ist in Berlin geboren und aufgewachsen. Dort studiert sie an der Humboldt-Universität im Masterstudiengang Integrated Natural Resource Management. Seit Januar 2019 ist sie als Mitgründerin bei Fridays for Future in Deutschland aktiv.

Gibt es Überlegungen, in Zukunft zusammenzuarbeiten? Können Sie sich vorstellen, bei Blockaden mitzumachen?

Wir sind mit der "Letzten Generation" im Austausch, genauso wie wir es mit Gewerkschaften und anderen Klimagruppen auch sind. Ob sich etwas anbietet, werden wir sehen. Gerade gibt es keine konkreten Überlegungen, gemeinsam zu protestieren.

Das heißt, Ihre Strategie bleibt unverändert?

Wir haben entschieden: Wir wollen die Umsetzung konkreter Klimaschutzmaßnahmen vorantreiben. Deshalb suchen wir an vom Klimaschutz betroffenen Orten das Gespräch mit Menschen, Industrien, Gewerkschaften, um gemeinsam Veränderungen möglich zu machen. Natürlich sind auch die anstehenden Europawahlen und die Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg Thema. Es geht um die Frage: Wie kann eine Transformation aussehen, die eine gerechtere und bessere Zukunft für alle ermöglicht?

Planen Sie, mit Fridays for Future in Zukunft selbst an Wahlen teilzunehmen?

Nein, wir sind außerparlamentarisch aktiv und werden es auch bleiben.

Bleiben Sie also überparteilich oder wollen Sie bestimmte Parteien unterstützen?

Wir sind eine überparteiliche Bewegung. Aber wir sprechen uns ganz klar gegen rechtsextreme und populistische Parteien aus. Natürlich gibt es Parteien, die uns inhaltlich näher sind. Gleichzeitig gibt es, Stand jetzt, keine Partei, weder auf Bundes-, Europa-, kommunaler noch Länderebene, die ein 1,5-Grad-Ziel-konformes Wahlprogramm hat. Es gibt auch keine klare Wahlempfehlung von uns. Wir versuchen aber, den demokratischen Diskurs zu stärken und junge Leute davon zu überzeugen, wählen zu gehen, sich mit Politik auseinanderzusetzen.

Sie wollen außerparlamentarische Opposition bleiben, versuchen aber, junge Leute von Wahlen zu überzeugen. Wie passt das zusammen?

Wir haben durch den Anstieg von Rechtsextremismus und von Rechtspopulismus eine aktive Bedrohung für die Demokratie. Deswegen machen wir darauf aufmerksam, warum Wahlen wichtig sind. Es macht einen Unterschied, was wir wählen. Wir können auch einen Einfluss darauf nehmen: durch Proteste und Teilnahme an öffentlichen Debatten. Proteste haben beispielsweise Auswirkungen auf Wahlprogramme und auf deren Umsetzung.

Wie wollen Sie es schaffen, dass statt über Rechtsextremismus wieder vermehrt über Klimapolitik gesprochen wird?

Der Kampf gegen Rechtsextremismus und für eine starke Demokratie ist für uns zentral. Wir sehen auch, dass es eine Schnittmenge von Leuten gibt, die den Klimawandel leugnen, die Menschenrechte beschneiden wollen, die Rechte von Frauen beschränken wollen – das sind genau diese rechtsextremen Parteien und Bestrebungen. Die beiden Themen lassen sich nicht voneinander trennen. Gerade bei den Europawahlen, wo es um den Green New Deal der EU geht, ist es eine wichtige Aufgabe, das Thema Klimaschutz wieder stärker in den Vordergrund zu rücken.

Einen Green New Deal hat die Bundesregierung nicht geplant. Was fordern Sie von ihr?

Die Bundesregierung ist mit dem Versprechen angetreten, eine Fortschrittskoalition zu sein. Das erfüllt sie definitiv nicht. Unsere zentrale Forderung ist ein Sondervermögen für Klimaschutz über 100 Milliarden Euro. Die Schuldenbremse und die aktuelle Sparpolitik blockieren die Transformation. Wir brauchen Investitionen in den öffentlichen Nahverkehr und die Infrastruktur, wie in erneuerbare Energien. Mit 100 Milliarden wäre nicht alles finanziert, aber es würde den Grundstein legen.

Verwendete Quellen
  • Videointerview mit Carla Reemtsma
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