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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Ex-Nationalspieler am Scheideweg Der Hochveranlagte ist erneut gescheitert

Einst galt Timo Werner als Hoffnung im deutschen Angriff. Doch der Stern des Stürmers ist längst verblasst. Ob er sportlich noch einmal auf die Beine kommt, entscheidet der bevorstehende Sommer.
Als der Schlusspfiff in Sevilla ertönte, kannte der Jubel der Spieler von Tottenham Hotspur keine Grenzen. Torhüter Guglielmo Vicario sank auf die Knie, breitete seine Arme aus und schrie seine Freude in Richtung Fankurve. Brennan Johnson raufte sich ungläubig die Haare. Weitere Stars fielen sich um den Hals, feierten den gerade errungenen Triumph ausgelassen. Den "Spurs" war es nämlich soeben gelungen, eine 17 Jahre währende Durststrecke zu beenden. Der Klub aus London hatte im Finale gegen Manchester United die Europa League gewonnen – und damit den ersten Titel seit 2008.
Bei der anschließenden Trophäenübergabe jubelte dann auch ein Spieler mit, der im Finale nicht einmal im Kader gestanden hatte – genauso wenig wie in allen anderen Europa-League-Partien seiner Mannschaft im Jahr 2025. Doch die Feierlichkeiten zum Titelgewinn wollte Timo Werner sich offenbar nicht nehmen lassen. Dabei ist der frühere deutsche Nationalspieler bei Tottenham komplett aufs Abstellgleis geraten. Ein Jahr vor der Weltmeisterschaft in den USA, Kanada und Mexiko steht Werner in seiner Karriere endgültig am Scheideweg.
"Dann wäre Lampard noch im Amt"
Dass der Stürmer es für das Turnier in Nord- und Mittelamerika ins Aufgebot des DFB-Teams schaffen könnte, ist aktuell zweifellos utopisch. Die Leistungen des einstigen Hoffnungsträgers im deutschen Angriff stagnieren seit Jahren. In dieser Saison gelang Werner ein einziger Pflichtspieltreffer. Den erzielte er im vergangenen Oktober im League Cup gegen Manchester City. Von der Tormaschine vergangener Tage, die beispielsweise in der Bundesligasaison 2019/2020 für RB Leipzig satte 28 Treffer in 34 Spielen zelebrierte, ist nichts mehr übrig geblieben.
Der Wechsel zum FC Chelsea im Sommer vor fünf Jahren markierte einen Bruch in Werners Karriere. Wenngleich der heute 29-Jährige mit den "Blues" am Ende der Saison die Champions League gewann, so richtig fand Werner sich in England nie zurecht, büßte auf der Insel seinen wohl wichtigsten sportlichen Mehrwert ein: die eigene Torgefahr.
Noch heute kursieren im Internet Videozusammenschnitte aus der Zeit bei Chelsea, die zeigen, wie der Angreifer teilweise beste Chancen vor dem gegnerischen Gehäuse nicht zu nutzen weiß. Kritik an den Leistungen des 53 Millionen Euro teuren Chelsea-Einkaufs gab es dementsprechend von allen Seiten. Sky-Experte Graeme Souness gab Werner und dessen niedriger Trefferquote sogar die Schuld an der Entlassung seines damaligen Trainers Frank Lampard. "Sagen wir es mal so: Wenn Werner seinen Job gemacht hätte, wäre Lampard noch im Amt", wurde der Schotte 2021 deutlich.
Werners Irrtum: Die Rückkehr in die Komfortzone
Das zweite Jahr in London verlief für Werner in der Folge ähnlich dürftig wie das erste. Wettbewerbsübergreifend erzielte er lediglich elf Pflichtspieltreffer – und damit sogar noch eines weniger als in der Vorsaison. Kein Wunder also, dass sich die Wege von Klub und Spieler im Anschluss trennten.
Werner machte die Rolle rückwärts und wechselte wieder nach Leipzig. Im Nachhinein kann dieser Schritt zurück in die alte Komfortzone wohl als einer der größten Fehler seiner Karriere bezeichnet werden. Denn anstatt noch einmal an anderer Stelle zu beweisen, dass er mehr als nur ein sportliches One-Hit-Wonder ist, wählte er mit seinem Ex-Klub die für ihn scheinbar sicherere Option – und irrte sich dabei gewaltig.
Leipzig und Werner: Das passte irgendwie nicht mehr richtig zusammen. Hinter seiner Torausbeute aus der ersten Zeit bei den Sachsen blieb Werner in der ersten Saison meilenweit zurück. Der Leipziger Sieg im DFB-Pokal am Ende der Spielzeit konnte das offensichtliche Missverständnis nur schwer kaschieren.
Zur Lachnummer an alter Wirkungsstätte wurde Werner dann im anschließenden Sommer. Bei einer TikTok-Challenge kurz vor Saisonbeginn blamierte sich der Fußballer im August 2023 bis auf die Knochen, als er einen Ball nicht in ein kleines freies Tor, sondern aus der Mini-Arena in die Leipziger Innenstadt beförderte. Der Clip ging viral – und stand im Grunde sinnbildlich für die Lage, in der Werner sich mittlerweile dauerhaft befindet. Dem früheren Wunderstürmer gelingen phasenweise nicht einmal mehr die einfachsten Übungen. Ein Nährboden für Häme, besonders unter Fans.
Vom Trainer angeprangert, von den Fans verspottet
Nur ein halbes Jahr nach dem Clip gab Leipzig Werner dann per Leihe nach Tottenham ab. Über die Rolle des Reservisten war er in der ersten Saisonhälfte in der Bundesliga nicht hinausgekommen. Ein neuer Anlauf musste also her. Mit London sollte es erneut ein vertrauter Standort richten. Anderthalb Jahre später steht fest: Erneut ist der hochveranlagte Timo Werner gescheitert, obgleich mit Ange Postecoglou eigentlich ein Trainer mit offensivem Spielstil an Tottenhams Seitenlinie steht.
Der Australier war es aber auch, der Werner im Dezember 2024 nach dem Europa-League-Spiel gegen die Glasgow Rangers öffentlich anprangerte. "Er hat nicht annähernd auf dem Niveau gespielt, auf dem er hätte spielen sollen", sagte Postecoglou über seinen Offensivmann, den er in der Halbzeit der Partie ausgewechselt hatte. Kurz darauf bezeichnete er Werners Leistung zudem als "nicht akzeptabel".
Auch wenn Postecoglou wenig später zurückruderte und seine Aussagen nicht als Kritik an Werner verstehen wollte, hatte der Coach seinem Spieler damit nachhaltig das Vertrauen entzogen. Das zeigte sich dann auch mit Beginn des aktuellen Jahres. Unter Postecoglou war Werner 2025 maximal noch Statist. Im Premier-League-Kader von Tottenham stand er letztmals Ende Februar. Aus dem Aufgebot für die Europa League wurde er gestrichen.
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Dass er dennoch nach dem Finalsieg gegen Manchester United auf Instagram Fotos mit der Goldmedaille veröffentlichte, kam im Anschluss bei vielen Fußballfans nicht gut an. Werner hatte zu dem Beitrag geschrieben: "Was ein Team! Wie ich gesagt habe, ich bin gekommen, um Titel zu gewinnen." Dafür erntete er mal wieder Spott. "Super Spiel, warst der entscheidende Mann", kommentierte ein Nutzer sarkastisch. Ein anderer schrieb: "Wäre mir maximal unangenehm, so zu posieren, ohne auch nur 1 % zum Sieg beigetragen zu haben. Aua, da schämt man sich selbst." Auch diverse Beleidigungen auf Englisch und Deutsch sind nach wie vor unter den Fotos zu lesen. Sie zeigen zum einen die Gnadenlosigkeit der Fans – und auf der anderen Seite das volle Ausmaß des tiefen Falls von Timo Werner.
Der bevorstehende Sommer ist Werners letzte Chance
Die Zeit in Tottenham, sie wird für den früheren Stuttgarter nun zu Ende gehen. Mit einem Titel, der ihm viel wert zu sein scheint, der es in der öffentlichen Wahrnehmung aber nicht ist. Wie es mit Timo Werner weitergeht, weiß aktuell niemand so genau. Noch steht er in Leipzig unter Vertrag. Dass RB wirklich mit ihm plant: unwahrscheinlich.
Im Winter gab es bereits Gerüchte, Werner könne es in die US-amerikanische MLS ziehen. Die New York Red Bulls, einer von Leipzigs Partnerklubs im Brausekosmos, könnten sein Ziel sein. Gut möglich, dass die Spur in die Millionenmetropole in den kommenden Wochen wieder heißer wird.
Klar wäre dann aber auch: Werner würde bei einem Wechsel in die eher mittelklassige US-Liga endgültig aus dem deutschen Blickfeld verschwinden – und damit auch final aus dem der DFB-Auswahl. Für die Nationalmannschaft hat er ohnehin seit März 2023 kein Spiel mehr absolviert. Unter Bundestrainer Julian Nagelsmann, der ihn in Leipzig doch einst so gefördert hatte, stand er noch kein einziges Mal im Aufgebot.
Der bevorstehende Sommer dürfte Werners letzte Chance auf die Kehrtwende sein, die seine Karriere so dringend benötigt. Voraussetzung wäre ein Wechsel zu einem Klub, bei dem er wieder das Vertrauen des Trainers genießt und dieses dann in Toren zurückzahlt. Dass er nämlich grundsätzlich die Fähigkeiten hat, ein Unterschiedsspieler zu sein, weiß auch der Bundestrainer – Werner muss das nur endlich wieder auf dem Platz beweisen.
- Eigene Recherche
- transfermarkt.de: Timo Werner
- sport.sky.de: "FC Chelsea News: Sky Experte Graeme Souness über Timo Werner"
- sportschau.de: "'Nicht akzeptabel' - Trainer übt harte Kritik an Timo Werner"
- instagram.com: timowerner