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Ostern und Hoffnung – Pfarrer: "Das Leben endet nicht mit dem Tod"


Hoffnung zu Ostern
"Ich bin überzeugt, dass das Leben nicht mit dem Tod endet"

InterviewVon Tobias Eßer

31.03.2024Lesedauer: 5 Min.
Interview
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Eine Taube als Symbol des Heiligen Geistes: Was können moderne Christinnen und Christen aus der Osterbotschaft ziehen?Vergrößern des Bildes
Eine Taube als Symbol des Heiligen Geistes: Was können moderne Christinnen und Christen aus der Osterbotschaft ziehen? (Quelle: IMAGO/Heike Lyding)

Die Osterbotschaft ist für Christinnen und Christen mit Hoffnung verbunden. Doch gilt das auch noch in einer Gesellschaft, die von Kriegen und Krisen bestimmt wird? Ein Gespräch.

Im Jahr 2024 hangelt sich die Menschheit von einer Krise zur anderen. Auf die Corona-Pandemie folgten der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine, der brutale Angriff der Hamas auf Israel sowie ein Krieg gegen die palästinensische Bevölkerung in Gaza, bei dem Zehntausende ihr Leben verloren. Dazu kommen zahllose Krisen und Konflikte in aller Welt, für die in den deutschen Medien kein Platz mehr bleibt.

Bei diesen schlechten Nachrichten kann es schwer sein, die Hoffnung auf eine bessere Welt nicht zu verlieren. Doch insbesondere das anstehende Osterfest ist für Christinnen und Christen auf der ganzen Welt ein Anlass, um sich Gedanken darüber zu machen, wie dieser Aufbau einer besseren Welt gelingen kann und welche Dinge im Alltag Hoffnung machen. Ralf Staymann ist altkatholischer Pfarrer der Gemeinde St. Jakobus in Koblenz und hat mit t-online über die moderne Bedeutung der Osterbotschaft gesprochen.

t-online: Herr Staymann, die Welt rutscht derzeit von einer Krise in die nächste. Können Sie noch Hoffnung aus der Osterbotschaft ziehen?

Ralf Staymann: Ich hoffe, dass ich das kann. Meine Osterpredigt in diesem Jahr habe ich mit dem Wort "Hoffnung" überschrieben. Und zumindest habe ich immer mal wieder das geflügelte Wort "Die Hoffnung stirbt zuletzt" genutzt.

Tun Sie das nicht mehr?

Irgendwann meinte jemand zu mir: "Ja, die Hoffnung stirbt zuletzt – aber sie stirbt." Da habe ich für mich festgestellt, dass dieser Ausspruch einen inneren Widerspruch darstellt. Und eigentlich möchte ich, dass die Hoffnung nicht zuletzt, sondern gar nicht stirbt. Das will ich meiner Gemeinde an diesem Osterfest vermitteln.

Altkatholische Kirche

Die altkatholische Kirche hatte sich im 19. Jahrhundert von der römisch-katholischen Kirche abgespalten. Ein Grund dafür war etwa die Ablehnung der Unfehlbarkeit des Papstes. In der altkatholischen Kirche sind etwa weibliche Priester erlaubt, auch gibt es kein Pflichtzölibat. In Deutschland sollen ihr etwa 15.000 Menschen angehören.

Wie wollen Sie das angesichts der zahlreichen Krisen in der Welt tun?

Ich weiß, dass genau das derzeit ziemlich schwierig ist. Aktuell gibt es viele schreckliche Nachrichten, die ja nicht nur Schlagzeilen sind, sondern hinter denen menschliche Schicksale und Lebensrealitäten stehen. Aber ich glaube, dass auch Christinnen und Christen in Israel, in Palästina, im Gazastreifen und in der Ukraine Ostern feiern wollen und dabei auch voller Hoffnung sind. Wenn man Hoffnung und Zuversicht aufgibt, bräuchte man Ostern gar nicht mehr zu feiern.

Woraus können Sie persönlich in dieser Zeit noch Hoffnung ziehen?

Ich werde jetzt nicht platt zu Ostern sagen, dass ich auf das ewige Leben hoffe. Die Botschaft Jesu war die Botschaft vom Reich Gottes, die auf dieser Erde deutlich gemacht werden soll. Das Reich Gottes, das schon unter uns ist.

(Quelle: Privat)

Ralf Staymann

Ralf Staymann (geboren 1962) ist seit 2005 Pfarrer der alt-katholischen Jakobusgemeinde in Koblenz. Der gebürtige Xantener ist außerdem Direktor des Bischöflichen Seminars in Bonn.

Ich hoffe derzeit einfach darauf, dass es den Menschen gelingt, wieder in die Spur zu kommen. In die Spur des Friedens und der Gerechtigkeit. Auch im Hinblick auf die Bewahrung der Schöpfung, die Welt muss besser gegen die Klimakrise geschützt werden. Ostern ist ja nicht losgelöst von der Realität, aber ich hoffe, dass viele Menschen aus ihrem Glauben heraus mit Überzeugung sagen können: Ich gebe den Laden hier noch nicht auf.

Sehen Sie diese Überzeugung bei den Menschen?

Ich habe das Gefühl, dass sich viele wünschen, dass wir mehr miteinander als gegeneinander unterwegs sind. Außerdem fühlt es sich für mich so an, als könne von Ostern in diesem Jahr eine besondere Strahlkraft dahingehend ausgehen. Sicherlich erst mal in das persönliche Leben der Einzelnen, es ist ja nicht immer die ganze Welt anwesend. Für mich ist es wichtig zu wissen, dass diejenigen, mit denen ich Ostern feiere, mit Hoffnung wieder nach Hause gehen. Selbst wenn das nur ein kleines Licht ist, das sie in der Hand halten und mit hineinnehmen in die Dunkelheit.

Wir leben in einer Gesellschaft, in der Religion nicht mehr zwingend eine große Rolle spielt. Kann uns die Osterbotschaft auch unabhängig von unserem persönlichen Verhältnis zum Christentum etwas mitgeben?

In den vergangenen Tagen habe ich den Satz "Ihr könnt morden, aber nicht siegen" gelesen. Wir leben in einer Welt, in der das Sterben und der Tod allgegenwärtig sind und in der Menschen in den verschiedensten Ländern ermordet werden. Aber es gibt auch Lichtblicke, etwa jemand wie Alexej Nawalny, der unabhängig von seiner Religion nach dem Motto "Ihr könnt morden, aber nicht siegen" gehandelt hat. Die Botschaft ist letzten Endes unbesiegbar.

Das ist für mich das, was Ostern ausmacht – insbesondere wenn ich an die Botschaft des Jesus von Nazareth denke, der ebenfalls ermordet wurde, dessen Botschaft aber noch Jahrtausende später lebt. Das kann auch ein Ansatz für die Menschen sein, die keinen besonderen Zugang zum Glauben haben.

Gerade vielen jungen Menschen scheint es angesichts von Klimakrise und Kriegen schwerzufallen, optimistisch in die Zukunft zu blicken. Was würden Sie ihnen raten?

Das ist immer von der Persönlichkeit eines Menschen abhängig. Ich würde jetzt nicht sagen, dass ein simpler Optimismus uns immer weiterhelfen kann. Meine Eltern haben zum Beispiel den Zweiten Weltkrieg noch hautnah miterlebt – aber dann auch den Aufbau und das Leben danach.

Es wird immer wieder bessere Zeiten geben. Und junge Menschen haben ihr Leben noch ein Stück weit in der eigenen Hand – auch wenn sie im Hinblick auf die Klimakrise das ausbaden müssen, was ihnen die Generationen vorher hinterlassen haben.

Ich würde ihnen sagen: Tut euch zusammen, wenn ihr wirklich etwas bewirken wollt. Arbeitet zusammen und damit auf eure gemeinsame Zukunft hin.

Aber viele Menschen verfallen angesichts der Krisen in eine Art Apathie und wissen nicht, wie sie etwas ändern können.

Ich kann das gut verstehen, es ist ja nicht nur die Klimakrise. Es gibt so viele verschiedene Baustellen in unserer Gesellschaft – die Rentenpolitik, die Entwicklung in der Parteienlandschaft mit dem Aufstieg der rechtsextremen AfD. Ich bin mir bewusst, dass die jungen Generationen keine einfachen Zeiten vor sich haben. Aber ich hoffe, dass es ihnen gelingt, diese Schwierigkeiten zu bewältigen. Und dass die Älteren, die jetzt noch leben, endlich mal kapieren, dass sie durch ihr Leben und Handeln die Jungen positiv beeinflussen können.

Ostern gilt gemeinhin als der Sieg des Lebens über den Tod. Glauben Sie, dass auch in unserer Gesellschaft das Leben siegen kann?

Grundsätzlich ist uns vermutlich allen klar, dass jeder Mensch stirbt. Ob im Krieg oder an einer natürlichen Todesursache. Die Frage, die ich mir stelle, ist folgende: An welcher Stelle kann das Leben über den Tod siegen?

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Ich persönlich bin aufgrund der bezeugten Erfahrungen mit der Auferweckung Jesu der Überzeugung, dass es so etwas wie ein Leben in Fülle in Gott nach dem Tod gibt. Allerdings dürften alle Theologinnen und Theologen gut beraten sein, dieses Leben nicht konkret zu beschreiben, weil eben niemand weiß, wie dieses Leben aussieht. Das ist für mich im Sinne der katholischen Liturgie ein "Geheimnis des Glaubens". Aber ich bin überzeugt davon, dass das Leben eines Menschen nicht mit seinem oder ihrem Tod endet.

Haben Sie zum Ende des Gesprächs noch eine persönliche Osterbotschaft, die Sie den Leserinnen und Lesern mit auf den Weg geben möchten?

Da sind wir wieder beim Anfang unseres Gesprächs angekommen. Ich wünsche mir, dass es den christlichen Gemeinden – egal welcher Konfession – gelingt, die mit Ostern verbundene Hoffnung zu feiern. Dass die Osterbotschaft in die Gemeinden, aber auch in den Alltag hinein ausstrahlt.

Die meisten von uns sind nicht an den großen Stellschrauben dieser Welt tätig. Aber es gibt im Alltag genügend Möglichkeiten, im kleinen Hoffnung zu verbreiten. Und das wäre für dieses Jahr mein persönlicher Wunsch: Ich möchte Hoffnung und Zuversicht verbreiten. Ich hoffe, dass das mir und auch vielen anderen Christinnen und Christen gelingt, die Ostern feiern.

Vielen Dank für das Gespräch – und frohe Ostern!

Verwendete Quellen
  • Gespräch mit Ralf Staymann
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