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Ringer-Star Stäbler: "Habe mit dem Schicksal und Olympia noch eine Rechnung offen"


"Habe mit dem Schicksal und Olympia noch eine Rechnung offen"

  • T-Online
Von Alexander Kohne

Aktualisiert am 24.07.2019Lesedauer: 6 Min.
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Deutsche Ringer-Hoffnung: Frank Stäbler wurde in drei unterschiedlichen Gewichtsklassen Weltmeister und hofft in Tokio in einem Jahr auf Olympia-Gold.Vergrößern des Bildes
Deutsche Ringer-Hoffnung: Frank Stäbler wurde in drei unterschiedlichen Gewichtsklassen Weltmeister und hofft in Tokio in einem Jahr auf Olympia-Gold. (Quelle: Springstrow/t-online.de/imago-images-bilder)

In genau einem Jahr beginnen in Tokio die Olympischen Spiele. Frank Stäbler ist dabei eine der größten deutschen Gold-Hoffnungen. In seinem Kopf spielt er bereits das Finale durch.

Mit seinem dritten WM-Titel in der dritten Gewichtsklasse hat Frank Stäbler im vergangenen Jahr Ringer-Geschichte geschrieben. Nun hat er nur noch einen Traum: Die Olympischen Spiele im kommenden Juli in Tokio. Danach wird der 30-Jährige seine Karriere beenden. Exakt ein Jahr vor der Eröffnungsfeier am 24. Juli spricht Stäbler im t-online.de-Interview über große Ziele, Versagensängste und einen ganz eigenen Olympia-Film in seinem Kopf.

t-online.de: In genau einem Jahr starten die Spiele in Tokio. Was fällt Ihnen spontan dazu ein?

Frank Stäbler: Wie schnell die Zeit verfliegt. Es kommt mir vor, als ob die Olympischen Spiele in London 2012 vor zwei Wochen und die 2016 in Rio vor einer Woche gewesen wären (lacht). Das ist schon ein komisches Gefühl. Ein Jahr noch und dann war’s das mit dem Sport. Das ist irgendwie angsteinflößend – aber macht die ganze Sache auch besonders.

Mentaltraining ist eines Ihrer Steckenpferde. Dabei arbeiten Sie viel mit Visualisierungen. Was visualisieren Sie im Hinblick auf Olympia 2020?

Der große Traum ist, dass ich nach einem sensationellen Finale, in dem ich 0:4 hinten gelegen und den Kampf dann doch noch 5:4 gedreht habe, unter Tränen meine Ringerschuhe ausziehe, diese auf der Matte stehenlasse und mich als Olympiasieger verabschiede. Das wäre der Wahnsinn. Abgesehen davon geht es aber erst einmal darum, dabei zu sein. Schon die Olympia-Teilnahme wäre ein großer Erfolg.

Das hört sich aber gar nicht nach dem allseits positiven Frank Stäbler der letzten Monate an…

Ich bin natürlich immer noch ein verrückter, unverbesserlicher Optimist. Aber meine Erfolge sind für viele Menschen zur Gewohnheit geworden. Eine Selbstverständlichkeit. Und alle reden schon von Olympia-Gold. Aber dass die Wahrscheinlichkeit einer Teilnahme realistisch gesehen bei zehn Prozent liegt, das sieht keiner.

Warum?

Meine Gewichtsklasse bis 72 Kilogramm wurde bei Olympia gestrichen. Die nächsthöhere wäre bei 77 Kilogramm, aber da ich schon extrem austrainiert bin, kommt das nicht infrage. Deshalb bleibt mir nur der harte und traurige Weg nach unten – in die 67er Klasse. Zwar habe ich auch früher schon in der Klasse bis 66 Kilogramm gekämpft, aber da wurde gewogen und der Wettkampf war erst am nächsten Tag. Dazwischen konnte man seine Akkus wieder aufladen. Mittlerweile wird man gewogen und steht eine Stunde später schon auf der Matte. Außerdem ist die Qualifikation für die Olympischen Spiele angepasst worden. In London waren es noch 24 Teilnehmer, in Rio 21 – und jetzt sind es nur noch 16. Dabei geht es nicht nach der Weltrangliste, sondern nach den Kontinentalverbänden. Im Ringen kommen 80 Prozent der Spitzenkämpfer aus Europa, was die Qualifikation dort umso schwerer macht. Im Endeffekt heißt das: Am Ende sind acht schwächere Kämpfer und acht Weltklasseleute am Start.

Ein Laie würde sagen: Die paar Kilogramm kann ein Leistungssportler doch locker abnehmen. Warum ist es für einen Ringer so schwierig?

Momentan habe ich 75 Kilogramm und einen Körperfettanteil von maximal acht Prozent, bin also sehr austrainiert. Da gibt es einfach nicht viele Reserven, Gewicht zu verlieren. Trotzdem muss ich noch acht Kilogramm runterbekommen, aber trotzdem weiterhin leistungsfähig sein. Ehrlich gesagt habe ich keine Ahnung, ob das überhaupt im Bereich des Möglichen ist. Theoretisch gesehen: nein. In der Praxis wird sich zeigen, ob ich das Unmögliche nochmal hinbekomme. Letztendlich hätte ich dann einen Körperfettanteil von etwa vier Prozent.

Ist das noch gesund?

Nein, gesund ist sicherlich etwas anderes, aber das ist ein notwendiges Übel für meinen ganz großen Traum von Olympia.

Was machen Sie dafür, um die acht Kilogramm abzunehmen?

Da geht es um drei Bausteine: Erstens stelle ich meine Ernährung um. Kohlenhydrate esse ich beispielsweise nur morgens und mittags, verzichte danach zwölf Stunden komplett darauf. Außerdem verzichte ich auf weißen Zucker. Das ist unglaublich schwer, weil der wirklich überall drin ist – sogar in Wurst. Zweitens habe ich mein Training umgestellt und setze auf Grundlagenausdauer, damit der Körper eine gute Basis hat, um die kommenden Torturen wegzustecken. Außerdem mache ich kein Hypertrophietraining sondern Kraft-Ausdauer und Maximalkrafttraining – um explosiv zu bleiben, die Muskeln aber nicht wachsen zu lassen. Und Drittens geht es um den mentalen Aspekt. Da versuche ich, meinen Kopf stark zu machen. Denn: Jeder Tag ist ein verdammter Kampf. Auch wenn der Weg hart ist, versuche ich ihn zu genießen. Weil ich weiß, was für ein krasses Privileg es ist. Und ich sage mir auch immer wieder: Du machst das Ganze nicht für dich allein. Heutzutage gibt es so viele Menschen, die früh aufgeben, wenn es hart wird. Da möchte ich als Positivbeispiel vorangehen und andere inspirieren.

Ihr Mentalcoach Christian Bischoff hat einen Podcast mit Ihnen aufgenommen und diesen unter das Motto "So wird man zum Mental-Monster" gestellt. Wie wird man denn ein Mental-Monster?

Das funktioniert nicht von heute auf morgen. Es geht darum, sich so extrem zu fokussieren, um alles rechts und links auszublenden. Es gibt viele Sportler, die mental arbeiten. Entscheidend ist aber, sein Maximum abzurufen, wenn es drauf ankommt. Wer das hinbekommt, ist ein Mentalmonster (lacht).

Anfang Juli haben sie nach drei Jahren und 53 Siegen in Folge erstmals wieder verloren. Wie gehen Sie damit um?

Ich hatte wirklich große Angst vor diesem Moment, weil mein Erfolg für viele Leute zur Selbstverständlichkeit geworden ist. Nach 53 Kämpfen war es dann halt soweit und ich habe knapp 2:3 gegen einen starken Russen verloren. Danach ist aber etwas Witziges passiert: Ich bin aus der Halle gegangen und war geradezu befreit. Die Angst zu verlieren, war komplett weg. Vielleicht kam die Niederlage deshalb zum richtigen Zeitpunkt. Ich habe mir gesagt: Du hast alles gegeben und dich voll reingehauen. Deshalb kann ich die Niederlage akzeptieren und weiterhin guten Gewissens in den Spiegel schauen. Das war vor drei Jahren nach meiner letzten Niederlage anders. Da habe ich drei Stunden lang geheult. Daran merke ich, wie ich seitdem gewachsen bin.

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Haben Sie sich zwischenzeitlich unbesiegbar gefühlt?

Nein, denn im Ringen, auf dem Level, auf dem ich mich bewege, waren die drei Jahre ohne Niederlage schon ein kleines Wunder. Ich bin nunmal keine Maschine und weiß, wie viel Arbeit hinter dem Erfolg steht. Und wie hart jeder einzelne Trainingskampf ist. Das immer wieder aufrecht zu erhalten, ist so gut wie unmöglich. Vielleicht war ich auch schon über eine gewisse Grenze hinaus. Und eigentlich freue ich mich auch etwas, weil ich mich mental nun noch besser aufgestellt fühle. Das gibt mir eine gewisse Lockerheit.

Hatten Sie diese Lockerheit bereits bei den letzten Olympischen Spielen 2016 in Rio?

Nein, da war ich in meiner persönlichen Entwicklung einfach noch nicht so weit – und das konnte ich aufgrund der Umstände auch gar nicht sein.

Wie meinen Sie das?

Acht Tage vor den Spielen in Rio habe ich mich mir im Training die Außenbänder und das Syndesmoseband gerissen. Quasi auf einem Bein bin ich dann trotzdem bei den Olympischen Spielen angetreten – unter unglaublichen Schmerzen. Dort bin ich zwar nur Siebter geworden, aber das war für mich mehr Wert als eine Goldmedaille. Ich kann mich noch gut erinnern, mit wie viel Anspannung und mit wie vielen Ängsten ich damals nach Rio gereist bin. Mein Fuß war immer dick, tat extrem weh und ich wusste am Abend oft nicht, ob ich am nächsten Morgen überhaupt aufstehen kann. Das war die absolute Hölle.

Viele Ärzte haben Sie damals für verrückt erklärt, als Sie ihnen erklärt haben, unbedingt antreten zu wollen. Sie haben Ihnen davon abgeraten. Sind Sie bereit, für Tokio nochmal so weit zu gehen?

Ja, ich würde das nochmal so machen, denn mein komplettes Leben ist auf diesen Traum ausgelegt. Für mich ist das noch ein bisschen mehr als Sport. Ich bin heute der Mensch, der ich bin, da ich mein Leben lang gekämpft und jede Herausforderung angenommen habe. Und da gehört auch eine gewisse verrückte Einstellung dazu. Hätte ich die Erfahrung in Rio nicht gemacht, wäre ich danach niemals noch zweimal Weltmeister geworden. Das hat mich mental auf ein neues Level gehoben.

Kann man also sagen: Sie haben mit Olympia und mit dem Schicksal noch eine Rechnung offen?

Ja, absolut. Ich habe auch damals in London knapp im Kampf um Bronze verloren und dementsprechend noch eine Rechnung mit dem Schicksal und den Olympischen Spielen offen. Und aller guten Dinge sind ja bekanntlich drei – deshalb muss es in Tokio eigentlich klappen (lacht).

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Zum Abschluss zu Ihrem Lieblingsfußballverein VfB Stuttgart. In einem Aprilscherz wurden Sie dort als Mentaltrainer vorgestellt. Könnten Sie sich das auch im Ernst vorstellen?

Klar, Mentaltrainer beim VfB könnte ich mir schon gut vorstellen. Ich möchte nach meiner Karriere in dem Bereich arbeiten, aber auch viel mit Kindern und Jugendlichen machen.


Ich habe da schon ein Programm im Kopf, das Ende des Jahres bekannt werden wird und bei dem ich in Schulen arbeiten und Vorträge halten werde. In diese Richtung geht es auf jeden Fall.

Verwendete Quellen
  • Facebook-Account von Frank Stäbler
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