Machtkampf in München Team Flick oder Team Salihamidzic: Zu wem halten die Bayern-Stars?
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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Der FC Bayern ist raus aus der Champions League. Hansi Flick fehlen damit die sportlichen Argumente im Dauerzwist mit Sportvorstand Hasan Salihamidzic. Ungemütliche Wochen stehen bevor. Welcher Spieler zu wem steht.
Der Kosmos des FC Bayern ist speziell. 11. Februar und 13. April. Zwischen diesen Terminen der jüngeren Vereinsgeschichte liegen zwei Monate. Doch die Stimmung hat sich seit dem Finalsieg bei der Klub-WM gegen die Tigres de Monterrey (1:0) und dem Ausscheiden im Viertelfinale der Champions League gegen Paris Saint-Germain (2:3, 1:0) komplett gedreht.
Die Euphorie über das Sextuple ist verflogen. Die Über-Bayern sind schlagbar. Und es gibt Verdruss darüber, dass sich Coach Hansi Flick – der als künftiger Bundestrainer gehandelt wird – und Sportvorstand Hasan Salihamidzic offensichtlich gar nicht mehr zusammenraufen wollen.
Zeichen stehen auf Trennung
"Ich bin der Überzeugung, dass es die letzte Saison von Hansi Flick als Bayern-Trainer ist. Er ist sehr unzufrieden", sagte Sky-Experte Lothar Matthäus am späten Dienstagabend: "Bayern ist keine Mannschaft, die sich mit einem möglichen Meistertitel zufriedengibt."
Kurz darauf hielt Flick in der Sendung ein Plädoyer, das sich wie eine Abschiedsrede anhörte. Welcher Spieler steht zu ihm? Wer zum Sportvorstand?
Unterstützer von Hansi Flick: Alaba und Boateng
"Ich hätte ihn gerne behalten." Diesen Satz sagte Flick in Dauerschleife, wahlweise über David Alaba und Jérôme Boateng. Ein Rückblick: Nach seinem Jobantritt schulte Flick Linksverteidiger Alaba zum Abwehrchef in der Mitte um.
Und Boateng erfuhr, nachdem ihm Ehrenpräsident Uli Hoeneß einen Wechsel nahegelegt hatte, eine völlig neue Wertschätzung. Viele Beobachter werten es dagegen als unglücklich, wie Salihamidzic dem Weltmeister unmittelbar vor dem Hinspiel gegen PSG das Ende der Zusammenarbeit im Sommer übermittelte – nach zehn Jahren.
Auch Serge Gnabry und Leon Goretzka auf Flicks Seite
Es sei Pech gewesen, "dass Serge Gnabry sich mit Corona infiziert hat", meinte Flick zur prominenten Liste der Ausfälle. Dass er Gnabry namentlich nannte, dürfte keinem Zufall geschuldet sein.
Corona-Quarantäne, Knieprobleme, Muskelfaserriss, wieder Corona-Quarantäne – der 25-jährige Schwabe erlebt trotz neun Toren in der Bundesliga keine einfache Saison. Immer wieder stärkte Flick ihm öffentlich den Rücken, gab ihm Zeit zur Regeneration. Der verletzungsanfällige Leon Goretzka, der sich immer wiederkehrend mit muskulären Problemen herumschlägt, ist sowas wie sein Musterschüler. Beide schätzen dem Vernehmen nach Geradlinigkeit.
Thomas Müller ist auf der Seite von Flick
Gerade heraus ist Thomas Müller in seinen launigen Interviews. Vor Flick war er unter Niko Kovac ein Auslaufmodell ("Wenn Not am Mann ist"). Flick hob dagegen die Unberechenbarkeit und die Qualitäten als Führungsspieler hervor.
Der 31-Jährige dankte es mit 18 Treffern und 33 Torvorlagen in 49 Spielen unter Flick – einzig in der Bundesliga. Ob sie ihr kongeniales Verständnis bald in der Nationalmannschaft fortsetzen?
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Manuel Neuer lobt Flick
Wäre da noch der Kapitän, Manuel Neuer. Beide wurden 2014 in Brasilien zusammen Weltmeister. Flick bekräftigte die enge Verbindung. Neuer lobte in jedem Mixed-Zone-Interview (vor Corona) die "hohe Empathie" von "Hansi".
Jüngst erklärte wiederum Flick, er habe mit der Verpflichtung des 24-jährigen Torwarts Alexander Nübel nichts zu tun gehabt. Zur Einordnung: Der 35-jährige Neuer hatte regelrecht beleidigt auf den Transfer des Ex-Schalkers reagiert. Sein Verhältnis zu Salihamidzic gilt dem Vernehmen nach als distanziert.
Unterstützer von Hasan Salihamidzic: Leroy Sané
Seine Rolle im Münchner Fußballkosmos sucht weiter Leroy Sané, der vermeintliche Königstransfer von Salihamidzic. Ein Unterschiedsspieler war er selten. In der Bundesliga kommt der 25-Jährige gerade mal auf vier Tore.
Flick erklärte kürzlich bei Sky, dass er "lieber Kai Havertz und Timo Werner verpflichtet" hätte. Den Namen Sané nannte er nicht, die Botschaft war klar. Der 56-jährige Badener legte nach dem Aus in Paris nach: "Die Chance von Leroy kurz vor Schluss. Da war er in guter Position. Er hat es mit dem Flachpass versucht, obwohl der Torwart lange an der Schulter verletzt war."
Klang vorwurfsvoll. Mit Salihamidzic verbindet Sané dagegen eine regelrechte Schicksalsgemeinschaft. Beide können beweisen, wieviel der andere draufhat.
Niklas Süle muss sich mit Salihamidzic gut stellen
Unter Beobachtung steht Niklas Süle. Der Hesse sollte in der Post-Hummels-Boateng-Ära eigentlich der neue Abwehrchef werden.
Diese Erwartung erfüllte der 25-Jährige bisher nicht, zurückgeworfen durch Verletzungen. Süle spielt in München nun um einen neuen Vertrag, der aktuelle Kontrakt datiert bis 2022. Er muss sich mit dem Sportvorstand gut stellen.
Joshua Kimmich genervt von Hansi Flick
Einer seiner besten Kumpels an der Säbener ist "Jo" oder "Josh", wie "Nick" den Chef der Bayern-Mannschaft ruft. Joshua Kimmich hat Züge eines Perfektionisten. Er mischt sich ein. Er macht Ansagen. Er explodiert manchmal regelrecht von dem einen auf den anderen Moment.
Flick gelang es lange, diesen Antrieb seines Führungsspielers zu kanalisieren. Es gelingt ihm jetzt offenbar nicht mehr. "Wir spielen seit fünf Minuten mit einem Mann weniger", blaffte der 26-Jährige seinen Coach im Hinspiel an. Es ist eine Parallele zu Vorgänger Kovac, der daran scheiterte, Kimmich bändigen zu wollen.
Übrigens: Zwischen dem 7:2 unter Kovac bei Tottenham (2. Oktober 2019) und seinem letzten Bayern-Spiel, dem 1:5 bei Eintracht Frankfurt (1. November 2019), lag einst nur ein Monat. Ja, der Kosmos des FC Bayern ist speziell.
- Eigene Beobachtung
- Br.de: Flick und Salihamidzic: Chronik eines Zerwürfnisses