Meteorologe über Waldbrandgefahr "Dieser Sommer ist das beste Beispiel dafür"
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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Am ersten September hat der meteorologische Herbst begonnen. Zeit, einen Blick auf den vergangenen Sommer zu werfen. Ein Experte räumt mit Missverständnissen auf.
Der Sommer 2024 ist zu Ende, ein Sommermärchen hielt er für die deutschen Fußballfans bei der Heim-EM nicht parat. Auch das Wetter war eher durchwachsen, viele dürften sich noch lebhaft an verregnete Public-Viewing-Abende erinnern.
Zuvor hatten Ende Mai und Anfang Juni massive Regenfälle für Überschwemmungen gesorgt. Zum meteorologischen Herbstbeginn zieht der Meteorologe Martin A. Puchegger von wetter.com bei t-online Bilanz.
t-online: Herr Puchegger, im Vergleich zum Vorjahr erschien dieser Sommer vielen deutlich nasser. War er das tatsächlich?
Martin A. Puchegger: Nein, der Eindruck täuscht. Auch wenn er für manche nasser wirkte – unter dem Strich war der Sommer 2023 deutschlandweit feuchter als der diesjährige.
Wieso wirkte er dann so viel nasser?
Das Ausbleiben längerer beständiger Wetterphasen schürte bei vielen den Eindruck eines sehr nassen Sommers. Dabei waren die Niederschläge sehr unterschiedlich verteilt. Während im Norden und Osten besonders im August große Trockenheit herrschte, sorgten schwere Gewitter in anderen Teilen des Landes für Sturzfluten und Überschwemmungen – wie in Bayern. Zudem war nur der Juni etwas zu feucht. Juli und August zeigten sich im Landesdurchschnitt hingegen ausgeglichen.
Zur Person
Mag. Martin Puchegger (46) hat an der Universität Wien Meteorologie studiert und war danach 17 Jahre lang als Chief Forecaster und Team-Leader im Unwetter-Warnmanagement für Meteomedia unter Jörg Kachelmann und für die Ubimet GmbH tätig. In der Zeit betreute er auch die Deutsche Presse-Agentur. Seit gut zwei Jahren arbeitet er als Journalist und Medien-Meteorologe bei wetter.com. Privat ist er Autor des ersten und einzigen Wetterlehrpfades in Österreich, ein ehrenamtliches Projekt, das vom Land Niederösterreich ausgezeichnet wurde.
Hat sich die Art des Niederschlags verändert? Ist der Regen stärker geworden oder täuscht auch hier die Wahrnehmung?
Hier trügt die eigene Wahrnehmung nicht. Zwar regnet es seltener, dafür aber kräftiger. Da sind die Statistiken eindeutig.
Welche Folgen hat diese Veränderung?
Daraus resultieren viele Gefahren. Große Wassermassen kann der Boden zumeist nicht aufnehmen, wenn sie geballt in einem Starkregenereignis niedergehen. Das Resultat sind rutschende Hänge oder Überschwemmungen.
Aber unserem Grundwasserspiegel kommen die Wassermassen zugute, oder nicht?
Das mag naheliegend erscheinen, aber das genaue Gegenteil ist der Fall. Der Großteil des kostbaren Wassers fließt einfach davon, weil es nicht in den trockenen Boden eindringen kann. Fällt das Wasser in Massen, verwüstet es nicht nur unsere Städte, sondern lässt auch unsere Trinkwasserreserven schwinden.
Im März gab das Jülicher Institut für Agrosphärenforschung bekannt, dass sich die Wasserspeicher von den Dürren der Vorjahre erholt hätten und aufgefüllt seien. Sind die denn schon wieder aufgebraucht?
Die Grundwasserreserven haben sich aufgrund des in Summe relativ feuchten Jahres 2023 gut erholt. Das ist auch den Sommer über in weiten Teilen Deutschlands so geblieben, da es wiederholt zu Niederschlägen kam. Inwieweit sich die langen Trockenperioden im August im Osten nun mittelfristig auswirken, wird davon abhängen, wie trocken oder nass der Herbst verläuft. Kräftiger Regen wird hier aber zu Beginn der zweiten Septemberwoche bereits wieder erwartet und könnte die negative Augustbilanz schlagartig ausgleichen.
Wie sieht die Waldbrandbilanz dieses Sommers aus?
Die Waldbrandgefahr war insbesondere im Osten Deutschlands wiederholt sehr groß und wurde laut Deutschem Wetterdienst im August häufig mit der höchsten Stufe 5 bewertet. In den anderen Regionen war sie nur vorübergehend ein Thema. Nun, Anfang September, hat sich daran nichts verändert, der mäßige bis frische Ostwind und die trockene Luft lassen die Waldbrandgefahr weiterhin auf höchster Stufe, selbst im östlichen Bayern ist das aktuell der Fall.
Hilft der Starkregen zumindest gegen die Waldbrände?
So grotesk es klingt, aber Starkregenereignisse lassen die Waldbrandgefahr insgesamt ansteigen.
Warum?
Wenn mal Regen fällt, fällt zu viel davon. Da der Boden die Massen nicht aufnehmen kann und ein Großteil abfließt, statt im Boden gespeichert zu werden, steht der Vegetation nicht mehr genug zur Verfügung. In den langen Trockenphasen zwischen den heftigen Niederschlagsereignissen dörrt die Landschaft daher aus. Das führt zu einer erhöhten Wald-, Busch- und Flurbrandgefahr.
Dieses Jahr haben sich Waldbrände in europäischen Urlaubsregionen gehäuft. Daran wird sich dann vermutlich auch nichts ändern?
Stimmt, das ist leider so. Die Dürreperioden, die sich bei uns in Mitteleuropa häufen, werden auch im Mittelmeerraum länger andauern. Es bleibt länger heiß, es regnet seltener – und wenn, dann sehr intensiv. Gerade der diesjährige Sommer ist das beste Beispiel dafür.
Sind die angesprochenen Entwicklungen Effekte des Klimawandels oder sind das noch normale Wetterkapriolen?
Wir sprechen hier eindeutig von den Auswirkungen des vom Menschen gemachten Klimawandels. Natürlich ist das Klima von Natur aus immer im Wandel. Aber aktuell verändert es sich extrem rasch, schneller, als uns lieb ist und daran sind wir schuld. Daran könnten allerdings noch andere Phänomene schuld sein, die Forschung ist bereits daran, nach entsprechenden Antworten zu suchen.
- Gespräch mit Martin A. Puchegger, Meteorologe bei wetter.com