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Dietmar Wischmeyer: "Markus Lanz? Ist das ein weiteres Alter Ego von Kerkeling?"


Interview mit Dietmar Wischmeyer
"Markus Lanz? Ist das ein weiteres Alter Ego von Kerkeling?"

t-online, Lars Schmidt

Aktualisiert am 20.03.2012Lesedauer: 7 Min.
Dietmar WischmeyerVergrößern des BildesDietmar Wischmeyer (Quelle: FSR)
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Er ist der Vater der norddeutschen Kult-Comedy-Show "Frühstyxradio" und Autor unzähliger Kolumnen, mit denen er unter dem Titel "Die Bekloppten und Bescheuerten" alltägliche Absurditäten extrem zugespitzt aufs Korn nimmt: Dietmar Wischmeyer (55). Seit Februar ist der Entdecker von Oliver Kalkofe und Oliver Welke in unregelmäßiger Regelmäßigkeit in der ZDF "heute show" (freitags, 22.30 Uhr) zu erleben, wo er sich in der Rubrik "History ohne Prof. Dr. Guido Knopp" satirisch zu aktuellen und zeitgeschichtlichen Themen äußert. Im Interview mit t-online.de sprach Dietmar Wischmeyer über Markus Lanz, die Zukunft des "Sauriers" "Wetten, dass..?" und die Gottschalk-Krise.

t-online.de: In der "heute-show" persiflieren Sie Guido Knopps Sendung "History". Warum ausgerechnet dieses Format?

Dietmar Wischmeyer: Es hätten auch diverse andere Formate sein können, aber wir hatten uns ursprünglich überlegt, eines zu nehmen, das nicht so brandaktuell sein muss. Das wird sich jetzt wohl ändern, weil wir doch zu aktuellen Themen der Woche eine History-Folge machen werden.

t-online.de: Ganz aktuell die Ernennung von Markus Lanz zum "Wetten, dass..?"-Moderator. Was halten Sie davon?

Dietmar Wischmeyer: Wer? Ich kenne Heinrich Lanz, den großen Sohn Mannheims, zu einer Zeit als Xavier Naidoo noch nicht mal als Quark im Schaufenster lag. Aha und dieser mir zumindest völlig unbekannte Markus Lanz moduliert jetzt "Wetten dass..?", wie ist das ZDF daran gekommen? Arbeitsamt? Oder ist das ein weiteres Alter Ego von Kerkeling wie Horst Schlämmer? Ich wünsche ihm jedenfalls viel Erfolg und falls er an diesem Himmelfahrtskommando nicht scheitern sollte und den lecken Kahn in sicheres Quotenfahrwasser bringt, gebührt ihm meine Hochachtung.

t-online.de: Der Verpflichtung von Markus Lanz ging ja eine ziemlich leidige Moderatorensuche voraus...

Dietmar Wischmeyer: Was hätte man denn von einer Behörde auch anderes erwarten können? Es war ja ein Sport unter deutschen Z-Promis, sich selbst als "Wetten, dass..?"-Moderator ins Gespräch zu bringen. Also "Wetten, dass..?": Wer es einmal gesehen hat, der hat auch alle Sendungen gesehen. Dass das ein ganz furchtbarer TV-Saurier ist, ist ja auch allen klar. Und es gibt keinen Grund dafür, dass er weiter bestehen müsste. Außer, dass es der Saurier ist. Die letzte große Lagerfeuersendung des deutschen Fernsehens. Aus der Zeit, als es die alte Bundesrepublik noch gab. Es ist der "Kessel Buntes" des Westens. Die irreste Haltung dazu war daher auch, etwas ganz Neues daraus zu machen. Mit Joko und Klaas als Moderatoren. Warum nicht gleich Charlotte Roche zusammen mit Böhmermann? Die machen doch grad auf ZDF-Neo so’ne Knallchargensendung. Aber die Chance, mit dem Ausstieg Gottschalks die Sendung in Würde sterben zu lassen, hat man ja verpasst.

t-online.de: Wie lange hält sich Thomas Gottschalk bei seinem neuen Job in der ARD?

Dietmar Wischmeyer: Bis April. Dann dürfen sie ihn ja rausschmeißen. Zehn Prozent Quote muss er holen. Das wird er nicht schaffen.

t-online.de: Hat er sich übernommen? Falsch eingeschätzt?

Dietmar Wischmeyer: Das ist wie bei Wulff. Es gibt Leute ab einer gewissen Position, die irrlichtern nur noch durch ihre Biografie. Die haben den Blick für die Realitäten und dessen, wozu sie im Stande sind, was gut für sie ist, komplett verloren. Ich weiß nicht, warum Gottschalk das macht. Ich weiß auch nicht, warum Schumacher für Mercedes wieder an der Formel 1 teilnimmt. Warum geht Otto Rehhagel zu diesem Loser-Verein Hertha? Es ist mir ein Rätsel, warum Leute sich nicht auf ihren Lorbeeren ausruhen können und in Würde altern. Also die Sachen machen, die ihrem Alter und ihrer Position entsprechen, ohne dass sie dabei ihre Vergangenheit verraten. Gottschalk hat doch ganz ganz viel erreicht im deutschen Fernsehen. Warum begnügt er sich nicht damit, ein- bis zweimal im Jahr locker von Malibu anzureisen und irgendeine Anti-AIDS-Gala oder sonst irgendwas im ZDF zu moderieren. Zwei, drei Stunden lang die alten Zeiten zu feiern, ein paar Starletts anzugrabbeln und aus die Maus.

t-online.de: Ist es das Geld?

Dietmar Wischmeyer: Scheiß doch was auf das Geld! Ich weiß zwar nicht, in welchen finanziellen Verhältnissen die leben, um das machen zu müssen. Es ist wohl eher eine merkwürdige Alterseitelkeit, die sie dazu treibt. Die jungen Wölfe umschleichen den eigenen Harem und der alte Recke beißt sie noch mal weg. Das hat was ganz Archaisches, glaube ich.

t-online.de: Der frühere König der Late Night, Harald Schmidt, leidet ebenfalls unter schlechten Quoten. Ist seine Zeit abgelaufen?

Dietmar Wischmeyer: Er ist nur noch eine leblose moderierende Hülle, ganz traurig. Spätestens seit seiner Rückkehr zu Sat.1 ist er ja nur noch eine Karikatur seiner selbst. Ich kann mir aber vorstellen, dass er seine eigene Modrigkeit schon wieder genießt und als Medienereignis inszeniert. Was mich interessiert: Wie kann man es vermeiden, nicht selbst so zu werden? Also ein Zitat seiner eigenen Vergangenheit, irgendwo als Untoter rumzuscherzen ohne selbst zu wissen, was man da eigentlich treibt.

t-online.de: Sie sind ja ein Comedy-Urgestein. Sie haben das Format "Frühstyxradio" beim Radiosender ffn in Hannover entwickelt. Unter Ihnen sind Oliver Kalkofe und Oliver Welke groß geworden - beide sind heute bekannte TV-Gesichter. Sie dagegen blieben im Hintergrund. Warum? Ist Fernsehen nichts für Sie?

Dietmar Wischmeyer: Nee, Fernsehen ist nicht mein Fall. Welke und Kalkofe gehören einer anderen Generation an. Von Kalkofe weiß ich, dass er als Kind schon ein eigenes TV-Gerät im Kinderzimmer hatte. Er hat ein richtig libidinöses Verhältnis zu dem Medium. Ich nicht. Ihn interessiert alles, was da läuft. Mich interessieren 99 Prozent davon nicht. Das Gebiet, zu dem ich mich satirisch äußern kann, ist eher Politik, Zeitgeschehen, Alltagsleben. Außerdem mag ich die Arbeitsweise im Fernsehen nicht. Man ist von viel mehr Leuten abhängig. Es ist ein ewiges Kompromissgemache. Und wenn man selber vor der Kamera steht, steht man 95 Prozent seiner Zeit rum und wartet, dass irgendein Licht angeht oder jemand was macht. Das ist sehr ermüdend. Ich kenne auch keinen, der beim Fernsehen arbeitet und vor Glück über seine Arbeit jubelt.

t-online.de: Ich hoffe, das lesen alle, die sich Jahr für Jahr bei den vielen Castingshows bewerben.

Dietmar Wischmeyer: Kommt immer drauf an, von wo man kommt. Ich bin da sehr sehr privilegiert. Ich arbeite bei Radiosendern und kann da ganz viel machen. Ich darf Bücher schreiben und darf mir fast aussuchen, bei wem. Wenn ich Teilzeitfrisöse in Eisenhüttenstadt wäre, würde ich auch zu einer Castingshow gehen.

t-online.de: Wir verwenden gerade ständig den Begriff Comedy. Genau genommen mögen Sie den gar nicht. Wie kommt das?

Dietmar Wischmeyer: Die Begriffe Comedy und vor allem Comedian sind leider durch ihre ganzen unsäglichen Teilnehmer negativ belegt. Seit zwanzig Jahren ist Comedy der einzige Begriff für alles, was im TV lustig ist. Der Begriff wird immer mehr verengt auf diese sogenannte Standup-Comedy, die in Wahrheit keine ist, sondern eine "Ein Mann spricht direkt zum Publikum"-Comedy. Verwendet wird das Wort Comedy mangels Alternativen. Was soll man sagen? Humorschaffende? Zu altbacken. Kabarett? Zu politisch angehaucht. Also Comedy sage ich ja auch noch. Aber bei Comedian treibt es mir die grünen Pickel ins Gesicht.

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t-online.de: Es gibt einen Rechtsstreit mit Mario Barth um den Spruch "Nichts reimt sich auf Uschi", den Sie schon während ihrer Zeit beim Frühstyxradio verwendet haben. Wie ist da der Stand der Dinge?

Dietmar Wischmeyer: Der Streit besteht zwischen Mario Barth und einem T-Shirt-Drucker. Wir sind diesem Mann beigesprungen, weil der Spruch gar nicht Mario Barth gehört. Wir hatten den schon Anfang der Neunziger auf T-Shirts gedruckt. Dann gab es ein Verfahren, und das ist noch nicht abgeschlossen. Es wird aber darauf hinaus laufen, dass Barth die Wortmarkenanmeldung, wie es genau heißt, zurückziehen muss und auf den Kosten sitzen bleibt. Interessiert sich eigentlich noch jemand für Mario Barth?

t-online.de: Sie sind ja für einen recht bösen Humor bekannt, von dem sich doch bestimmt viele persönlich angegriffen und beleidigt fühlen. Gab es da seitens des ZDF Vorbehalte gegen Ihre Rubrik in der "heute show"?

Dietmar Wischmeyer: Ich bin sehr erstaunt, was für eine liberale, um nicht zu sagen libertinäre, Gesinnung in der "heute show"-Redaktion herrscht. So stellt man sich das ZDF nun überhaupt gar nicht vor. Die operieren an einer sehr langen Leine. Mir ist kein Fall bekannt, wo das ZDF gesagt hätte, sowas könne man nicht bringen.

t-online.de: Wie weit darf Satire gehen? Wo ist bei Ihnen die Grenze?

Dietmar Wischmeyer: Da gibt’s viele Grenzen. Und die sind für jeden, der Satire macht, ganz unterschiedlich. Also Neger- und Judenwitze sind für alle außer Neger und Juden verboten. Wenn Henryk M. Broder sagt "Vergesst Auschwitz" dann darf Henryk M. Broder das sagen. Ich aber nicht. Letztendlich ist aber alles theoretisch möglich. Kommt immer drauf an von wem.

t-online.de: Was kann man von Dietmar Wischmeyer in Zukunft erwarten?

Dietmar Wischmeyer: Ich schreibe gerade mit Oliver Welke ein Buch mit dem Titel "Frank Bsirske macht Urlaub auf Krk". Allerdings wehrt sich der Verlag mit Händen und Füßen gegen den Titel, weil keiner weiß, was das soll. Es heißt im Untertitel "Deutsche Helden privat" und ist eine Sammlung von ungefähr hundert Personen des öffentlichen Lebens in Deutschland. Darin konstruieren wir fiktive Alltagszenen in denen diese Politiker, Sportler, Promis usw. leben. Im Herbst gehe ich dann auf Lesereise, und es ist diesmal geplant, auch in den Süden abzuwandern.

t-online.de: Wie viele Auftritte in der "heute show" sind geplant?

Dietmar Wischmeyer: Ungefähr einer pro Monat.

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