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Ukraine: Selenskyj baut Regierung um – was steckt dahinter?


Selenskyj baut Regierung um
"Die Machtverschiebung wird nun noch deutlicher"


Aktualisiert am 17.07.2025 - 09:24 UhrLesedauer: 6 Min.
Personalrochade in der ukrainischen Regierung (Montage): Die designierte Premierministerin Julija Swyrydenko, der ehemalige Verteidigungsminister Rustem Umerow, Präsident Wolodymyr Selenskyj und Ex-Ministerpräsident Denys Schmyhal (v.l.n.r.).Vergrößern des Bildes
Personalrochade in der ukrainischen Regierung (Montage): Die designierte Premierministerin Julija Swyrydenko, der ehemalige Verteidigungsminister Rustem Umerow, Präsident Wolodymyr Selenskyj und Ex-Ministerpräsident Denys Schmyhal (v.l.n.r.). (Quelle: Evgeniy Maloletka/AP/dpa/LUDOVIC MARIN/Pool via REUTERS/IMAGO/NurPhoto/IMAGO/Avalon.red)
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Wolodymyr Selenskyj baut die ukrainische Regierung um. Wer bekommt welche Posten – und was hat Donald Trump damit zu tun?

In der Ukraine stehen die Zeichen auf eine politische Neuausrichtung der Regierung. Präsident Wolodymyr Selenskyj packt gleich mehrere entscheidende Stellen der Exekutive an und besetzt zentrale Posten neu. Es ist bereits die zweite Kabinettsumbildung innerhalb eines Jahres: Im vergangenen September hatte insbesondere die Absetzung von Außenminister Dmytro Kuleba Aufsehen erregt. Daneben besetzte Selenskyj mit Zustimmung des Parlaments weitere kleinere Ministerien neu.

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Die neuerliche Umbildung, die am Donnerstag in der Werchowna Rada – dem Parlament der Ukraine – beschlossen werden soll, hat jedoch eine andere Qualität. Gleich vier bedeutende Personalien bekommen entweder neue Posten oder werden schlicht aus ihrer bisherigen Funktion abberufen.

Selenskyjs neue Rochade fällt in eine Zeit, in der sich die zuletzt schwierigen Beziehungen zu den USA deutlich entspannt haben. Auch die neuen Kabinettsumbildungen deuten darauf hin, dass Selenskyj mit den Personalien Trump weiter beschwichtigen will.

"Selenskyj hat wichtige Entscheidungen getroffen"

Andreas Umland, Ukraine-Experte und Analyst des Stockholmer Zentrums für Osteuropastudien, hält die Regierungsumbildung mit Blick auf Zeitpunkt und Auswahl der Personalien für "logisch".

(Quelle: imago stock&people/imago-images-bilder)

Zur Person

Andreas Umland (*1967) ist ein deutscher Politikwissenschaftler und Publizist. Er arbeitet von Kiew aus als Analyst beim Stockholmer Zentrum für Osteuropastudien des Schwedischen Instituts für Internationale Angelegenheiten. Umland gründete die Buchreihe "Soviet and Post-Soviet Politics and Society" ("Sowjetische und postsowjetische Politik und Gesellschaft").

Für die Ukraine begann die zweite Amtszeit Trumps schwierig. Dann schloss man mit Trump erfolgreich einen Rohstoffdeal. Vor dem Hintergrund massiver Luftangriffe und fehlender Verhandlungsbreitschaft Russlands beschloss Trump Anfang dieser Woche zudem neue Waffenhilfen für die Ukraine, die fortan über die Nato abgewickelt werden sollen. Ein großer Fortschritt aus ukrainischer Sicht.

Andreas Umland erklärt mit Blick darauf im Gespräch mit t-online: "Selenskyj hat wichtige Entscheidungen getroffen, die die Regierungsführung sowie die auswärtigen Beziehungen der Ukraine und seine Macht stabilisieren sollen."

Künftig steht Julija Swyrydenko, die zuvor vor allem Fachleuten bekannt war, an der Spitze der ukrainischen Regierung. Für sie macht Denys Schmyhal Platz, der fortan die Geschicke des Verteidigungsministeriums lenken soll. Dafür zieht der bisherige Verteidigungsminister Rustem Umerow nach Washington um und wird dort Botschafter. Die bisherige Botschafterin Oksana Markarowa tritt dafür ab – welche Position sie nun besetzen könnte, ist bisher nicht bekannt.

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Quelle: t-online

Umland verweist angesichts der Regierungsumbildung auf ein strukturelles Problem der ukrainischen Verfassung. "Das politische System der Ukraine ist durch seine geteilte Exekutive schon seit der Unabhängigkeit defizitär." Auf der einen Seite stehe der Präsident mit seinem Apparat, auf der anderen Seite der Premierminister und die Regierung, die formal unabhängig sind. "In Kriegszeiten ist diese Dualität der Macht besonders problematisch, da Entscheidungen schnell und geschlossen getroffen werden müssen."

Laut dem Politologen deuten die Neubesetzungen darauf hin, dass zumindest eine "informelle Reform des Systems" durchgeführt wird: "Die Exekutive soll vereinheitlicht werden, um Spannungen zwischen den beiden Lagern zu vermeiden." Schon im vergangenen Jahr sei bei der Regierungsumbildung eine Verschiebung der Macht in Richtung des Präsidialamts deutlich geworden. "Diese Machtverschiebung wird nun noch deutlicher. Eigentlich wäre aber eine Verfassungsreform notwendig, um ein entweder präsidentielles oder parlamentarisches System zu schaffen."

Im Folgenden gibt t-online einen Überblick über Selenskyjs jüngste Kabinettsrochade.

Julija Swyrydenko steigt zur Premierministerin auf

Die 39-Jährige steht künftig an der Spitze der ukrainischen Regierung. Die Ökonomin gilt als enge Vertraute von Wolodymyr Selenskyj und arbeitete bisher als stellvertretende Ministerpräsidentin. "Ihr Aufstieg dürfte mehrere Gründe haben", erklärt Umland.

"Einerseits hat sie maßgeblich zum Erfolg der Verhandlungen mit den USA über den Rohstoffdeal beigetragen", so der Politikwissenschaftler. "Außerdem passt sie mit ihrem Alter von 39 Jahren, ihrem Habitus und ihrer Weltanschauung besser in die Generation und das Temperament der neuen jüngeren Politiker, die im Schlepptau Selenskyjs aufgestiegen sind." Noch dazu gelte sie als eng mit Andrij Jermak verbunden, dem Chef des Präsidialamts, Selenskyjs rechter Hand. "Auch aus dieser Personalentscheidung lässt sich eine Verschiebung der Macht in Richtung des Präsidialamts herauslesen."

Dennoch, so hebt Umland hervor, sei Swyrydenko "auch eine Politikerin mit eigenem Format". Insbesondere ihre Verbindungen in die USA dürften bei ihrer Berufung ins neue Amt eine wichtige Rolle gespielt haben: "Ihre prominente Rolle beim Rohstoffdeal hat überrascht, ebenso war sie in Verhandlungen mit der EU involviert", erklärt der Experte.

"Ihr Aufstieg dürfte daher eine Belohnung für ihre wirtschaftsdiplomatischen Erfolge sein." Offenbar habe sie zur Stabilisierung der Beziehungen zu den USA beigetragen. "Wenn sie hier tatsächlich eine entscheidende Rolle gespielt hat, ist künftig noch mehr von Swyrydenko zu erwarten", sagt Umland. "Insgesamt dürfte sie sowohl in puncto internationale Beziehungen als auch vom ökonomischen Verständnis besser aufgestellt sein als ihr Vorgänger Schmyhal."

In einem Facebook-Post vom Montag erklärte sie, welche Aufgaben sie für die neue ukrainische Regierung als besonders wichtig erachtet: Sie will die wirtschaftliche Position der Ukraine stärken, Unterstützungsprogramme für die vom Krieg geplagte Zivilbevölkerung vorantreiben und die Waffenproduktion hochfahren. Auch Selenskyj hatte ihre Ernennung damit erklärt, das Wirtschaftspotenzial der Ukraine besser entfalten zu wollen.

Denys Schmyhal wechselt ins Verteidigungsministerium

Fünf Jahre lang hatte Denys Schmyhal das Amt des ukrainischen Ministerpräsidenten inne – damit ist seine Amtszeit die längste eines Ministerpräsidenten in der noch jungen Geschichte des Landes. Seine Zeit in der Regierung war von Krisen geprägt – nach seiner Ernennung am 4. März 2020 musste er zunächst die Folgen der Corona-Pandemie in der Ukraine bewältigen, nach dem Überfall Russlands war Schmyhal vor allem mit der Krisenbewältigung beschäftigt und hielt Wolodymyr Selenskyj innenpolitisch den Rücken frei.

Schmyhal gilt als Pragmatiker, der die Regierungsgeschäfte technokratisch und mit ruhiger Hand führt. Das führte auch dazu, dass er unter Selenskyj so lange im Amt bleiben konnte. Auch in der neuen Regierung wird er vermutlich eine wichtige Position innehaben: Selenskyj hat ihm das Amt des Verteidigungsministers angeboten.

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Ukraine-Experte Umland sieht die Personalie des ehemaligen Ministerpräsidenten kritisch: "Schmyhal hat seinen Posten jahrelang als guter Bürokrat ausgefüllt, gilt jedoch auch als ein Mann der alten Garde." Noch dazu könnte es Zwist mit dem Präsidenten gegeben haben: "Ihm wird nachgesagt, sich eine Art Schattennetzwerk aufgebaut zu haben, durch das sich Selenskyj bedroht fühlen könnte." Das legt zumindest ein Bericht der meist gut informierten "Ukrainska Pravda" nahe.

"Sein Wechsel ins Verteidigungsministerium passt in dieses Bild", meint Umland. "Als solcher ist er nunmehr direkt dem Präsidenten unterstellt, ist öffentlich mehr sichtbar und trägt Verantwortung für das derzeit wichtigste Ministerium. Selenskyj nimmt ihn dadurch an eine kürzere Leine."

Rustem Umerow soll neuer Botschafter in Washington werden

Auf den bisherigen Verteidigungsminister der Ukraine, Rustem Umerow, kommt ebenfalls eine neue Aufgabe zu. Der Angehörige der krimtatarischen Minderheit wird aller Voraussicht nach als neuer ukrainischer Botschafter nach Washington, D.C., wechseln und dort an einer Verbesserung der Beziehungen zwischen der Ukraine und den USA arbeiten.

Seine guten Verbindungen zu den Vereinigten Staaten scheinen Selenskyj zu dieser Personalrochade bewogen zu haben. Am Dienstag erklärte der ukrainische Präsident vor Journalisten in Kiew: "Es ist sehr wichtig für uns, die Beziehungen und das aktuelle Momentum zu nutzen". Selenskyj fuhr fort: "Diese Aufgabe erfordert eine starke Person, weshalb ich mich für den Verteidigungsminister der Ukraine entschieden habe."

Auch Experte Umland sieht Umerows Wechsel nach Washington "keinesfalls als Herabsetzung" des ehemaligen Ministers. "Der Botschafterposten in den USA hat nicht nur in der öffentlichen Wahrnehmung eine hervorgehobene Bedeutung. Auch in der informellen Hierarchie der Regierung hat er damit einen hohen Stellenwert." Umerows neuer Job füge sich in das Bild früherer Rochaden, etwa als der ehemalige Armeechef Walerij Saluschnyj 2024 nach London wechselte. "Zwei wichtige Botschafter sind nun mit Männern besetzt, die das ukrainische Militär und seinen Bedarf verstehen", so Umland.

Oksana Markarowa wird aus den USA abgezogen

Umerow wird nach seiner offiziellen Ernennung zum Botschafter die Aufgaben von Oksana Markarowa, der bisherigen ukrainischen Botschafterin in den Vereinigten Staaten, übernehmen. Die ehemalige Finanzministerin ist seit Februar 2021 in Washington, D.C., tätig, insbesondere zur Biden-Regierung soll sie einen guten Draht gehabt haben.

Markarowa fiel wohl vor allem wegen eines Termins bei den Republikanern in Ungnade: Im September 2024 besuchte Wolodymyr Selenskyj bei einem Besuch in den USA eine Munitionsfabrik im Bundesstaat Pennsylvania. Bei seinem Besuch begleiteten ihn ausschließlich demokratische Abgeordnete, was zu lauter Kritik des damaligen republikanischen Sprechers des Repräsentantenhauses, Mike Johnson, führte. Dieser warf Markarowa daraufhin Einmischung in den US-Wahlkampf und parteipolitisches Verhalten vor und verlangte öffentlich ihre Absetzung.

Die Situation eskalierte weiter, als Markarowa bei einem Treffen im Weißen Haus im Februar 2025 medienwirksam Unmut zeigte, während Trump und Selenskyj in einen scharfen Wortwechsel gerieten. Ihre Körpersprache – sie wandte sich mit der Hand an der Stirn vom Geschehen ab – wurde in US-Medien als diplomatischer Affront interpretiert.

Für Andreas Umland kam der Austausch Markarowas nicht überraschend, dieser sei sogar "seit Monaten erwartet worden". Nach der Wiederwahl Donald Trumps dürften die Forderungen nach ihrem Abzug deutlicher geworden sein, sagt der Analyst. "Zwar ist die Kritik der Republikaner an ihr kaum berechtigt, dennoch war Markarowas Abzug notwendig, um die Beziehungen zu den Vereinigten Staaten und Donald Trump zu stabilisieren."

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