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Zum journalistischen Leitbild von t-online."Ein perfekter deutscher Abend" Der Druck war groß – die Reaktion größer

Nach Tagen der Unruhe und öffentlicher Kritik lieferten die DFB-Frauen gegen die Niederlande ein sportliches Ausrufezeichen. Ein Schritt in die richtige Richtung.
Aus Bremen berichtet Kim Steinke
Als die DFB-Frauen mit Abpfiff jubelten, wirkte es fast wie ein Abschütteln jeglicher Unruhe. Nach einer Woche voller Spannungen und Diskussionen in der Öffentlichkeit machte Deutschland beim 4:0 gegen die Niederlande nicht nur die Qualifikation für das Final Four der Nations League klar. Giulia Gwinn und die Mannschaft präsentierten sich wie ein Team, das eine erfolgreiche EM (2. bis 27. Juli) bestreiten kann – und der Bundestrainer zeigte, dass er jegliche Baustellen in Angriff genommen hat.
Christian Wück hatte vor dem Duell deutliche Worte gefunden, sprach von einem "Endspiel". Auf dem Platz setzte er dieses Signal um – mit einer stabilen Abwehr und einem neu gewonnenen Zugriff auf das Spielgeschehen. "Es war ein perfekter deutscher Abend", resümierte der 51-Jährige nach Abpfiff, der mit dem Team auf dem richtigen Weg zu sein scheint.
Eine sportliche Antwort
Dass das Duell in Bremen wie ein Wendepunkt war, lag auch an der Haltung, mit der Wück das Spiel anging. Noch vor wenigen Tagen wurde über seinen Kommunikationsstil diskutiert, einige Spielerinnen hatten Unmut über den mangelnden Austausch geäußert.
Der Bundestrainer gab sich einsichtig, sprach von "Irritationen", die intern geklärt wurden. Doch Worten müssen Taten folgen – und Wück lieferte. Er brachte eine sportliche Antwort. Denn seit Monaten wird über die deutsche Defensive diskutiert: fehlende Stabilität, fehlende Automatismen, fehlende Sicherheit.
Im Duell gegen die Niederlande war davon nichts mehr zu sehen. Rebecca Knaak (Manchester City) feierte ein gutes Comeback in der Innenverteidigung, bildete mit Janina Minge (VfL Wolfsburg) ein zuverlässiges Zentrum – und hat sich in der Startformation durchgesetzt. Wück verkündete: "Sie hat auf der linken Innenverteidigerposition die Nase vorn."
Knaak und Minge agierten aufmerksam, zweikampfstark und im Spielaufbau deutlich mutiger als zuletzt. So legte die Wolfsburgerin gleich zwei Tore zum 1:0 (9. Minute) und 3:0 (45.) auf. Auch auffällig: das gute Stellungsspiel bei gegnerischen Kontern – oftmals ein Schwachpunkt in der Vergangenheit. Zur Wahrheit gehört allerdings auch, dass vom Gegner aus den Niederlanden wenig in Richtung deutsches Team kam. Umso wichtiger war es, dass sich die deutsche Mannschaft im Aufbau Zeit gab.
Die zwei Gesichter verpuffen
Mittelfeldakteurin Sjoeke Nüsken (FC Chelsea) nahm mehrmals das Tempo raus, ließ das deutsche Spiel neu von hinten aufbauen. Dabei gab das Team die Kontrolle nicht aus der Hand – und wusste vielmehr in den richtigen Momenten nach vorn zu spielen. Die Hoffnung auf eine für die EM beständige Abwehrkette ist gewachsen.
Auch von den vermeintlichen zwei Gesichtern des DFB-Teams, einer starken und einer schwachen Halbzeit, war nichts zu sehen. Zu keiner Zeit geriet Deutschland in Bedrängnis. Kapitänin Giulia Gwinn (FC Bayern) sagte nach Abpfiff: "Wir sind in der Lage, über ein ganzes Spiel zu performen." Anteil daran hatten auch die 32.398 Fans im Bremer Weserstadion. "Das beflügelt einen, das hat uns durch das Spiel getragen und kitzelt auch nochmal die einen oder anderen Prozente raus."
Der Stresstest ist also abgehakt. Wück bilanzierte zwar: "Es war das konstanteste Spiel." Er gab allerdings auch zu: "Es wäre vermessen, zu sagen, dass wir diesen Punkt jetzt abhaken können." Er habe der Mannschaft gesagt, "wir sind auf dem richtigen Weg und diesen müssen wir nun auch weitergehen."
Denn schon am Dienstag geht es für die deutsche Mannschaft ins letzte Spiel vor der EM. In Wien trifft das Team auf Österreich, den vermeintlich schwächeren Gegner im Vergleich zu den Niederlanden. Obwohl Deutschland das Hinspiel deutlich mit 4:1 gewonnen hatte, kassierte die Mannschaft nach nur drei Minuten den Gegentreffer und lag zunächst zurück.
Die Chance, nach den schwankenden Auftritten der vergangenen Monate zu zeigen, dass das DFB-Team nun auf festem Boden steht.
- Eigene Beobachtungen vor Ort
- Gespräche in der Mixed Zone und die Pressekonferenz nach dem Spiel