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Hamburg: Gastronomen und Anwohner auf St. Pauli im Streit


Keine "Party-Abmelkmeile"
"Stimmung kippt": Gastronomen und Anwohner auf St. Pauli im Streit

  • Gregory Dauber
Von Gregory Dauber

26.05.2022Lesedauer: 3 Min.
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Lokalpolitikerin Sabrina Hirche auf St. Pauli: Sie fordert mehr Rücksichtnahme.Vergrößern des Bildes
Lokalpolitikerin Sabrina Hirche auf St. Pauli: Sie fordert mehr Rücksichtnahme.

Im Kultviertel St. Pauli brodelt es zwischen Anwohnern und Gastronomen. Die einen wollen Corona-Einbußen mit größeren Außenflächen aufholen, die anderen sind mit ihrer Nachsicht am Ende. Eine Lösung scheint nicht in Sicht.

"Die Stimmung kippt", sagt Sabrina Hirche, die für die SPD in der Bezirksversammlung Hamburg-Mitte sitzt und selbst auf St. Pauli wohnt. Wegen der Corona-Einschränkungen in Innenräumen durften Gastronomen in ganz Hamburg während der vergangenen zwei Jahre Parkplätze vor ihren Lokalen für ihre Außengastronomie nutzen – und wollen das nun weiterhin tun. Anwohnern wird das zu viel, ein Kompromissbeschluss der Bezirksversammlung lässt beide Seiten unglücklich zurück.

Auf Initiative der Fraktionen SPD, CDU und FDP gilt seit diesem Frühling eine Zwischenlösung: Mit "Außengastronomie mit Augenmaß", war der Antrag überschrieben. Parkflächen und Lieferzonen können demnach als Sondernutzungsflächen in der Zeit von Freitag 17 Uhr bis Sonntagabend genutzt werden.

St. Pauli: Gastronomen und Anwohner streiten um Außenflächen

Der Haken: Das genutzte Mobiliar im öffentlichen Raum muss nach Ladenschluss beiseitegeschafft, am Sonntagabend gar ganz weggeräumt werden. "Gastronomen sollten nicht automatisch den Erstzugriff bekommen, wenn es um die Neugestaltung des öffentlichen Raumes geht", findet Hirche.

"Diese Regelung ist komplett realitätsfremd", sagt Kerstin Rose, die das Café "Kandie Shop" in der Wohlwillstraße betreibt und mit rund 20 weiteren Gastronomen für die Nutzung der Parkflächen kämpft. Im Internet haben sie bereits fast 6.000 Unterschriften für ihren Appell gesammelt.

"Regelung ist praktisch nicht umsetzbar"

Teil der Gastronomen-Initiative ist auch Jan-Ole Bauer, der das Restaurant "Krug" in der Paul-Roosen-Straße führt. Er sagt: "Dass wir vorab nicht mit ins Boot geholt werden und diese Regelung als Geschenk präsentiert bekommen, ist eine Frechheit. Das ist praktisch nicht umsetzbar, wo sollen wir dieses ganze Mobiliar denn lagern?"

Auch die Anwohner halten nichts von dieser neuen Regelung – allerdings aus ganz anderen Gründen. Ein Sprecher der Initiative "Pauli wohnt" sagt im Gespräch mit t-online: "Es gibt längst Sondergenehmigungen für etliche Sommerterrassen. Wo das nicht möglich ist, war auch schon vor Corona bekannt." Zwei Jahre sei man solidarisch gewesen, habe viel ausgehalten, um die Wirte in der Krise zu unterstützen. "Wer Hilfe braucht, soll Hilfe bekommen. Das kann aber nicht endlos auf dem Rücken der Nachbarschaft ausgetragen werden."

Anwohner protestieren mit gelben Plakaten in Fenstern

Als Zeichen des Protests hängen dieser Tage rund um die Paul-Roosen-Straße viele gelbe Zettel mit der Aufschrift "Pauli wohnt" in den Fenstern. "Wir wissen, wo wir wohnen, und wollen auch draußen sitzen. Aber sicher nicht auf der nächsten Party-Abmelkmeile." Diese Entwicklung bringe die Stimmung im Quartier zum Kippen, stellt auch der Anwohner der Initiative fest, der nicht als Einzelperson öffentlich in Erscheinung treten möchte.

Lokalpolitikerin Hirche verteidigt den gefundenen Kompromiss: "Feste Aufbauten auf den Parkplätzen oder Gehwegen werden auch nach Ladenschluss genutzt, das kann nicht unterbunden werden. Deswegen ist die Regelung so getroffen worden."

"Rücksichtslosigkeit hat Mentalität kaputt gemacht"

Aus ihrer Sicht ist das Problem größer und sei nicht erst durch Corona gekommen. "Die zunehmende Rücksichtslosigkeit hat die typische St.-Pauli-Mentalität kaputt gemacht." Es werde nicht mehr miteinander gesprochen und feierwütige Gruppen, die zwischen Kiez und Schanze pendeln, scheren sich nicht um die Anwohnenden dazwischen.

Rose, Bauer und die anderen verbündeten Gastronomen sehen im Viertel dagegen viel Rückhalt für ihre Forderungen. "Nach außen wird St. Pauli als Ausgeh- und Spaßviertel verkauft, aber wir werden hier drangsaliert", kritisieren sie. Zwei Jahre habe man jede noch so kurzfristige Regeländerung zum Schutz aller umgesetzt und getragen. Weil nun ein kleiner Bruchteil der Gastronomen sich nicht um Lautstärke und Anwohner sorge, müssten alle darunter leiden. "Uns geht es so an die Existenz."

Die Gastronomen von St. Pauli sehen sich außerdem massiv benachteiligt: "In Ottensen oder auf der Schanze gelten andere Regeln", hebt Jan-Ole Bauer hervor. "Das ist Willkür", kritisiert Kerstin Rose. "Da muss sich der Senat endlich einschalten. Gleiches Recht für alle", fordert sie.

Was sich alle im Gespräch mit t-online wünschen: gemeinsame Lösungen. Der Weg dorthin scheint verbaut. "Es gibt hier nur noch zwei Extreme, die beide sagen: Die Politik hat nichts für uns gemacht. So werden wir keine gute Lösung finden können", sagt Politikerin Hirche. "Wir brauchen eine ehrliche Kommunikation. Insbesondere mit denen, die sonst keine Stimme haben."

Verwendete Quellen
  • Gespräche mit Sabrina Hirche, Kerstin Rose, Jan-Ole Bauer und einem Vertreter der Initiative "Pauli wohnt"
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