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DUH-Chef im Interview: Dieselfahrverbote sind "offenbar notwendig"


DUH-Geschäftsführer Jürgen Resch
"Die Kanzlerin verliest den Sprechzettel der Autoindustrie"

InterviewVon Markus Abrahamczyk

Aktualisiert am 31.05.2018Lesedauer: 5 Min.
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Jürgen Resch: Der Geschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe (DUH) geht mit Bundesregierung und Autoindustrie hart ins Gericht.Vergrößern des Bildes
Jürgen Resch: Der Geschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe (DUH) geht mit Bundesregierung und Autoindustrie hart ins Gericht. (Quelle: Deutsche Umwelthilfe)

Sein Verband mischt Regierung und Autobauer auf: DUH-Geschäftsführer Jürgen Resch über Taschenspielertricks der Koalition – und warum nun selbst der EU-Kommission der Kragen platzt.

Dicke Luft in Berlin: Im dritten Jahr der Dieselkrise sucht die Regierungskoalition noch immer nach einer gemeinsamen Linie. Wie werden die manipulierten Autos sauber? Und wer bezahlt dafür? Bundeskanzlerin Merkel beharrt darauf: Eingriffe in die Software manipulierter Dieselautos lösen das Problem – und ist sich darin mit der Autoindustrie einig.

Dass Softwareupdates keine Lösung sind und schon gar nicht eine legale, ist der Standpunkt der EU-Kommission und der Deutschen Umwelthilfe (DUH). Im Gespräch mit t-online.de erklärt DUH-Geschäftsführer Jürgen Resch, warum an Eingriffen in die Hardware kein Weg vorbei führt.

t-online.de: Herr Resch, die Dieselkrise dauert nun drei Jahre, die Diskussion um schlechte Luftwerte noch länger. Die EU-Kommission zerrt Deutschland deshalb vor den Richter. Waren Sie überrascht?

Jürgen Resch: Nein. Die EU konnte gar nicht anders handeln. Denn sie hat ja schon andere Länder wegen schlechter Luft angeklagt, zum Beispiel Bulgarien. Und es kann nicht angehen, dass man ein armes Land anklagt und dann bei Deutschland zurückschreckt. Interessant ist, dass alle Versuche von Kanzlerin Merkel, die EU davon abzubringen, gescheitert sind. Die EU hat diese Versuche genauso bewertet wie wir: als heiße Luft.

Zum Beispiel brachte die damals geschäftsführende Regierung im Februar plötzlich die Idee kostenloser Busse und Bahnen ins Gespräch. Nicht besonders durchdacht, sagten Kritiker.

Da gehe ich noch weiter. Die Bürgermeister hören morgens im Radio, dass die Kanzlerin in ihrer Stadt kostenlosen Nahverkehr haben möchte. Und auf die Frage, wer das bezahlt, sagt die Regierung: "Darüber haben wir nicht nachgedacht. Das müsst ihr schon selber zahlen." Das zeigt, wie unseriös der Gedanke war.

Was war denn dann die Absicht dahinter?

Es ging nur darum, kurzfristig eine Entscheidung der EU-Kommission zu verzögern. Das hat in den Städten zu massiver Verärgerung geführt, weil man das Manöver als Taschenspielertrick der Regierung bewertet hat.

Warum scheint auf der anderen Seite die Autoindustrie keine Maßnahmen befürchten zu müssen?

Die Regierung hat sich zu einer Autokratie entwickelt. Sie vertritt nicht mehr die Interessen des Volkes, sondern die Interessen der Autoindustrie. Warum verweigert sie 10 Millionen Betroffenen mit einem Betrugs-Diesel die Nachrüstung auf Kosten der Hersteller? Das steht den Menschen zu. In den USA wird diese Auflage durchgesetzt. Und dort akzeptieren Audi, Porsche und Volkswagen diese Auflage. Die Arbeit unserer Bundesregierung können Sie an den Luftwerten ablesen – und die sind sehr schlecht.

... Und führen nun, zehn Jahre nach Beschluss der Luftreinheitswerte im Jahr 2008, zur Klage der EU-Kommission.

Genau. Die Regierung unternimmt praktisch alles, um von ihrer Dieselförderpolitik nicht abzuweichen. Aber genau das fordert die EU: dass Deutschland Dieselfahrverbote erlässt, dass die einseitige Dieselvergünstigung abgeschafft wird und ähnliches. Jetzt, mit dreimaliger Verzögerung, geht die EU-Kommission vor den Europäischen Gerichtshof.

Die Kommission will kurzfristige Maßnahmen und Effekte sehen. Wie könnten die aussehen?

Die Luftqualität muss in diesem Jahr noch die Grenzwerte erreichen. Das geht nur, indem man, auf welchem Weg auch immer, schmutzige Diesel nicht mehr in die Städte lässt. Es gibt übrigens Alternativen zu einem Fahrverbot. Man könnte wie in London, Stockholm oder Kopenhagen durch eine City-Maut schmutzige Diesel mit hohen und saubere Fahrzeuge mit niedrigen Gebühren belegen. Eine einmalige Einfahrt eines schmutzigen Busses kostet in London 200 Pfund Maut. So erreicht man eine ähnliche Wirkung wie durch Fahrverbote.

Zumindest für Hamburg kommen auch die kurzfristigsten Maßnahmen zu spät. Dort treten erste Fahrverbote gerade in Kraft. Wann werden andere Städte folgen?

Damit rechne ich für September bis Oktober.

Diese Verbote, die aus Klagen der DUH resultieren, sollen Druck auf die Autohersteller erzeugen, damit sie saubere Autos bauen und die Gesetze einhalten. Ein seltsamer Weg.

Aber offenbar notwendig. Die Politik erweist sich als unfähig, die Gesetze durchzusetzen, deswegen werden wir das auf dem Rechtsweg tun. So sieht es ja eine Demokratie vor: dass strittige Rechtsfragen vor Gerichten geklärt werden und nicht in Hinterzimmern wie bisher. Und deswegen bringen wir diese Fragen vor nationale und europäische Gerichte. Bisher haben wir jeden Prozess zur Luftreinhaltung gewonnen. Aber es stimmt: Schade, dass wir den Staat per Gerichtsurteil zwingen müssen, seine eigenen Gesetze einzuhalten.

Hat sich durch die Gerichtsurteile, die Sie erstritten haben, die Denkweise der Politiker und Autohersteller geändert?

Nein.

Woran machen Sie das fest?

Vor kurzem hat die Industrie das deutlich gemacht. Sie hat gesagt: Wir wollen nicht vom Umweltbundesamt kontrolliert werden und auch nicht vom Staat. Wir kontrollieren uns selbst, das reicht aus. Und der Staat akzeptiert das sogar. Das ist sehr beschämend.

Auch in einem anderen Punkt sind Merkel und Autobauer einer Meinung: Software-Updates sollen die manipulierten Autos sauber kriegen, die Hardware bleibt unberührt.

Damit bricht die Kanzlerin den Koalitionsvertrag. Darin ist beschlossen: Über technische Nachrüstungen wird entschieden, wenn die Entscheidung einer bestimmten Experten-Arbeitsgruppe vorliegt. Seit Merkels Festlegung auf Software-Updates ist übrigens jede Sitzung dieser Arbeitsgruppe abgesagt worden.

Frau Merkel erklärte ihre Ablehnung kürzlich im Bundestag. Eines ihrer Argumente: Alle Ingenieure müssten sich zwei bis drei Jahre lang mit der Hardware-Lösung beschäftigen.

Völliger Blödsinn. Die Ingenieursleistung für diese Systeme ist schon erbracht. Die sind fertig entwickelt. Und die Kosten sind auch relativ niedrig. Aber die Kanzlerin liest den Sprechzettel des VDA vor, des Verbands der Autoindustrie. Da zieht es einem die Schuhe aus! Sie trägt die Position der Autoindustrie vor, die nicht gedeckt wird durch das Verkehrsministerium, nicht durch das Umweltbundesamt und natürlich auch nicht durch die Fachleute.

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Was sagen denn die Fachleute?

Dass so eine Nachrüstung ganz einfach ist. Das wird zum Beispiel bei Bussen seit Jahren gemacht. Die Technik dafür ist 25 Jahre alt. Wir schätzen, das kostet 1.500 Euro pro Auto – und dann sind die Menschen von den Fahrverboten befreit.

Die DUH meint, dass an Hardware-Eingriffen gar kein Weg vorbei führt – zumindest kein erlaubter.

Nicht nur wir. Auch die EU hält das Verhalten des Kraftfahrt-Bundesamts und der Bundesregierung bei den formalen Zulassungs- und Kontrollverfahren für illegal. Wir haben in dieser ganzen Angelegenheit ein Staats- und Industrieversagen historischen Ausmaßes. Und wir sehen keine Änderung.

Der EU geht es um einen Aspekt mit weitreichenden Konsequenzen: die Typgenehmigungen für ältere Autos mit Schummel-Diesel. Ein nicht ganz einfaches Thema.

Es ist so: Die Kanzlerin sagt, alle Autofahrer sollen sich mit Software-Updates begnügen. Mit diesem Update bleibt ein Euro-5-Auto ein Euro-5-Auto. Von Fahrverboten wird dieses Auto dann betroffen sein – obwohl es ein Software-Update bekommen hat.

Jürgen Resch wurde am 31. März 1960 in Plochingen (Baden-Württemberg) geboren. Seit der Jugend engagiert er sich im Naturschutz, Anfang der 1980er Jahre übernahm er leitende Funktionen beim Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND). 1982 deckte Resch ein durch das Pestizid Endrin verursachtes Vogel-Massensterben auf und startete eine Kampagne für ein bundesweites Verbot der Substanz. Endrin ist seit 1982 verboten. 1986 wurde Resch Assistent des Bundesvorsitzenden der DUH. Seit 1988 ist er Bundesgeschäftsführer der Organisation.

Sie sagen außerdem, das ist nicht nur nutzlos, sondern sogar illegal.

Genau. Die betroffenen Autos haben nämlich keine Typgenehmigung mehr und brauchen eine neue. Die gibt es nur für Autos, wenn sie die aktuell gültige Euro-6-Norm erfüllen. Sie können für ein älteres Auto nicht mehr auf anderem Wege eine Typgenehmigung erhalten. Diese Autos müssen also auf Euro-6 umgerüstet werden, was ausschließlich mit Hardware-Updates möglich ist. Alles andere wäre illegal. Das sagt auch die EU-Kommission.

Warum beharrt Merkel dennoch auf Software-Updates?

Spätestens seit Angela Merkel als Autokanzlerin ins Amt gekommen ist, vertritt die Regierung sehr, sehr einseitig nur noch die Interessen der großen Konzerne. Selbst nach der Aufdeckung des VW-Skandals betreibt sie in Brüssel massiv Lobbyarbeit: Absenkung künftiger Grenzwerte, keine Tests durch Dritte, keine Kompetenzen für die EU. Oder schauen Sie in den Koalitionsvertrag. Darin steht über die Nach-Tests bereits zugelassener Autos: Diese Tests sollen von einer Organisation durchgeführt werden, die zu 100 Prozent von der Autoindustrie finanziert und getragen wird. Das zeigt doch, wofür man sich einsetzt: nicht für die Menschen, sondern für betrügerische Unternehmen.

Herr Resch, vielen Dank für das Gespräch.

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