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BVB nach Favre-Aus — Effenberg: "Dortmund braucht zwei, drei Drecksäcke"


BVB sucht Weg aus der Krise
Der Plan von Borussia Dortmund ist fatal

MeinungEine Kolumne von Stefan Effenberg

Aktualisiert am 15.12.2020Lesedauer: 5 Min.
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Unzufrieden mit sechs Punkten Rückstand auf Tabellenführer Bayer Leverkusen: Dortmund-Sportchef Michael Zorc.Vergrößern des Bildes
Unzufrieden mit sechs Punkten Rückstand auf Tabellenführer Bayer Leverkusen: Dortmund-Sportchef Michael Zorc. (Quelle: Revierfoto/imago-images-bilder)

Dortmund hat einen hervorragenden Kader, muss aber nachjustieren. Favre trägt nicht die alleinige Schuld an der sportlichen Krise.

Passte Lucien Favre einfach nicht zu Borussia Dortmund? War er letztlich der falsche Trainer? Zu sehr Kopfmensch statt Motivator?

Was für ein Quatsch!

Favre ist nicht gescheitert

Wer 2,01 Punkte im Schnitt geholt hat und damit zu den besten Trainern der Vereinsgeschichte gehört, zweimal Vizemeister geworden ist und Spieler wie Jadon Sancho, Erling Haaland oder Giovanni Reyna so weiterentwickelt hat, der ist nicht gescheitert.

Favre sagte nach seiner Entlassung am Sonntag, er hätte mit dem BVB auch diesmal eine erfolgreiche Saison gespielt. Ich bin mir sicher, dass er das wirklich getan hätte.

Der BVB ist abhängig von einem 20-Jährigen

Der Rauswurf nach zweieinhalb Jahren ist am Ende dennoch nachvollziehbar, weil die Ergebnisse nicht stimmten und zu viele Spieler nicht an ihre Leistungsgrenze gekommen sind. Weil Dortmund Tabellenführer sein könnte – aber leider völlig unnötig Spiele gegen Augsburg (0:2), Köln (1:2) und nun Stuttgart (1:5) verloren hat.

Trotzdem: Favre trägt nicht allein die Schuld an der sportlichen Krise.

Zum einen sind da die Spieler, von denen im bisherigen Saisonverlauf viel zu wenig kam. Kapitän Marco Reus erzielte in 18 Pflichtspielen erst drei Tore – genauso wenig wie Jadon Sancho in 15 Spielen. Julian Brandt stagniert aktuell mal wieder in seiner Entwicklung. Das führt dann dazu, dass die Mannschaft von einem 20-Jährigen abhängig ist: Erling Haaland. Die vergangenen vier Spiele verpasste der Norweger aufgrund einer Muskelverletzung, prompt holte der BVB nur einen Sieg. Dabei ist es nicht nur seine Torgefahr, die fehlt, sondern vielmehr seine Präsenz, sein Ehrgeiz und sein Selbstbewusstsein.

Dortmund begeht einen Fehler

BVB-Sportchef Michael Zorc sagte, der Verein habe sich entschieden, neben Haaland den 16-jährigen Stürmer Youssoufa Moukoko "langfristig aufzubauen und nicht auszubremsen, indem wir ihm einen weiteren Spieler vor die Nase setzen." Ein 16-Jähriger als Backup für einen 20-Jährigen? Das ist fatal und geht gar nicht. Die Bosse begehen einen Fehler, wenn sie keinen erfahrenen Stürmer dazuholen. Und sie haben es auch schon im Sommer versäumt, auf dieser Position aktiv zu werden.

Natürlich können sie sagen, dass es der Philosophie entspricht, den jungen Moukoko aufzubauen. Aber dann müssen sie auch mit den Ergebnissen leben. Und das tun sie offenbar nicht. Die Ansprüche sind weiterhin sehr hoch.

Ich habe schon vor Monaten geschrieben, dass sie einen Stürmer wie Mario Mandžukić verpflichten sollten. Der wäre übrigens immer noch zu haben und ist seit einem halben Jahr vereinslos. Selbst wenn er nicht richtig fit sein sollte, würde er für 20 oder 30 Minuten weiterhelfen. Zwei weitere Kandidaten für einen Wintertransfer oder zumindest ein Leihgeschäft bis Saisonende: Divock Origi (25) vom FC Liverpool oder Mauro Icardi (27) von Paris St. Germain. Die kommen dort in dieser Saison bisher nicht zum Zug, saßen schon mehrfach nur auf der Tribüne, haben aber ihre Fähigkeiten längst unter Beweis gestellt und würden womöglich sofort helfen. Origi hat Liverpool 2019 im Finale gegen Tottenham zum Champions-League-Sieg geschossen. Icardi war zweimal Torschützenkönig in der italienischen Serie A.

Zorc muss nachjustieren

Ich bin weiterhin davon überzeugt, dass Dortmund einen hervorragenden Kader hat – aber: Ich hoffe, dass die Spiele zuletzt den Verantwortlichen die Augen geöffnet haben, dass sie dringend nachjustieren müssen. Sie brauchen zwei, drei positive Drecksäcke, die sofort weiterhelfen. Auch, um die vorhandenen Spieler unter Druck zu setzen.

Zum einen wird die Belastung nicht weniger, wenn im Februar und März die Phase kommt, die physisch und psychisch am härtesten ist. Zum anderen wäre es viel zu früh, die Saison abzuschreiben. Wir haben erst den elften Bundesligaspieltag hinter uns. Dortmund kann noch immer Deutscher Meister werden und hat auch im DFB-Pokal und in der Champions League alle Möglichkeiten.

Terzić hat eine Chance verdient

Auf dem Transfermarkt muss der BVB deshalb zuschlagen – auf der Trainerbank ist es dagegen vollkommen richtig, sich Zeit zu nehmen. Edin Terzić hat als Interimstrainer natürlich nicht das Standing und die Erfahrung eines Hansi Flick, der den FC Bayern in einer ähnlich schwierigen Situation übernommen und anschließend gigantische Erfolge gefeiert hat. Aber: Terzić hat einen hohen Stellenwert bei den Verantwortlichen und im Umfeld. Er identifiziert sich sehr mit Dortmund und hat ganz sicher eine Chance verdient. Heute feiert er im Auswärtsspiel bei Werder Bremen sein Debüt (ab 20.30 Uhr im Liveticker bei t-online).

Im schlechtesten Fall verschafft er Dortmund zumindest Zeit, um eine langfristige Lösung zu finden. Je besser die ist, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass Haaland oder Sancho dem BVB erhalten bleiben statt zu einem noch größeren Verein zu wechseln.

Rose oder Nagelsmann? Es gibt keine Garantie

Das wird keine einfache Entscheidung, weil es einfach keine Garantie gibt, dass es mit einem Trainer funktioniert. Selbst Jupp Heynckes hatte auf Schalke keinen Erfolg. Und auch in Dortmund haben sie es selbst mit Peter Bosz erlebt. Ein toller Trainer, der bei Ajax Amsterdam großen Erfolg hatte und den auch aktuell bei Bayer Leverkusen hat. Bosz hat den Klub trotz des Abgangs von Kai Havertz an die Tabellenspitze und sehr souverän ins Achtelfinale der Europa League geführt. In Dortmund allerdings war sein Engagement nach etwas mehr als fünf Monaten beendet.

Natürlich kann der BVB sich um Marco Rose von Borussia Mönchengladbach oder Julian Nagelsmann von RB Leipzig bemühen. Aber: Auch bei ihnen gibt es keine Garantie. Und: Beide sind schon bei großen Bundesligaklubs und sicher noch nicht am Ende. An ihrer Stelle würde ich mir sehr gut überlegen, ob ich den Verein wechsle.

So oder so ist es wichtig, dass sich Dortmund endlich von der Vergangenheit löst. Noch immer werden alle Trainer mit Jürgen Klopp verglichen. Der eine ist nicht so emotional wie Klopp. Der andere ist nicht so charismatisch, der nächste nicht so lustig. Sie werden nie wieder einen Trainer bekommen, der so ist wie Klopp. Das müssen sie akzeptieren.

Alle vier Vereine können weiterkommen

Und vielleicht können sie auch erstmal mit Terzić in der Champions League weiterkommen. Die Borussia trifft auf den FC Sevilla, also einen schwierigen, aber schlagbaren Gegner.

Ich halte es übrigens für nicht ausgeschlossen, dass alle vier deutschen Klubs weiterkommen.

Der FC Bayern ist gegen Lazio Rom klarer Favorit, Dortmund gegen Sevilla vielleicht leicht favorisiert. Und Borussia Mönchengladbach gegen Manchester City und RB Leipzig gegen den FC Liverpool halte ich zumindest nicht für vollkommen chancenlos. Wer weiß, wie die Vereine die Belastungen wegstecken und ob die jeweiligen Leistungsträger gesund und in Topform sind. Auf jeden Fall werden es Fußballfeste, auf die wir uns jetzt schon freuen können. Hoffentlich dann mit zwei, drei neuen Spielern beim BVB.

Transparenzhinweis
  • Stefan Effenberg ist Botschafter des FC Bayern München und sagt dazu: „Ich repräsentiere den FC Bayern, insbesondere im Ausland. Mein Engagement hat keinen Einfluss auf meine Kolumnen bei t-online. Hier setze ich mich weiterhin kritisch und unabhängig mit dem Fußball auseinander — auch und insbesondere mit dem FC Bayern.“
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