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Schausteller in der Energiekrise: "Niemand fährt für 6,50 Euro Kettenkarussell"


"Niemand fährt für 6,50 Euro Karussell"
Inflation und Strompreise: So reagieren Schausteller auf die Krise

Von Roxana Frey

Aktualisiert am 13.09.2022Lesedauer: 3 Min.
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Frankfurter Herbst-Dippemess: Das traditionelle Volksfest bietet über 170 Stände.Vergrößern des Bildes
Frankfurter Herbst-Dippemess: Das traditionelle Volksfest bietet über 170 Stände. (Quelle: Roxana Frey/t-online)

Die Volksfeste sind wieder zurück – so auch in Frankfurt. Doch die Inflation macht sich deutlich bemerkbar. Die Schausteller sind angespannt.

Jahrmarkt, Kirmes, Rummel – jede deutsche Region hat ihre eigene Bezeichnung für ein buntes Volksfest mit Fahrgeschäften und Imbissständen. In Frankfurt sagt man Dippemess – und das schon seit dem Spätmittelalter. Zwar gibt es hier keine Töpfe mehr zu kaufen, dafür blinkt es überall, Partymusik dröhnt aus großen Boxen, der Duft von gebrannten Mandeln liegt in der Luft – doch das kostet.

Frankfurts ältestes Volksfest am Ratsweg zieht zweimal im Jahr Hunderte von Schaustellerinnen und Schaustellern in die Stadt am Main. So auch Diana. Bei der Eröffnung der Herbst-Dippemess ist am Freitagnachmittag noch nicht viel los. Trotzdem ist ihr Imbissstand schon hell erleuchtet, in einer großen Pfanne kochen bereits die Champignons mit Soße. Zum wievielten Mal sie bereits auf der Dippemess ist, kann Diana gar nicht mehr zählen: "Bestimmt mehr als 30-mal", lacht sie.

Doch auf die Frage hin, wie sie auf den Winter in Zeiten der Inflation blicke, vergeht ihr das Lachen: "Einem wird schon angst und bange". Die letzte Dippemess im Frühling sei für ihr Geschäft sehr stark gewesen – trotz Krieg in der Ukraine und Corona-Maßnahmen. "Die Leute hatten nach den verschiedenen Lockdowns einfach einen wahnsinnigen Nachholbedarf", so Diana.

Doch mit den explodierenden Lebensmittel- und Energiepreisen befürchtet sie, dass sich viele den Besuch auf dem Rummel nicht mehr leisten können. Und schon jetzt kann sie die steigenden Lebensmittelpreise nicht mehr auf die Kundschaft umlegen: "Wir haben die Preise bereits um 1 Euro erhöht, aber teurer kann ich nicht werden. Die Leute können sich das sonst nicht mehr leisten". Die Schmerzgrenze für ihre Kundschaft sei bereits erreicht – und ohne Kundschaft geht es nicht. Aussagen, wie die von Wirtschaftsminister Robert Habeck (Die Grünen) zur möglichen Insolvenz machen Diana wütend: "Wenn man nicht mehr produzieren kann, muss Insolvenz angemeldet werden. Was bleibt den Leuten denn anderes übrig?"

"Wir haben einen Wirtschaftsminister, der nicht mal weiß, wie eine Insolvenz funktioniert"

Auf die Frage, ob er am Ende des Winters mit einer Insolvenzwelle rechne, antwortet der Wirtschaftsminister vergangene Woche in einer Talkshow "Nein, das tue ich nicht." Weiter führte er aus: "Ich kann mir vorstellen, dass bestimmte Branchen einfach erst mal aufhören zu produzieren. Nicht insolvent werden." Diese Aussage sorgt auch bei anderen Schaustellern auf der Dippemess für Unmut: "Wir haben einen Wirtschaftsminister, der nicht mal weiß, wie eine Insolvenz funktioniert", sagt eine weitere Schaustellerin an einem Imbissstand. Angst vor dem Winter habe sie allerdings nicht. "Wovor soll ich Angst haben, wir müssen es halt nehmen, wie es kommt."

Resignation macht sich breit. Doch wer kann es den Schaustellern verübeln: Bereits während der Corona-Krise hatte die Branche nahezu keine Möglichkeiten, ihrer Arbeit nachzugehen. Die Sorgen seiner Kolleginnen und Kollegen kennt Thomas Roie, Vorsitzender des Schaustellerverbandes Frankfurt Rhein-Main, nur zu gut: "Wir hängen bei den politischen Entscheidungen irgendwie immer hinten dran. Dabei ist unsere Branche gerade in solchen Zeiten wichtig: Wir wollen den Menschen den Alltag verschönern, ihnen etwas Abstand zu ihren Sorgen bieten." Ihm zufolge müssten die Preise um 35 Prozent erhöht werden – theoretisch. "Dann würde die Bratwurst auf einmal 6 Euro kosten, eine Fahrt mit dem Kettenkarussell 6,50 Euro. Aber niemand fährt für 6,50 Euro Kettenkarussell", so Roie.

Deswegen könne aktuell niemand auf dem Rummel die Preise so erhöhen, dass es gewinnbringend ist. Stattdessen müsse die Branche auf hohe Publikumszahlen setzen. "Wenn mehr Leute kommen, können wir auch mehr verkaufen", so Roie. Auch die um 20 bis 30 Prozent gestiegenen Propangas-Preise seien ein großes Problem – vor allem Imbissstände sind auf das Gas aus der Flasche angewiesen. Roie ist seit 2013 Vorsitzender des Verbandes. Geboren während des Frankfurter Wäldchestages, ist ihm die Schaustellerei in die Wiege gelegt. Bereits in fünfter Generation geht er dem Geschäft nach.

Schausteller investieren in Energiekonzepte

Die Branche ist erfinderisch: "Sie haben hier Elektroniker, Installateure, Fliesenverleger – die meisten wissen sich selbst zu helfen", so Roie. Deswegen hätten viele Betriebe beispielsweise bereits auf LED-Licht umgestellt. "Viele haben bereits investiert und planen vorausschauend – so gut wie es eben geht". Die Anmeldephase für die Volksfeste 2023 laufe bereits.

Wie ein mögliches Energiesparkonzept für diese Feste aussehen wird, steht noch nicht fest. Laut einer Sprecherin der Tourismus+Congress GmbH Frankfurt am Main arbeite man aktuell an einem Konzept für den Frankfurter Weihnachtsmarkt.

Verwendete Quellen
  • Gespräche vor Ort
  • Eigene Recherche
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