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Masken-Affäre: Jens Spahn und die Konsequenzen


Tagesanbruch
Der Bericht hat es in sich

MeinungVon Florian Harms

Aktualisiert am 11.06.2025 - 06:48 UhrLesedauer: 6 Min.
CDU-Politiker Jens Spahn hat ein Problem.Vergrößern des Bildes
CDU-Politiker Jens Spahn hat ein Problem. (Quelle: Michael Kappeler/dpa)
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Es heißt, man solle vergeben. Steht so in der Bibel, in Beziehungsratgebern und auf Yogi-Teebeuteln, irgendwo zwischen "Atme tief ein" und "Lass los". Aber wie genau funktioniert das – dieses Verzeihen? Muss der Sünder zuerst Reue zeigen? Ein Geständnis ablegen? Oder reicht es schon, wenn er seine Heimat liebt? Womit wir bei Jens Spahn sind, dem ehrgeizigsten Noch-nicht-Kanzler der CDU, gegenwärtig Bundestagsfraktionsvorsitzender ebenjener Partei sowie der nicht minder bedeutenden CSU und gern gesehener (oder zumindest gern eingeladener) Gast abendlicher TV-Talkshows.

Dieser Tausendsassa hat, was viele Politiker haben, die ganz nach oben wollen: eine Haut aus Teflon. Ihr unaufhaltsamer Aufstiegsdrang bringt es zwangsläufig mit sich, dass sie zwischen Bredouillen und Skandalen balancieren, aber wenn sie die nächste Stufe erklimmen, bleibt nichts kleben. Im Zweifel haben sie immer eine Talkshow-taugliche Ausrede parat, sodass sie weiter aufwärts stürmen können. Jens Spahn stürmt gern.

So wie im März 2020, als er das Amt des Bundesgesundheitsministers bekleidete und das Coronavirus (das zu Beginn der Pandemie noch viel gefährlicher erschien als später) mit Atemmasken bekämpfen musste. Vielen Masken! Millionen Masken! Und zwar subito! Die Krise war groß, die Profilierungsgelegenheit für Krisenmanager war es ebenfalls, also tat Spahn, was man tut, wenn man keine Zeit zu haben glaubt für Ausschreibungen, Prüfverfahren und andere lästige Regularien, die der deutsche Rechtsstaat vorsieht: Er griff zum Telefon und rief bei Fiege an.

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Das ist die Logistikfirma seines Vertrauens. Und zufälligerweise auch die Logistikfirma aus seinem heimatlichen Münsterland. Genauer gesagt: aus seinem Nachbarwahlkreis. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt. Und ein Journalist, wer dazu recherchiert. So, wie es die Kollegen mehrerer Medien und zuletzt die Teams von WDR, NDR und "Süddeutscher Zeitung" getan haben, die Teile des 170 Seiten langen Untersuchungsberichts zu Spahns Maskendebakel kennen. Dieser Bericht hat es in sich, ist bislang jedoch nicht in voller Länge bekannt, da die gegenwärtige Gesundheitsministerin Nina Warken ihn unter Verschluss hält. Die interessanterweise ebenfalls der CDU angehört.

Immerhin tröpfeln seit einigen Tagen Details über die Nachrichtenticker, und je mehr da tröpfelt, desto mehr wird Jens Spahns Teflonhaut herausgefordert. Demzufolge boxte der damalige Gesundheitsminister den Auftrag für seine Heimatfirma gegen den erklärten Widerstand des federführenden Innenministeriums durch, das größere und erfahrenere Logistikfirmen favorisierte. So bekam Fiege den Auftrag, Abermillionen FFP2-Masken in Asien zu besorgen und nach Deutschland zu fliegen – Gegenwert: 1,5 Milliarden Euro. Vergleichsangebote? Fehlanzeige. Ausschreibung? Nö.

Allerdings soll die Spahn'sche Favoritenfirma mit dem Auftrag schon bald überfordert gewesen sein (was das Unternehmen bestreitet). Denn noch eine zweite folgenschwere Entscheidung traf der Minister: Im Rahmen eines "Open-House-Verfahrens" garantierte er namens der Bundesregierung jedem, der dem Bund FFP-2-Masken liefern konnte, die Abnahme zum Preis von 4,50 Euro pro Stück.

Prompt fluteten zahllose Händler, Unterhändler und Unterunterhändler das Ministerium mit Lieferzusagen. Das geplante Budget von 500 Millionen Euro wurde schon nach Tagen gesprengt, am Ende musste die Regierung Masken im Wert von mehr als fünf Milliarden Euro abnehmen. Und weil das wirklich ziemlich viele sind, blieb sie am Ende auf den meisten Dingern sitzen, Pandemie hin oder her. Irgendwann lief das Haltbarkeitsdatum ab, das es in der deutschen Bürokratie tatsächlich auch für Masken gibt, und die teuren Bestellungen wanderten in den Müll. Von einem "vollständigen Kollaps der Logistikketten" und "diversen Folgeproblemen, die teilweise bis heute anhalten" spricht der vertrauliche Untersuchungsbericht. Am Ende blieben Gerichtsprozesse mit einhundert Maskenhändlern, ein dickes Minus in der Staatskasse und eine Menge Fragen.

Nun kann man sagen: Not kennt kein Gebot. Corona, das war halt eine Ausnahmesituation. Eine Weltkrise, in der die Regierenden nicht lange fackeln konnten, sondern ruckzuck entscheiden mussten. So sagt es sinngemäß Herr Spahn, und man kann ihm das nicht gänzlich absprechen. Er musste in heikler Lage Verantwortung übernehmen und hat das getan. Sicher hätten nur wenige mit ihm tauschen wollen, am wenigsten die notorischen Nörgelbürger.

Trotzdem bleibt ein tiefer Kratzer im Teflon. Eine vollständige Aufklärung der Münsterland-Connection und etwas mehr Demut, etwas mehr Bedauern über den kolossalen Schaden für die Steuerzahler wären nicht nur angemessen, sondern dringend nötig. "Wir werden einander viel verzeihen müssen", meinte Spahn während der Pandemie, nur wenige Wochen nach seinem Masken-Missgriff. Aus heutiger Sicht klingt es wie ein verklausuliertes Eingeständnis. Fünf Jahre später ist es höchste Zeit, reinen Tisch zu machen. Spahn sollte alle Fakten offenlegen und die Bürger um Entschuldigung bitten – nicht im abstrakten Plural, sondern in der ersten Person Singular und im Präsens. Dann können sie entscheiden, ob sie ihm verzeihen wollen.


Schock in der Schule

Graz steht unter Schock: Ein 21-Jähriger hat an seiner ehemaligen Schule zehn Menschen erschossen und elf weitere verletzt. Anschließend nahm er sich das Leben. Er galt als unauffällig und soll während seiner Schulzeit massiv gemobbt worden sein; aber noch ist unklar, ob es sich dabei um das Tatmotiv handelt. Eltern brachen zusammen, als sie gestern erfuhren, dass ihr Kind unter den Opfern ist. Bundeskanzler Christian Stocker spricht von einer "nationalen Tragödie" und einer "unfassbaren Tat". Nach dem schwersten Amoklauf in der Geschichte Österreichs gilt eine dreitägige Staatstrauer. Hier haben meine Kollegen den Ermittlungsstand zusammengefasst.


Aufruhr in US-Städten

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In den USA weiten sich die Proteste gegen Donald Trumps Anti-Migrationspolitik auf weitere Städte aus: Auch in San Francisco, New York, Austin, Dallas, Atlanta und Louisville gehen Tausende auf die Straßen. Im Brennpunkt Los Angeles nutzen Randalierer und Plünderer die Unruhe aus, überfallen Geschäfte und zünden Autos an. Der Präsident hat neben Nationalgardisten auch Elitesoldaten des U.S. Marine Corps in die Stadt geschickt und heizt die Stimmung mit grimmiger Rhetorik an. Einwanderer ohne Aufenthaltsgenehmigung, die teils seit vielen Jahren in den USA arbeiten, lässt er martialisch festnehmen und außer Landes schaffen. Nun droht Trump damit, den Notstand zu verhängen, dann hätte das Militär im Inland weitgehend freie Hand – was es seit mehr als 30 Jahren nicht mehr gab. Unser Korrespondent Bastian Brauns berichtet über die brenzlige Lage in Los Angeles: hier in einem Videobericht.


Termine des Tages

Im polnischen Parlament stellt Ministerpräsident Donald Tusk die Vertrauensfrage. Der Sieg des Rechtskonservativen Karol Nawrocki bei der Präsidentenwahl setzt die proeuropäische Regierung unter Druck. Erwartet wird ein Dauerkonflikt zwischen Nawrocki und Tusk, letzterer will nun seine Koalitionäre hinter sich versammeln.

Kanzler Friedrich Merz empfängt die dänische Ministerpräsidentin Mette Frederiksen. Sie hat eine rigide Migrationspolitik durchgesetzt, um die Einwanderung zu drosseln. Das hat zur Folge, dass sie hohe Zustimmung in der Bevölkerung genießt – und dass die dänische Wirtschaft auf eine Krise zusteuert, weil sich die Einwohnerzahl in den kommenden Jahren rapide verringern dürfte.

Generalleutnant Ingo Gerhartz übernimmt das Kommando über das Nato-Hauptquartier im niederländischen Brunssum. Es steuert alle militärischen Operationen in Zentraleuropa und an der Nato-Ostflanke. Dort beginnt im September das russische Großmanöver "Sapad". Eine heikle Herausforderung für den bisherigen deutschen Luftwaffenchef, dessen Karriere fast durch eine russische Abhöraktion beendet worden wäre.


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Kommt die Wehrpflicht – und wenn ja, welche? Union und SPD streiten über die Frage, wie die Personalnot der Truppe gelöst werden kann – und in Bundeswehrkreisen gibt es ein offenes Geheimnis, weiß unser Reporter Daniel Mützel.


Diplomatie statt Abschreckung? In einem neuen SPD-Papier rufen prominente Politiker der Partei zur Kehrtwende in der Russland-Politik auf. Der Vorstoß steht im Gegensatz zur Linie der Bundesregierung.


Ohrenschmaus

Angesichts der Weltlage habe ich einen melancholischen Song im Ohr. Kennen Sie vielleicht.


Zum Schluss

In den USA wird's immer doller.

Ich wünsche Ihnen einen friedlichen Tag. Morgen kommt der Tagesanbruch von Annika Leister.

Herzliche Grüße

Ihr

Florian Harms
Chefredakteur t-online
E-Mail: t-online-newsletter@stroeer.de

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Mit Material von dpa.

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