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Mehrwertsteuer im Restaurant: Gastro-Flüsterer Üres sieht große Gefahr


Gastro-Experte fürchtet Pleitewelle
Preisschock im Restaurant: "Müssen die Mehrkosten weitergeben"

  • Anna Hoffmann
InterviewVon Anna Hoffmann

Aktualisiert am 21.11.2023Lesedauer: 3 Min.
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Kemal Üres, Initiator von "Vereint für die Gastro", befürchtet den Verlust der Gastro-Vielfalt.Vergrößern des Bildes
Gastronom Kemal Üres hat die Aktion "7 muss bleiben" gestartet: Gemeinsam mit 2.500 Menschen demonstriert er am 6. November vor dem Brandenburger Tor in Berlin. (Quelle: Vereint für die Gastro e.V. )

Gastro-Experte und TikTok-Star Kemal Üres sieht dunkle Wolken aufziehen. Vor allem kleine Betriebe stehen vor dem Aus, sagt er.

Mit einem verringerten Mehrwertsteuersatz von 7 Prozent hat die Bundesregierung Gastronomiebetriebe in der Pandemie unterstützt. Anfang nächsten Jahres soll diese wieder auf 19 Prozent steigen. Der Branchenverband Dehoga warnt vor einer Pleitewelle in der Gastronomie und einem Preisschock für die Gäste.

Widerstand kommt auch von den Gastronomen selbst: Der Hamburger Restaurantinhaber und TikTok-Creator Kemal Üres (46) hat eine bundesweite Kampagne für den Erhalt des Mehrwertsteuersatzes von 7 Prozent ins Leben gerufen. Mit auffälligen Postern in den Schaufenstern machen inzwischen viele Betriebe auf ihre missliche Lage aufmerksam.

t-online: Herr Üres, für Essen im Restaurant werden ab nächstem Jahr statt derzeit 7 wieder 19 Prozent Mehrwertsteuer fällig. Was befürchten Sie?

Kemal Üres: In den Corona-Jahren haben schon 36.000 Betriebe dichtgemacht. Bei einer Steuererhöhung würden laut Schätzungen der Dehoga noch einmal 12.000 hinzukommen. Das will ich nicht.

Ihnen gehört ein bekanntes Tapas-Restaurant in Hamburg-Eimsbüttel. Wie läuft Ihr Laden?

Wir sind auf TripAdvisor einer der Top-3-Läden in Hamburg. Und trotzdem haben wir dieses Jahr bisher ein 80.000-Euro-Minus eingefahren. Und jetzt muss man sich mal vorstellen, wie sehr das kleine Läden trifft. Drei Jahre Corona, dann die Inflation. Es ist keine Luft da. Wir haben keine Reserven.

Gastro-Experte Kemal Üres
Gastro-Experte Kemal Üres (Quelle: Vereint für die Gastro e.V.)

Zur Person

Kemal Üres (46) betreibt seit über 20 Jahren das Restaurant "La Paz" in Hamburg-Eimsbüttel. Als "Gastroflüsterer" gibt er seinen Kollegen bei Instagram und TikTok wertvolle Gastro-Tipps. Dort folgen ihm insgesamt 700.000 Menschen.

Was bedeutet das für die Gäste?

Wir werden die Mehrkosten von mindestens 12 Prozent weitergeben müssen. Es gibt keine andere Option. Wenn eine vierköpfige Familie bei uns essen geht, kommt sie auf 120 bis 150 Euro. Mit der Erhöhung um 12 Prozent landet sie bei knapp 170 Euro.

Haben Sie konkrete Beispiele?

Ein Rumpsteak, das bei uns aktuell bei 18,90 Euro liegt, kostet dann um die 21 Euro. Für das Lachsfilet müssen wir künftig 13 statt 11,50 Euro verlangen.

Unter dem Motto "Rettet die Vielfalt" haben Sie eine Kampagne gegen die geplante Erhöhung gestartet.

Die Systemgastronomie wird die Erhöhung schaukeln können. Die Individualgastronomie aber nicht. Gerade die kleinen Läden bringen Leben in die Straßen und in die Städte. Sie sind das Wohnzimmer der Gesellschaft. Wenn die jetzt kaputtgehen, werden auch der kleine Buchladen oder das Modegeschäft in der Nachbarschaft in Mitleidenschaft gezogen. Die Vielfalt ist in Gefahr.

Es gibt auch Stimmen, die eine dauerhafte Subvention kritisch sehen. Die Preise für Strom und Gas sind wieder rückläufig, zudem hat die Branche bereits erhebliche Preissteigerungen durchgesetzt.

Wir sind immer noch inflationsbereinigt 10 bis 12 Prozent unter dem Vor-Corona-Niveau. Der Gast, der früher sechsmal im Monat hier war, kommt nur noch drei oder viermal. Die Hilfen haben nur dafür gesorgt, dass wir die Löcher einigermaßen stopfen konnten. Hinzu kommt, dass Küchenaushilfen und Kellner wegen des Arbeitskräftemangels und des Mindestlohns deutlich mehr verdienen.

Fachkräftemangel beklagen auch andere Branchen im Dienstleistungssektor. Der Zentralverband der Friseure fordert die sieben Prozent Mehrwertsteuer auch für seine Branche. Ist das nicht ungerecht?

Gastronomie ist ein knallharter Job. Das weiß jeder. Immer weniger Menschen wollen in der Branche arbeiten. Ein Frisör kann seinen Laden zur Not auch alleine schmeißen, ein Restaurant funktioniert so nicht. Außerdem: Hat eigentlich mal jemand ausgerechnet, wie viele Einnahmen dem Staat flöten gehen, wenn Tausende Gastronomen ihren Betrieb schließen?

Am 6. November demonstrieren Sie gemeinsam mit 2.500 Branchenvertretern vor dem Brandenburger Tor in Berlin. Was erhoffen Sie sich?

Wenn wir es schaffen, mit 2.500 Menschen aufzutreten, können wir die Politiker vielleicht überzeugen. Das wäre auch ein gesellschaftliches Zeichen. Die Wirtschaft sieht in Deutschland nicht wirklich rosig aus. Es gibt immer mehr Menschen, die auswandern. Wenn der Restaurantbesuch jetzt noch viel teurer wird, macht das was mit den Menschen.

Vielen Dank für das Gespräch, Herr Üres.

Verwendete Quellen
  • Gespräch mit Kemal Üres
  • 7mussbleiben.de: "Lasst uns gemeinsam die Vielfalt retten"
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