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Markus Söder | Politiker im Wahlkampf: Wenn Fakten keine Rolle mehr spielen


Tagesanbruch
Wenn Fakten keine Rolle mehr spielen

MeinungVon Camilla Kohrs

Aktualisiert am 16.08.2023Lesedauer: 5 Min.
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Bayerns Ministerpräsident Markus Söder: Einfach mal das Thema gewechselt. (Quelle: Sebastian Widmann/getty-images-bilder)

Guten Morgen, liebe Leserin, lieber Leser,

in Bayern ist am Sonntag eine Sicherung durchgebrannt. Eine Abwanderung der Industrie, gar ein wirtschaftlicher Abstieg drohe, erzürnte sich Markus Söder in der "Süddeutschen Zeitung". Süddeutschland als industrielles Herz sei in Gefahr, sollten unterschiedliche Strompreiszonen in Deutschland entstehen. Söder reagierte damit auf einen Vorschlag des Chefs der Bundesnetzagentur, Klaus Müller, der auch von Robert Habecks Wirtschaftsministerium unterstützt wird. Das Problem ist nur: Die Stromzonen, über die sich Söder so erregt, haben mit dem Vorschlag Müllers gar nichts zu tun.

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Bei dem Vorstoß der Bundesnetzagentur geht es darum, die Netzentgelte fairer zu verteilen. Denn derzeit ist es so: Je mehr in einer Region ins Stromnetz investiert wird, desto höher sind die Netzentgelte. In Regionen etwa, in denen viele Windparks aufgebaut werden, zahlen die Abnehmer also mehr (hier erfahren Sie die Details). Fairerweise sei gesagt: Nicht nur Söder, auch in einigen Medienberichten ging das durcheinander.

Klar, Bayern ist im Wahlkampf, dann geht es immer etwas wilder zur Sache – vor allem im Freistaat. Ein bisschen Streit ist ja auch gut, das bewegt die Gemüter, bringt Schwung in die Debatte. Und doch gibt es dabei natürlich Regeln. Eine davon wäre, zu überprüfen, ob das Gesagte tatsächlich etwas mit der Realität zu tun hat. Denn allzu häufig ist die politische Auseinandersetzung derzeit von einem hektischen Reflex bestimmt: Hauptsache drauf.

Weitere Beispiele aus den vergangenen Tagen: Als gestern bekannt wurde, dass Außenministerin Annalena Baerbock ihre Australien-Reise wegen eines kaputten Flugzeugs abbrechen und nach Deutschland zurückkehren muss, entspann sich folgende absurde Geschichte. Ein Satire-Account im Netzwerk "X" (vormals Twitter) mit dem Namen "Außenministerin Parody Annalena Baerbock" schrieb: "Diese Reise hat erneut die Notwendigkeit einer feministischen Außenpolitik offengelegt: Denn das Flugzeug wurde von Männern gebaut und gewartet (...). Das wäre keiner Frau passiert."

Würde das tatsächlich eine Außenministerin schreiben? Der CDU-Bundestagsabgeordnete Klaus Wiener dachte wohl: Ja. Er teilte den Post mit den Worten: "Unfassbar! Was für eine Arroganz." Unfassbar war eher, dass er auf einen Satire-Account hereingefallen war, der das englische Wort für Parodie sogar im Namen trägt. Das merkte er später auch selbst, löschte seinen Beitrag und schrieb stattdessen: "Ok, es war Parodie, die ich in der Hektik des Tages nicht sofort als solche erkannt habe. (...) Das passiert so nicht wieder."

Ein anderer Fall: Vor zwei Wochen veröffentlichte Nancy Faesers Innenministerium einen "Diskussionsentwurf zur Verbesserung der Rückführungen", wie Abschiebungen oder Ausweisungen mittlerweile genannt werden. Mit dabei: Der Vorschlag, dass "Angehörige von Gemeinschaften der Organisierten Kriminalität" mit ausländischer Staatsangehörigkeit ihr Aufenthaltsrecht verlieren sollen. Die Sprecherin der Linksfraktion Clara Bünger sagte daraufhin, Faeser betreibe aggressiven Rechtspopulismus und stigmatisiere Migranten als "kriminelle Clans". Von Pro Asyl kam der Vorwurf, es handele sich um Sippenhaft.

Das ist schon ein weiter Gedankensprung. Denn es ging mitnichten darum, Menschen nur wegen ihres Nachnamens auszuweisen, auch das Wort "Clans" wurde in dem Diskussionspapier nicht genannt. Rechtswissenschaftler Daniel Thym sprach daraufhin in einem Interview mit dem "Spiegel" von einer "Geisterdiskussion". "Ein Familienmitglied eines Clans wäre davon nur dann erfasst, wenn es tatsächlich auch in strafrechtlicher Hinsicht Mitglied der kriminellen Vereinigung selbst wäre – und eben nicht lediglich mit deren Mitgliedern verwandt." Ohnehin rechne er nicht damit, dass ein solcher Vorschlag, sollte er denn Gesetz werden, etwas wesentlich ändern würde. Die Kollegen der "Süddeutschen Zeitung" haben die ganze Aufregung an dieser Stelle eingeordnet.

Das sind nur einige Beispiele aus den vergangenen Tagen. Und natürlich spielen dabei nicht nur Politiker, sondern auch wir als Medien eine große Rolle, wenn falsche Aussagen verbreitet oder weiter zugespitzt werden. Einiges könnte man auch lustig finden, wie das Hereinfallen auf Satire-Meldungen – wenn es nicht ein größeres Problem aufzeigen würde, das weit über diese Einzelfälle hinausgeht.

Denn es sind immer die gleichen Klischees, die in die Diskussion geworfen werden: Die Grünen hassen angeblich Männer. Wer Kriminalität von Ausländern thematisiert, ist angeblich rechtsextrem. Und die Ampelregierung arbeitet angeblich immer gegen den kleinen Bürger – um nur einige Beispiele zu nennen. Sicher fallen Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, noch weitere ein.

Es ist, als würde man mit dem Finger auf die anderen zeigen, und sagen: Das sind die Bösen! Wie gefährlich eine solche Debattenkultur für eine Gesellschaft ist, lässt sich am Beispiel der USA betrachten. Dort gilt es für einige Republikaner als Verrat, mit Demokraten zusammenzuarbeiten und umgekehrt.

Politiker der demokratischen Mitte aber sollten sich solche Methoden nicht zu eigen machen, sondern ein gewisses Maß an Ernsthaftigkeit vorleben. Denn es geht um drängende politische Probleme. Und mit Draufhauen ist noch keines gelöst worden.


Das Flugzeug, das nicht flog

Deutschland ist nach der Löwen-Wildschwein-Verwechslung um eine Peinlichkeit in diesem Sommer reicher: die Flugbereitschaft der Bundeswehr. Denn auch die hat so ihre Probleme. Und das führte nun dazu, dass Außenministerin Annalena Baerbock ihre Reise nach Australien abbrechen musste. Ab dem Flughafen in Abu Dhabi gab es kein Weiterkommen mehr.

Dort musste die Maschine wegen eines technischen Problems notlanden, den ganzen Tag über wurde das Flugzeug repariert. Am Abend hieß es dann: In der Nacht auf Dienstag geht es weiter nach Australien. Wieder startete die Maschine, wieder musste sie nach Abu Dhabi zurück. Mein Kollege Patrick Diekmann war mit an Bord und hat das Drama minutiös miterlebt – und für Sie aufgeschrieben.


Die Termine

Die Ampel gibt Hanf frei: An diesem Mittwoch will die Bundesregierung voraussichtlich die Cannabis-Legalisierung auf den Weg bringen. Um 12.30 Uhr äußert sich Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) dazu in einer Pressekonferenz.

Entwicklungsministerin Svenja Schulze (SPD) setzt ihre Afrika-Reise fort und besucht morgen Nigeria. Es ist nicht nur das Nachbarland des Nigers, in dem kürzlich ein Putsch stattgefunden hat, sondern es hat auch den Vorsitz des Staatenbunds Ecowas inne, der gegen die Putschisten vorgeht.

Im Halbfinale der Fußball-Weltmeisterschaft trifft Australien um 12 Uhr auf England. Die Gewinnerinnen ziehen am Sonntag gegen Spanien ins Finale.


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Eigentlich hätte Außenministerin Baerbock nun in Australien sein können – und dort etwas Wichtiges über China lernen können. Denn "Down Under" hat es geschafft, sich aus dem Griff von Xi Jinping zu befreien. Wie, das berichtet mein Kollege Patrick Diekmann.

Mit seinem Lebenslauf habe alles seine Ordnung, versichert AfD-Europakandidat Arno Bausemer. Doch jetzt widerlegen ihn sogar Dokumente. Und in der Partei rumort es, berichten meine Kollegen Jonas Mueller-Töwe und Carsten Janz.

Bei der vierten Anklage gegen Donald Trump ist einiges anders. Sollte er in Georgia verurteilt werden, könnte er sich nicht selbst begnadigen. Der Prozess könnte erstmals auch live übertragen werden. Mein Kollege Bastian Brauns berichtet aus den USA.

Bei einem Unfall im Europa-Park bei Rust sind am Montag mehrere Menschen verletzt worden. Meine Kollegin Dorothea Meadows ist der Frage nachgegangen, wie sicher die Freizeitparks in Deutschland wirklich sind.


Das historische Bild

Wilhelm II. galt nicht unbedingt als humorvoller Zeitgenosse, doch 1906 amüsierte er sich kaiserlich über ein spektakuläres Schurkenstück. Mehr lesen Sie hier.


Zum Schluss

Flügel vorhanden, Voraussetzungen erfüllt.

Das war es von mir. Ich wünsche Ihnen einen wunderbaren Mittwoch. Morgen begleitet mein Kollege Peter Schink Sie in den Tag.

Camilla Kohrs
Stellvertretende Politikchefin
Twitter: @cckohrs

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Mit Material von dpa.

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