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Hamburg: Polizist im Zeugenstand gerät bei Raser-Prozess in Bedrängnis


Tödlicher Unfall in Hamburg
Polizist gerät bei Raser-Prozess in Bedrängnis

  • Gregory Dauber
Von Gregory Dauber

Aktualisiert am 11.05.2022Lesedauer: 4 Min.
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Die Beifahrerseite des verunfallten Audis wurde durch die Kollision komplett zerstört (Archivbild): Der ältere Bruder des Fahrers kam dabei ums Leben.Vergrößern des Bildes
Die Beifahrerseite des verunfallten Audis wurde durch die Kollision komplett zerstört (Archivbild): Der ältere Bruder des Fahrers kam dabei ums Leben. (Quelle: Blaulicht-News)

Am zweiten Verhandlungstag im Prozess um den tödlichen Unfall auf der Köhlbrandbrücke haben Angeklagte und Zeugen erneut geschwiegen. Ein Polizist überraschte dagegen mit einer emotionalen Aussage und geriet in Bedrängnis.

Der zweite Verhandlungstag im Prozess um den tödlichen Verkehrsunfall im März 2019 auf der Köhlbrandbrücke in Hamburg ist ohne neue entscheidende Erkenntnisse zu Ende gegangen. Die Angeklagten sowie zwei Mitfahrer schwiegen. Zugleich kamen aber weitere, erschreckende Details des Unglücks ans Licht.

Zwei junge Männer müssen sich vor dem Amtsgericht Harburg dem Vorwurf eines illegalen Autorennens mit Todesfolge stellen. Der Fahrer des verunfallten Audi A7 hatte an dem Abend seinen älteren Bruder verloren, der auf dem Beifahrersitz gesessen hatte. Der Verkehrsunfall endete in einer Familientragödie.

Die Tragik der Situation hat auch bei einem Polizeibeamten tiefe Spuren hinterlassen, der an dem Abend im Einsatz war. Der 53-jährige Polizist O. schilderte die "emotional extrem aufgeladene" und hektische Situation, als er gegen kurz vor 23 Uhr den Unfallort auf der Köhlbrandbrücke erreicht hatte. "Das war eine sehr spezielle Situation", sagte O. vor Gericht. "So einen Unfall möchte ich nicht noch mal aufnehmen."

Hamburg: Gericht will klären, wie es zum tödlichen Unfall auf der Köhlbrandbrücke kam

Laut bisheriger Zeugenaussagen hatte der Audi A7 beim Überholen in einer Linkskurve einen Lkw auf der rechten Spur touchiert, war dann an die Mittelleitplanke geprallt und ins Schleudern geraten. Daraufhin kollidierte der Audi auf der Beifahrerseite mit einem Aufleger eines zweiten, vorausfahrenden Lkw. "Am Aufleger hat noch ein Blechteil des Audis geklemmt, als wir ankamen", berichtete der Polizist.

"Vor Ort lief einiges nicht geordnet ab", sagte der Polizist aus. Es habe Unklarheiten bei der Führung der Einsatzkräfte gegeben, die Feststellung der Personalien sei schwierig gewesen und viele Personen hätten sich im Bereich der Unfallstelle bewegt. "Es war kein einfaches Arbeiten", sagte der Beamte, der seit 20 Jahren im Verkehrsunfalldienst tätig ist.

Polizist gerät bei Aussage vor Gericht in Bedrängnis

Neben Zeugen, Einsatzkräften und Pressevertretern waren auch die Eltern der verunfallten Insassen des Audis an der Unfallstelle erschienen. Sie wurden später von einem Kriseninterventionsteam nach Hause begleitet. Schon vor Ort hätten mehrere Autofahrer berichtet, dass sich der Audi zuvor mit einem BMW ein Rennen geliefert hatte. Auch mehrere Zeugen vor Gericht hatten bereits von überhöhter Geschwindigkeit, riskantem Überholen und häufigem Spurwechsel der beiden hochmotorisierten Fahrzeuge berichtet.

Die Hektik vor Ort spiegelte sich auch in der Aussage des Polizeibeamten mehr als drei Jahre nach dem Unfall wider. Er sei nach der Ankunft von einem Kollegen über den aktuellen Stand informiert worden und für die Anfertigung des Unfallberichtes zuständig gewesen. "Bitte trennen Sie tatsächliche Beobachtungen und Erinnerungen von ihren Schlussfolgerungen und späteren Erkenntnissen", ermahnte ihn die Verteidigerin des Angeklagten C., der den Audi gesteuert hatte.

Zuvor hatte bereits der Verteidiger des Angeklagten S. eine Beeinflussung der Zeugen durch Presseberichte kritisiert. Rechtsanwalt Andreas Beurskens sprach von "Vorverurteilungen und lückenhafter Berichterstattung", weil Pressevertreter nicht an allen Verhandlungstagen teilnähmen. Auch Polizeiprotokolle von Zeugenaussagen seien "schlecht", weil gestellte Fragen oftmals nicht dokumentiert seien. Auf eine Anfrage von t-online reagierte der Rechtsanwalt später nicht.

Richter: "Nun lassen Sie den Zeugen doch mal ausreden"

Während der fast zweistündigen Vernehmung des Polizisten kam es mehrfach zu regelrechten Schlagabtäuschen zwischen den Strafverteidigern und dem Zeugen. Beinahe jede Aussage und jede Formulierung des Polizisten, der zeitweise sehr erregt wirkte und um Worte rang, wurde auf den Prüfstand gestellt. "Nun lassen Sie den Zeugen doch mal ausreden", bemerkte irgendwann sogar der Vorsitzende Richter Felix Lautenschlager.

Der Zeuge im Verteidigungsmodus sagte zu seinen Aufzeichnungen des Abends: "Wenn ich es so geschrieben habe, wird es so gewesen sein." Gleichzeitig räumte er aber auch ein: "Ich kann nach drei Jahren beim besten Willen nicht mehr sagen, wer, wann, was gesagt hat." Er habe keinen Grund gehabt, die Informationen seiner Kollegen vor Ort anzuzweifeln. Zum Vorwurf der Verteidiger, der Polizeibericht sei sehr faktisch formuliert, stellte der Richter fest: "Mir ist klar, dass das der erste heiße Eindruck ist."

Ärztliche Gutachten verdeutlichen die Wucht der Kollision

Neue Details aus ärztlichen Gutachten zum Tod des damals 24-jährigen Beifahrers machten am zweiten Prozesstag erneut deutlich, wie heftig die Kollision des Audis mit dem Lkw gewesen sein musste. Der junge Mann habe durch stumpfe Gewalteinwirkung ein Schädel-Hirn-Trauma schwersten Grades erlitten, welches unmittelbar zum Tod geführt habe, so das Ergebnis der Obduktion, aus dem der Vorsitzende Richter Felix Lautenschlager verlas.

In dem BMW, der nicht verunfallt war, saßen an diesem Abend neben dem angeklagten Fahrer zwei Männer: Sie verweigerten vor Gericht die Aussage. Die männlichen Zeugen, beide 24 Jahre alt und miteinander verwandt, wollten nichts sagen, um der Gefahr zu entgehen, sich selbst zu belasten. Der eine gab lediglich an, ein "sehr guter Freund" des Angeklagten S. zu sein.

Fahrtüchtigkeit der Angeklagten war nicht beeinträchtigt

Warum schweigen die beiden Zeugen, die selbst nicht am Steuer von einem der Fahrzeuge saßen? Eine mögliche Erklärung wäre, dass sie befürchten, sich der Beihilfe schuldig gemacht zu haben. Dies könnte der Fall sein, wenn diese den Fahrer des BMWs in seiner Fahrweise unterstützt oder gar angestachelt hätten, erklärte ein Gerichtssprecher auf Nachfrage von t-online.de.

Noch am Abend des Unfalls war die Fahrtüchtigkeit der beiden Angeklagten eindeutig festgestellt worden. Bei den üblichen Tests, etwa zur Reaktionsfähigkeit der Pupillen, seien keine Hinweise auf Alkohol- oder Drogenkonsum festgestellt worden, verlas der Vorsitzende Richter Felix Lautenschlager. Die Verhandlung wird am Montag, 16. Mai, fortgesetzt.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherchen
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