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Russland spioniert wohl systematisch in der Ostsee: Gefahr für Deutschland?


Russische Schiffe in der Ostsee
"Wir halten die Gefahr für sehr konkret"

Von t-online, aj

Aktualisiert am 25.09.2024Lesedauer: 3 Min.
Foto einer Überwachungsdrohne von einer russischen Schiffsflotte vor der Küste Norwegens (Archivbild).Vergrößern des BildesFoto einer Überwachungsdrohne von einer russischen Schiffsflotte vor der Küste Norwegens (Archivbild). (Quelle: Norsk Telegrambyra AS/NTB Scanpix/via Reuters)

Das Ergebnis einer internationalen Recherche ist beunruhigend: Russland spioniert offenbar systematisch Windparks, Datenkabel und Pipelines in der Ost- und Nordsee aus.

Ein internationales Rechercheprojekt hat aufgedeckt, dass Russland offenbar systematisch kritische Infrastruktur in der Ost- und Nordsee ausspioniert. An den Recherchen waren in Deutschland der NDR, WDR und die "Süddeutsche Zeitung" (SZ) beteiligt. Die Investigativjournalisten haben mehr als 400 Fahrten von 72 russischen Forschungsschiffen ausgewertet und besorgniserregende Details zusammengetragen.

Den Berichten zufolge fuhren russische Schiffe mindestens 60 Mal mit ausgeschaltetem Ortungssystem und führten langsame Manöver nahe kritischer Infrastruktur durch. Zu den Zielen gehörten demnach Nato-Tauchgebiete, Gaspipelines, Datenkabel und Windparks. "Wir halten die Gefahr für sehr konkret", sagte der Präsident des Bundesnachrichtendienstes Bruno Kahl im Interview mit NDR, WDR und der "SZ".

Ausspähung eines Windparks vor Rügen?

Die Bundespolizei stieß etwa im Oktober 2023 auf das russische Forschungsschiff "Evgeny Gorigledzhan" im Windpark "Arcadis Ost 1" vor Rügen. Das Schiff hatte den Recherchen zufolge seine Transponder ausgeschaltet, wodurch es keine Positionsdaten mehr sendete. Die Bundespolizei soll dann den Kapitän des Schiffes aufgefordert haben, das Gebiet zu verlassen.

Anschließend sei das Schiff zwar abgedreht, jedoch in ein U-Boot-Tauchgebiet der Nato gefahren, das in der dänischen Außenwirtschaftszone (AWZ) liegt. Dort fuhr es dem Bericht zufolge über Stunden hinweg auffällige Zickzack-Muster. Ziel der Aktion könnte nach Informationen aus Sicherheitskreisen das Sammeln akustischer Informationen über U-Boote gewesen sein.

Die "Evgeny Gorigledzhan" gehört zum geheimen Tiefseeforschungsprogramm der russischen Streitkräfte (GUGI). Laut offiziellen Angaben betreiben die Schiffe lediglich "hydrographische Forschung". Russische Marineschiffe haben das Recht, Dänemark zu durchqueren, aber es ist ungewöhnlich, dass sie längere Aufenthalte einlegen. An Bord des Schiffes sollen laut dänischen Medienberichten aber auch bewaffnete Soldaten gewesen sein.

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Der dänische Militäranalyst Jens Wenzel Kristoffersen zeigte sich in einem Bericht der dänischen Rechercheplattform "Danwatch" erstaunt darüber, dass ein modernes russisches Spionageschiff offenbar ungestört in dänischen Gewässern fahren kann. "Jeder, der in einer Kommandozentrale sitzt und den Schiffsverkehr verfolgt, sollte sich darüber wundern. Das ist keine zivile Fähre, das ist eine Spezialeinheit! Das hätte sofort die lautesten Alarmglocken schrillen lassen müssen", so der Experte im Interview.

"Es scheint sehr, sehr seltsam zu sein, dass wir dem, was hier passiert, nicht mehr Aufmerksamkeit schenken. Nach den AIS-Daten scheint es bis zu acht Stunden zu dauern, bis ein kleines Schiff der deutschen Küstenwache eintrifft. Acht Stunden mitten in der Nacht, während dieses Schiff hin und her fährt und irgendetwas tut. Und man darf nicht vergessen, dass das nicht irgendwer ist. GUGI ist bekannt. Das sind hochprofessionelle Leute".

Zahlreiche weitere auffälige Fahrten

Weitere verdächtige russische Fahrten fanden den Recherchen von NDR, WDR und "SZ" zufolge vor den Küsten von Dänemark, Estland, Norwegen, dem Vereinigten Königreich, den Niederlanden und Finnland statt. In den meisten Fällen hielten sich die russischen Schiffe demnach in den Außschließlichen Wirtschaftszonen (AWZ) der betroffenen Länder auf. Manches Mal seien sie aber auch in das Küstenmeer der jeweiligen Staaten eingedrungen, wo Spionage-Tätigkeiten ausdrücklich verboten sind.

Laut einem ehemaligen Matrosen eines solchen Schiffes, der sich gegenüber dem Rechercheteam geäußert hat, sollen die Infrastrukturen genau vermessen werden, um im Kriegsfall gezielt zerstört werden zu können. Die mutmaßlichen Spionageausflüge dürften Teil von Moskaus hybrider Kriegsführung gegen den Westen sein. Russland hat in den vergangenen Jahren seine Kapazitäten in der Kriegsführung im Ozean ausgebaut, darunter mit Mini-U-Booten, Tauchern und Unterwasserdrohnen. Russische Behörden sowie die Nato ließen Anfragen der Rechercheure unbeantwortet.

Die aktuelle Rechtslage erschwert den Anrainerstaaten ein konkretes Vorgehen gegen die mutmaßlichen Spionageaktivitäten Russlands. Bislang blieb den betroffenen Ländern nur die Möglichkeit, eigene Schiffe für Präsenzfahrten einzusetzen und verdächtige russische Schiffe zu begleiten. Seit Beginn des Jahres 2023 hat die Bundespolizei in 102 Fällen russische Schiffe eskortiert, wie es in einer Antwort der Bundesregierung auf eine Frage des CDU-Abgeordneten Roderich Kiesewetter heißt. Mehr Sensorik unter Wasser könnte künftig helfen, verdächtige Bewegungen besser zu überwachen.

Verwendete Quellen
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