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Ungerechtes Deutschland: Im Klammergriff der Lobby


Im Klammergriff der Lobby

Von Florian Harms

Aktualisiert am 21.11.2023Lesedauer: 5 Min.
Meinung
Was ist eine Meinung?

Die subjektive Sicht des Autors auf das Thema. Niemand muss diese Meinung ΓΌbernehmen, aber sie kann zum Nachdenken anregen.

Der Spritmarkt wird durch unterschiedlich hohe Steuern reguliert.Vergrâßern des Bildes
Der Spritmarkt wird durch unterschiedlich hohe Steuern reguliert. (Quelle: IMAGO/Rolf Poss)

Guten Morgen liebe Leserin, lieber Leser,

Deutschland soll ein gerechter Staat sein, verkünden Politiker gern in Sonntagsreden. Doch das ist es nicht, im Gegenteil: Für ein demokratisches Land, das sich der Gleichheit aller Bürger rühmt, ist es in hohem Maße ungerecht. Die Alten leben auf Kosten der Jungen, denen sie weder ein intaktes Klima noch eine eintrÀgliche Rente hinterlassen. Das reichste Prozent der Bevâlkerung wiederum verursacht fünfzehnmal mehr CO2-Emissionen als der Rest und befeuert so die Erderhitzung.

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An eine andere Ungerechtigkeit hat man sich seit Jahren gewΓΆhnt, dabei ist sie ebenso augenfΓ€llig: Deutschland leistet sich einen Dschungel aus umweltschΓ€dlichen Subventionen, die einige Branchen, Unternehmen und BΓΌrger begΓΌnstigen – aber viele andere benachteiligen. Das Umweltbundesamt hat ihre Summe schon vor zwei Jahren auf mehr als 65 Milliarden Euro beziffert. Dazu zΓ€hlen unter anderem:

  • die SteuervergΓΌnstigungen fΓΌr das produzierende Gewerbe, also beispielsweise Bau, Bergbau und Energiewirtschaft,
  • die Niedrigsteuer auf Dieselkraftstoff fΓΌr Lkw, Pkw und landwirtschaftliche Maschinen,
  • das Dienstwagenprivileg,
  • die Pendlerpauschale,
  • die Steuerbefreiung von Flugbenzin,
  • die Mehrwertsteuerbefreiung von internationalen FlΓΌgen,
  • der reduzierte Mehrwertsteuersatz auf Tierprodukte wie Fleisch, Milch und KΓ€se.

Ein Staat ist ein komplexes Konstrukt, in dem absolute EgalitΓ€t eher schadet als nutzt. SchwΓ€chere brauchen mehr UnterstΓΌtzung als Starke, zukunftstrΓ€chtige Wirtschaftszweige verdienen FΓΆrderung. Absurd mutet es aber an, wenn der Staat gezielt Verhaltensweisen unterstΓΌtzt, die Millionen Menschen schaden, weil sie die Umwelt verschmutzen und das Klima aufheizen. Genau das haben die Bundesregierungen der vergangenen Jahrzehnte getan. Kerosin von der Energiesteuer auszunehmen, wΓ€hrend man zugleich die Bahn zum Sanierungsfall verlottern lΓ€sst – das muss man schon fast bΓΆsartig nennen. Es sei denn, man ist Flugzeugbauer, Airport-Betreiber, Reiseanbieter oder Vielflieger. Unter dem Klammergriff diverser Lobbys ist hierzulande ein GestrΓΌpp aus Ungerechtigkeiten gewuchert.

Die Ampelkoalition mâchte Deutschlands Wirtschaft nachhaltig umgestalten. Dafür hat sie den Klima- und Transformationsfonds aufgelegt und mit 60 Milliarden Euro aus dem Corona-Hilfspaket aufgefüllt. Diesen Winkelzug hat das Bundesverfassungsgericht in der vergangenen Woche verboten. Seitdem herrschen im Berliner Regierungsviertel Heulen und ZÀhneklappern. Weil die FDP Steuererhâhungen ausschließt und die CDU ihre Mithilfe beim Aussetzen der Schuldenbremse verweigert, bleiben der rot-grün-gelben Regierungsmannschaft eigentlich nur zwei Auswege: Entweder sie spart, dass es kracht. Das wÀre logisch, würde aber viele Bürger hart treffen. Oder sie versucht doch noch, massiv in Deutschlands Zukunft zu investieren, um Windkraft, GebÀudedÀmmung, Digitaltechnologien, das E-Tankstellennetz und die Sanierung des Bahnnetzes zu fârdern. Dann müsste sie sich flugs 60 Milliarden Euro aus anderen Quellen besorgen. Welch ein Zufall, dass der Betrag fast genau den umweltschÀdlichen Subventionen entspricht.


Zitat des Tages

"Wir wollen zusΓ€tzliche HaushaltsspielrΓ€ume dadurch gewinnen, dass wir im Haushalt ΓΌberflΓΌssige, unwirksame und umwelt- und klimaschΓ€dliche Subventionen und Ausgaben abbauen."

Aus dem Koalitionsvertrag von SPD, GrΓΌnen und FDP. Bisher umgesetzt: nichts.


Apropos Ausgaben: Die Regierung schΓ€tzt die Auswirkungen des Urteils des Bundesverfassungsgerichts zum Klimafonds offenbar doch ernster ein als bisher angenommen. Das Finanzministerium hat die fΓΌr den Klima- und Transformationsfonds (KTF) verfΓΌgte Haushaltssperre auf nahezu den gesamten Bundeshaushalt ausgedehnt. Die Ampel darf also kein neues Geld mehr ausgeben.

Heute bekommen die KoalitionΓ€re eine Chance, mutige Entscheidungen zu treffen, statt Probleme mit Geld zuzuschΓΌtten. In der ExpertenanhΓΆrung des Bundestags-Haushaltsausschusses geht es um die Frage, wie sich nach dem Verfassungsgerichtsurteil das Milliardenloch in der Kasse stopfen lΓ€sst. Die Zeit drΓ€ngt, denn schon kommt der nΓ€chste Schlag: Der Bundesrechnungshof stellt offenbar den gesamten Haushalt 2023 und 2024 infrage.


Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) ist zu einem unangekΓΌndigten Besuch in der Ukraine eingetroffen. Pistorius kam heute Morgen mit dem Zug in der Hauptstadt Kiew an. Er will GesprΓ€che mit seinem ukrainischen Kollegen Rustem Umerow und PrΓ€sident Wolodymyr Selenskyj fΓΌhren. Wir halten Sie hier auf dem Laufenden.


Kommt die Feuerpause?

Es gibt kein Wasser, keinen Strom, kein Essen und keine Medikamente: Die Lage im Al-Schifa-Krankenhaus in Gaza-Stadt ist desolat. Als "Todeszone" beschrieben Mitarbeiter der Weltgesundheitsorganisation WHO nach einem Besuch das Hospital. Weil die israelische Armee im Tunnelsystem unter dem GebΓ€udekomplex eine Kommandozentrale der Hamas vermutet, ist aus dem Krankenhaus ein militΓ€risches Objekt geworden. Obwohl gestern auch noch eine andere Klinik im nΓΆrdlichen Gazastreifen zum Schauplatz tΓΆdlicher Gefechte wurde, wΓ€chst die Hoffnung auf eine mehrtΓ€gige Feuerpause, die zur Evakuierung von Patienten genutzt werden kΓΆnnte – und im Gegenzug zur Freilassung israelischer Geiseln: Die Hamas ist angeblich bereit, 53 Frauen, Kinder und Jugendliche sowie 34 Menschen mit auslΓ€ndischem Pass gehen zu lassen. Als weitere Bedingung fordert die Terrortruppe die Freilassung weiblicher palΓ€stinensischer HΓ€ftlinge aus israelischen GefΓ€ngnissen.

Und was folgt auf den Krieg um Gaza? Der totgesagte Friedensprozess kΓΆnnte womΓΆglich doch wiederaufleben, berichtet mein Kollege Patrick Diekmann.


Gegen den Hass

Es war nicht etwa der frΓΌhere BundesprΓ€sident Christian Wulff, der als Erster aussprach, dass der Islam zu Deutschland gehΓΆrt. Der Satz stammt vom noch frΓΌheren Bundesinnenminister Wolfgang SchΓ€uble, der im Jahr 2006 die Deutsche Islamkonferenz ins Leben rief. Wenn das Dialogformat heute in Berlin wieder stattfindet, gibt es angesichts des aufflammenden Antisemitismus' in muslimischen Kreisen viel KlΓ€rungsbedarf.

Noch wichtiger als Worte wΓ€ren allerdings Taten. Der unsΓ€gliche Auftritt eines Taliban-Propagandisten in Deutschland zeigt einmal mehr, wie naiv der Staat sich auf der Nase herumtanzen lΓ€sst. Die SicherheitsbehΓΆrden mΓΌssen noch konsequenter gegen Islamisten vorgehen, kommentiert mein Kollege David Schafbuch.


Nagelprobe fΓΌr Nagelsmann

Drei LΓ€nderspiele der deutschen Fußball-Nationalmannschaft hat Bundestrainer Julian Nagelsmann bislang betreut – und dabei schon alle mΓΆglichen Resultate eingefahren: Auf ein 3:1 gegen die USA und ein 2:2 gegen Mexiko folgte am Samstag mit dem 2:3 gegen die TΓΌrkei die erste Niederlage. Angesichts der drei Gegentore und der vom Chefcoach diagnostizierten mangelnden Einsatzbereitschaft droht die zaghafte Aufbruchsstimmung schon wieder zu verfliegen. Die letzte Partie des Jahres gegen Γ–sterreich (heute um 20.15 Uhr im ZDF und im Liveticker meiner Sportkollegen) wird daher zur Nagelprobe: Sie entscheidet darΓΌber, ob die DFB-Kicker doch noch mit einem positiven Trend ins Jahr der Heim-EM gehen kΓΆnnen. Angesichts der dΓΌsteren Weltnachrichten wΓ€re das wirklich wΓΌnschenswert.

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Tagesanbruch - Was heute wichtig istWas heute wichtig ist

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Ohrenschmaus

Die Generalversammlung der Vereinten Nationen bringt wenig zustande. Eines aber schon: Sie erfindet gern Motto-Tage. So wie vor 27 Jahren, als sie den 21. November zum Welttag des Fernsehens kΓΌrte. Wir dΓΌrfen heute also guten Gewissens in die RΓΆhre gucken. Dort findet sich zum Beispiel dieser Klassiker, der womΓΆglich sogar mehr bewirkt hat als das UN-Plenum zu seinen besten Zeiten.


Lesetipps

Apropos Subventionen: Deutsche Verlage verlangen von der Bundesregierung, auch noch die Zustellung von Zeitungen mit Steuergeld zu fΓΆrdern. Meine Kollegin Io GΓΆrz schiebt die Forderung dorthin, wo sie hingehΓΆrt: in den Papierkorb.



Massenhafte Bombendrohungen versetzten vor einem Monat Tausende Menschen in Angst, die Polizei sperrte FlughΓ€fen und BahnhΓΆfe. Dank einer 26-JΓ€hrigen wurde der Kriminalfall nun gelΓΆst – mit einem ΓΌberraschenden Ergebnis, wie mein Kollege Lars Wienand herausgefunden hat.


Zum Schluss

Wie schΓΆn, wenn man sich in dieser dunklen Jahreszeit an jemanden rankuscheln kann. Gell?

Ich wΓΌnsche Ihnen einen gemΓΌtlichen Tag. Morgen kommt der Tagesanbruch wieder von Daniel MΓΌtzel.

Herzliche Grüße

Ihr

Florian Harms
Chefredakteur t-online
E-Mail: t-online-newsletter@stroeer.de

Mit Material von dpa.

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