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Berti Vogts: "Man sollte die Nations League wieder abschaffen"


"Man sollte die Nations League wieder abschaffen"

Eine Kolumne von Berti Vogts

15.11.2018Lesedauer: 4 Min.
Meinung
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Berti Vogts: Der frühere Bundestrainer fordert mehr Vertrauen in Jogi Löw.Vergrößern des Bildes
Berti Vogts: Der frühere Bundestrainer fordert mehr Vertrauen in Jogi Löw. (Quelle: Sven Simon/imago-images-bilder)

Jetzt heißt es, Deutschland drohe der "Abstieg" aus der höchsten Spielklasse der Nations League. Warum diese Wortwahl brutal ist – und der FC Bayern in der Bundesliga zurückschlagen wird.

Es geht wieder aufwärts mit der Bundesliga. Die Partie zwischen dem BVB und dem FC Bayern (3:2) war das beste Spiel der vergangenen Jahre auf nationaler Ebene. Für mich gibt es drei große Erkenntnisse aus dieser Partie.

  • Erstens: Es war ein großer Triumph für Dortmunds neuen Trainer Lucien Favre. Er hat die Schwachstellen des FC Bayern genau erkannt. Sie können allerhöchstes Tempo aktuell nicht über 90 Minuten durchhalten und verlieren infolgedessen im Zentrum zu viele Eins-gegen-eins-Duelle. Favre hat das Geschehen korrekt analysiert und den Spielverlauf mit seinen Auswechslungen maßgeblich beeinflusst.
  • Zweitens: In meiner Kolumne vor fünf Wochen habe ich geschrieben, dass ich an ein Borussen-Jahr glaube und der BVB sowie Gladbach die ersten Verfolger des FC Bayern sein werden. Vielleicht war ich in Bezug auf die Dortmunder sogar zu pessimistisch. Wer einen zweimaligen Rückstand gegen den FC Bayern dreht, ist viel reifer als bislang alle angenommen haben. Deshalb korrigiere ich mich: Der BVB ist nicht nur ein Verfolger, sondern ein Konkurrent um den Titel auf Augenhöhe.
  • Drittens: Ich traue dem FC Bayern trotzdem zu, im weiteren Saisonverlauf zurückzuschlagen und den Titel zu holen. Das Problem ist meiner Meinung nach nicht etwa Trainer Niko Kovac, wie es jetzt schon wieder diskutiert wird. Nein, die Spieler sind einfach zu satt. Sie haben jahrelang auf nationaler Ebene die Wettbewerbe nach Belieben dominiert, mehrere von ihnen sind Weltmeister geworden und haben die Champions League gewonnen. Es ist in den vergangenen Jahren zu viel Ruhe und Selbstzufriedenheit auf allen Ebenen des FC Bayern eingekehrt. Aber: Mit jeder schmerzhaften Niederlage, wie jetzt gegen den BVB, wird das Feuer wieder entfacht.

An diesem Donnerstag gegen Russland und dann am Montag gegen die Niederlande stehen nun auch für die Leistungsträger der Bayern die nächsten beiden Länderspiele an. Jogi Löw steckt mit der Mannschaft mitten in einem kleinen Umbruch und hat mit dem Verzicht auf Jérôme Boateng die nächste Veränderung vorgenommen. Für beide Seiten ist das der richtige Schritt. In seiner aktuellen Form kann Boateng dem DFB-Team nicht helfen. In ihm schlummert immer noch Weltklasse. Bloß war er in den vergangenen Jahren so häufig verletzt, dass ihm Spielrhythmus und die absolute Fitness fehlen. Wenn er sich beides zurückerarbeitet, wird er nächstes Jahr sicher wieder nominiert werden.

Kritik an Löws Kader? "Ein riesiges Missverständnis"

Apropos Nominierung: Leipzigs Trainer Ralf Rangnick hat beklagt, dass nicht mehr seiner Spieler dabei sind. Ähnlich könnte man auch in Gladbach denken. Beide Teams haben einen Höhenflug in der Bundesliga, stellen mit Timo Werner bzw. Matthias Ginter aber nur einen Profi im Nationalteam.

Da liegt in meinen Augen ein riesiges Missverständnis vor: Eine Nominierung verdient man sich nicht bloß mit guten Leistungen über ein oder zwei Monate. Es geht um Konstanz auf hohem Niveau über die Dauer von einer oder mehreren Saisons. Sonst müsste Jogi Löw ja für jedes Länderspiel den Kader wieder auf zehn Positionen umstellen. Das geht nicht, so entsteht kein Team.

Kimmich ist der beste Rechtsverteidiger der Welt

Rangnicks Kritik ist genauso falsch wie der Aufschrei bei der Nominierung von Mark Uth. Ja, er hat kurzfristig vielleicht einen schwierigen Start auf Schalke gehabt. Aber er hat in den beiden Saisons zuvor 21 Tore geschossen und elf vorbereitet in der Bundesliga. Das hat Löw honoriert.

Wir sollten dem Bundestrainer grundsätzlich wieder mehr vertrauen. Taktisch hat das Spiel gegen Frankreich zuletzt gezeigt, dass er wieder flexibler werden will – und wir uns wieder mehr auf die Gegner einstellen. Das ist gut so.

Die zukünftigen Eckpfeiler der Nationalelf sind auch schon vorhanden, sie brauchen nur noch etwas Zeit. Joshua Kimmich ist da für mich als erstes zu nennen, auch wenn ich ihn anders als Löw nicht dauerhaft im Mittelfeld sehe. Er ist für mich der beste Rechtsverteidiger der Welt aktuell, deshalb sollte er auch dort zum Einsatz kommen.

Goretzka und Sané brauchen Geduld

Im Mittelfeld erlebt Leon Goretzka gerade eine schwierige Zeit, weil er sich im neuen Umfeld beim FC Bayern durchbeißen muss. Aber er wird das schaffen und gestärkt daraus hervorgehen. Dann ist er auch bereit, im Nationalteam Verantwortung zu übernehmen.

Und vorne können wir dankbar sein, dass wir so einen Spieler wie Leroy Sané haben. Ich habe mich erst vor Kurzen mit zwei befreundeten Journalisten aus England unterhalten, die weiterhin in unglaublicher Art und Weise von ihm schwärmen. Er ist eins der größten Offensivtalente der Welt. Ja, er hat viele Fehler im Nationalteam gemacht und wird auch noch weitere machen. Aber diese Geduld sollten wir aufbringen.

Mehr Testspiele mit sportpolitischem Hintergrund

Das ist natürlich schwer, wenn vor dem Spiel gegen die Niederlande alle vom "Abstieg" aus der höchsten Spielklasse der Nations League sprechen. Über diese Formulierung ärgere ich mich maßlos. Abstieg ist so ein brutales Wort, das wir aus der Bundesliga kennen. Es suggeriert, man hätte über Wochen und Monate schlechte Leistungen gebracht. Es steht für Versagen. Aber das ist doch Unsinn. In der Bundesliga entscheiden 34 Spiele, in der Nations League nur vier. Verletzungen, ein kurzfristiges Formtief, Glück – all diese Faktoren wirken sich in vier Spielen natürlich viel, viel stärker aus.

Mir erscheint die Nations League als willkürlich erdachter Wettbewerb. Man sollte sie sofort wieder abschaffen. Den Trainern wird durch weitere Wettkampfspiele die Zeit genommen, in Ruhe Veränderungen einzustudieren oder einen Umbruch durchzuführen, wie es Jogi Löw aktuell versucht. Vielleicht ist es sogar ein Vorteil, wenn wir beim nächsten Mal in Liga B gegen kleinere Nationen spielen und uns mit weniger Druck auf das nächste Großereignis vorbereiten können.


Ich würde an Stelle der Nations League lieber Testspiele sehen, vielleicht sogar mit einem sportpolitischen Hintergrund. Warum knüpfen wir nicht mal neue Kontakte nach Südamerika oder Afrika, anstatt so häufig nur den Vergleich mit anderen europäischen Top-Nationen zu suchen. Das hat dem DFB immer sehr gut zu Gesicht gestanden.

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