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MSC-Angebot Hamburger Hafen: Wut auf die SPD ist groß


Wut im Hamburger Hafen
"Kein Hafenarbeiter der Zukunft wählt die SPD"


15.11.2023Lesedauer: 4 Min.
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Hamburgs Erster Bürgermeister Peter Tschentscher steht vor einem Containerschiff (Archivbild): Die Pläne der rot-grünen Koalition sorgen für Frust unter den Hafenarbeitern.Vergrößern des Bildes
Hamburgs Erster Bürgermeister Peter Tschentscher steht vor einem Containerschiff (Archivbild): Die Pläne der rot-grünen Koalition sorgen für Frust unter den Hafenarbeitern. (Quelle: Chris Emil Janssen/imago-images-bilder)

Die Fronten zwischen Politik und Hafenarbeitern sind angesichts des geplanten Einstiegs einer Reederei verhärtet. Ein Ortsbesuch bei einem Abend voller Wut.

Schon bevor die erste Frage beantwortet ist, eskaliert die Stimmung: "Was ist das für eine verlogene Scheiße, das glauben Sie doch selbst nicht", brüllt ein Hafenarbeiter aus den hinteren Reihen in Richtung des Podiums. Auf der Empore im Gewerkschaftshaus Hamburg sitzen hafenpolitische Experten der Bürgerschaftsfraktionen. Während es für Norbert Hackbusch von den Linken ein von Applaus begleitetes Heimspiel ist, bekommt besonders der SPD-Mann Markus Schreiber den Zorn der fast 100 Hafenarbeiter und Gewerkschafter zu spüren.

Verdi hatte zur Podiumsdiskussion "Ausverkauf besiegelt?" geladen. Dabei sollte es um den geplanten Teilverkauf des Hafenlogistikers HHLA an die weltgrößte Containerreederei MSC gehen. Doch eine fruchtbare Diskussion kam am Dienstagabend nicht zustande: Nach den Eingangsstatements der Vertreter von SPD, Grünen, CDU und Linkspartei begann die Fragerunde, die vielfach in Druckablass und schonungsloser Kritik an den Plänen des Hamburger Senats endete – teils sachlich, teils emotional und polemisch.

Nicht nur die Arbeiter der HHLA sind bedroht

Die rot-grüne Koalition unter Bürgermeister Peter Tschentscher möchte, dass MSC 49,9 Prozent der Anteile an der HHLA erhält. Nur mit einem solchen Schritt, so die Argumentation der Befürworter, könne der Hamburger Hafen auch in Zukunft im globalen Wettbewerb bestehen und Zehntausende Arbeitsplätze sichern. In MSC sieht der Senat außerdem den finanzstarken Partner, den es für dringend notwendige Investitionen in die Infrastruktur brauche. Aktuell hält die Stadt Hamburg 69 Prozent der HHLA-Anteile, der Rest befindet sich in Streubesitz und wird von MSC bereits Stück für Stück aufgekauft.

Im Publikum lösten diese Pläne Ängste, Frust und Wut aus. Den Erwartungen und Versprechungen von MSC, HHLA und Rot-Grün traute augenscheinlich niemand über den Weg. Schon vor zwei Wochen hatte der Konzernbetriebsrat kein gutes Haar am Teilverkauf gelassen. Lesen Sie hier, was am Angebot von MSC kritisiert wird. Bei der Gewerkschaftsveranstaltung ging es aber nicht nur um die Zukunft der HHLA, sondern auch um die vielen Arbeiter, die in anderen Gesellschaften angestellt sind. Auch ihr Schicksal hängt vom dominierenden Konzern im Hafen ab.

Rot-Grüne Vertreter werden niedergebrüllt

Die Frage, wie es um die Zukunft dieser Arbeiter steht, blieb weitestgehend unbeantwortet. Der SPD-Abgeordnete Schreiber und der Hafenreferent der Grünen-Fraktion, Johannes Scharr, mühten sich zwar, zu beruhigen. Doch außer dem MSC-Versprechen, mehr Arbeit und mehr Arbeitsplätze schaffen zu wollen, konnten sie der aufgeregten Menge nichts entgegensetzen. Auch MSC habe mit dem Fachkräftemangel zu kämpfen und brauche jeden Mitarbeiter. Überzeugend wirkte das angesichts der Reaktionen aber nicht.

Die Hafenarbeiter fürchten, dass diese Dienstleistungsgesellschaften früher oder später in direkte Konkurrenz mit Tochterunternehmen von MSC geraten und den Preiskampf dann verlieren könnten. Auch das Eurogate-Terminal werde Containermengen zugunsten der HHLA-Terminals verlieren. "Diese Konkurrenz bedroht Tausende Familien, und das alles nur wegen eurer Kohle", rief ein Hafenarbeiter den Stadtpolitikern entgegen.

Immer wieder prallten unterschiedliche Welten aufeinander, insbesondere wenn Schreiber und Scharr versuchten, ihre wirtschaftspolitische Perspektive zu erklären. Sogar der Vertreter der CDU, Wirtschaftsreferent Johannes Brak, kam im Gewerkschaftshaus gut weg – nur weil er gegen den MSC-Deal ist, nicht aber prinzipiell gegen Privatisierung, wie Hackbusch von der Linken. "Kein Hafenarbeiter der Zukunft wählt die SPD", war einer der Vorwürfe, den sich der SPD-Abgeordnete auf dem Podium anhören musste.

Bruch zwischen SPD und Arbeitern "belastet mich schon"

"Die schlechte Beziehung zu den Arbeitern und Gewerkschaftlern belastet mich als Sozialdemokraten schon", räumte Schreiber im Gespräch mit t-online ein. Er stellte aber klar: "MSC hat das einzige Angebot gemacht, bei dem die Stadt die Mehrheit an der HHLA hält." Dass es diesen Schritt brauche, sei unumgänglich. "Es braucht das Geld, es braucht die Entwicklung. Leider sehen die Arbeiter nicht, dass sie an dem Ast sägen, auf dem sie sitzen." Die Vorurteile, MSC sei ein unseriöser Partner, könne er nicht nachvollziehen.

Viele Detailfragen blieben auch offen, weil die genauen Vertragstexte noch gar nicht bekannt sind. Darauf verwiesen auch immer wieder die Politiker auf dem Podium. Aus der Menge wurde dann aber entgegnet: "Uns wird erzählt, alle Jobs und die Mitbestimmung sind sicher. Aber dann erfahren wir hier heute, dass ihr die Verträge noch gar nicht kennt." Tosender Applaus vom Rest. Die Hafenarbeiter waren nicht nur zahlenmäßig überlegen: Mit ihrem Wissen über die operativen Prozesse konfrontierten sie die Politiker nicht selten mit unbeantwortbaren Fragen.

Ganz zum Schluss wurde es noch einmal symptomatisch für den ganzen Abend. Ein Gewerkschafter, der sich zuvor rege an der Diskussion beteiligt hatte, stellte eine der wenigen lösungsorientierten Fragen des Abends: "Was braucht die Politik, um doch noch dagegen zu stimmen?" Die Linken seien wie die CDU dagegen, wenn auch aus anderen Gründen. Der Grüne sehe keinen sachlichen Grund, dagegen zu sein, hielt sich die Hintertür für neue Erkenntnisse aber noch offen.

"Da muss die Hölle zufrieren"

Der vielfach gescholtene Sozialdemokrat Schreiber sagte: "Da muss die Hölle zufrieren." Das Publikum reagierte nach zweistündiger Diskussion eher mit Resignation als mit erneuter Eskalation. Zu t-online sagte Schreiber dann noch: "Zu 99 Prozent werden wir dem Vorschlag des Senats folgen. Ich erwarte keine drastischen Erkenntnisse mehr. Ich bin nicht gekommen, um hier jemanden anzulügen oder falsche Hoffnungen zu machen."

Bevor die Angelegenheit in der Hamburgischen Bürgerschaft entschieden wird, werden noch Monate vergehen. Mit dem Antrag des Senats sei frühstens im Dezember zu rechnen, heißt es. Dann geht der geplante Teilverkauf noch in den Haushaltsausschuss, vielleicht auch in den Wirtschaftsausschuss. Für die Hafenarbeiter war nach der Veranstaltung klar: Alle müssen jetzt auf die Straße, die gesamte Stadtgesellschaft müsse mobilisiert werden. Ein ehemaliger Betriebsratsvorsitzender hatte die Marschroute zuvor schon ausgegeben: "Wir haben jetzt noch drei Monate, um die Widerstandsfront aufzustellen."

Verwendete Quellen
  • Reporter vor Ort
  • statista.de: Marktanteile der Top 10 Container-Reedereien weltweit
  • ndr.de: "Hamburgs Hafen – Wahrzeichen und Jobmotor"
  • hhla.de: Aktionärsstruktur
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