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Carsten Maschmeyer kritisiert Regierungsarbeit: "Maximal Durchschnitt"


Maschmeyer über Corona-Krise
"Maximal Durchschnitt": TV-Investor kritisiert Regierungsarbeit

InterviewVon Markus Abrahamczyk

Aktualisiert am 03.06.2020Lesedauer: 6 Min.
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Unternehmer und TV-Investor Carsten Maschmeyer (60): Autohersteller sollten Kaufprämie an den Staat zurückzahlen müssen.Vergrößern des Bildes
Unternehmer und TV-Investor Carsten Maschmeyer (60): Autohersteller sollten Kaufprämie an den Staat zurückzahlen müssen. (Quelle: Future Image/imago-images-bilder)

Unternehmer Carsten Maschmeyer gibt der Regierungsarbeit in der Corona-Krise schlechte Noten. Was er von einer Kaufprämie für Autos hält, erklärt der TV-Investor im Exklusiv-Interview mit t-online.de.

Führende Wirtschaftsforscher lehnen eine Kaufprämie für Neuwagen ab. Es sei obszön, Geld auszugeben, damit Güter vernichtet werden. Außerdem gebe es bereits eine Kaufprämie für Elektroautos. Und Neuwagen mit Verbrennungsmotor zu fördern, würde dem Klimaschutz nicht helfen.

Auch dass die Spitzen der Industrie eine neue Abwrackprämie nicht etwa als Vorschlag ins Spiel bringen, sondern schlicht und einfach fordern, hat ihnen keine Sympathiepunkte beschert.

Der parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion, Carsten Schneider, etwa warf der Autolobby ein "dreistes Auftreten" vor. Trotz großer Gewinne in den vergangenen Jahren habe die Industrie nötige Innovationen verschlafen.

TV-Investor Carsten Maschmeyer ("Die Höhle der Löwen") hingegen hält Hilfe für die Autoindustrie für notwendig und sinnvoll – sofern sie anders gestaltet wird als die Kaufprämie aus dem Jahr 2009. Eine Kaufprämie dürfe nicht dazu genutzt werden, die Konzerngewinne zu erhöhen.

Wie Maschmeyer der Wirtschaft aus der Krise helfen würde und wie sein Corona-Alltag aussieht, erzählt er t-online.de im Interview.

t-online.de: Herr Maschmeyer, die Autoindustrie fordert in der Corona-Krise eine staatliche Kaufprämie für ihre Autos, um die Nachfrage anzukurbeln. Was halten Sie von dieser Forderung?

Carsten Maschmeyer: Die Autobranche ist eine der wichtigsten Säulen der Wirtschaft unseres Landes. Millionen Jobs, inklusive der Zulieferer und Service-Firmen hängen davon ab. In der Krise dieser großen Industrie jetzt zu helfen, indem der Staat einen Kaufanreiz schafft, ist notwendig und bei intelligenter Gestaltung sinnvoll. Jedoch müssen auch Notleidende anderer großer Wirtschaftszweige unterstützt werden.

Schon 2009 gab es eine solche Kaufprämie. Kritiker sagten danach: Es wurde sehr viel Geld ausgegeben – und sehr wenig erreicht. Was müsste diesmal anders laufen?

Das muss man differenziert betrachten. Die Abwrackprämie war ein deutscher Exportschlager und wurde von vielen Ländern kopiert. Sie hat 2009 eine Katastrophe am weltweiten Automarkt verhindert. Die Branche hat in den Jahren danach Rekordumsätze gemacht und bestens verdient.

Eine Schwachstelle war, dass in Deutschland vorrangig ausländische Autobauer die Nutznießer waren und sie damals sogar elf Prozent Marktanteil dazugewonnen haben. Denn meist wurden eher kleinere Autos von Fiat, Hyundai oder Suzuki gekauft, die deutschen Autobauer Mercedes, BMW, Audi & Co. haben wenig profitiert. Das war sicher nicht im Sinne des Erfinders.

Ein weiterer Kritikpunkt lautete damals: Die Kaufprämie wäre nicht höher als gängige Rabatte – die dann nicht mehr gewehrt würden. Die Prämie war also eine indirekte Subventionsmaßnahme. Wie ließe sich das verhindern?

Hierzu zwei Ideen: Es bräuchte einen Mechanismus, der die staatlichen Prämien an die Händlerrabatte koppelt. Der Staat könnte beispielsweise innerhalb eines definierten Rahmens die Rabatte spiegeln: Gibt der Händler zehn Prozent Rabatt, gibt der Staat nochmal zehn Prozent Prämie oben drauf. Oder als alternative Überlegung: Man senkt die Mehrwertsteuer für Autos. Für Käufer wäre das Auto dann günstiger, der Händler hätte den gleichen Preis, weil die Mehrwertsteuer ein durchlaufender Posten ist. Statt Abwrackprämie sollte es eine echte Modernisierungsprämie sein, mit der man eher umweltfreundliche Autos berücksichtigt. Das wäre für die Neuzulassung ein Turboeffekt und würde den Umstieg auf ökologischere Autos beschleunigen.

In den Jahren, die auf die Abwrackprämie folgten, erzielten die Hersteller gigantische Gewinne.

Die Gesamtsumme der Abwrackprämien, die 2009 gezahlt wurden, betrug 4,8 Milliarden Euro. Das war das Geld aller Steuerzahler. Allein VW, BMW und Mercedes haben in den zehn Jahren danach 230 Milliarden Euro Gewinn gemacht. Davon haben ihre Aktionäre – die oftmals im Ausland sind – mitprofitiert. Das ist nicht okay. Die Prämien hätten an den Staat und somit an den Steuerzahler zurückfließen müssen. Das sollte jetzt zur Bedingung gemacht werden. Eine neue Modernisierungsprämie müsste von den Autoherstellern – sobald sie können – an den Staat zurückgezahlt werden. Auch die Corona-KfW-Kredite (Kreditanstalt für Wiederaufbau) sind echte Kredite. Diese Darlehen dienen ausschließlich dazu, eine Krise zu überstehen – und nicht, um die Konzerngewinne zu erhöhen.

Die deutsche Autoindustrie steht vor schweren Zeiten – das stand schon vor Corona fest. Wie schätzen Sie ihre Chancen für die Zukunft ein?

Ich glaube immer noch an die deutsche Automobil-Ingenieurskunst und an ihre Zukunft, trotz der starken Konkurrenz durch beispielsweise Tesla. Ich finde: Es müsste eigentlich einfacher sein, Weltklasse-Autos zu digitalisieren, als Computer zu automobilisieren. Aber wir müssen uns beeilen, denn die US-Konzerne haben bei E-Mobilität und dem autonomen Fahren schon einen ernstzunehmenden Vorsprung, vor allem bei der Datenanalyse und -vernetzung. Jetzt dürfen die deutschen Autobauer durch die Corona-Nebenwirkungen nicht auch noch gezwungen sein, bei diesen zukunftsweisenden und notwendigen Innovationsentwicklungen zu sparen. Dann hätten wir das Rennen für immer verloren.

Was würden Sie tun, um Deutschlands Wirtschaft aus der Corona-Krise zu führen?

Die Hilfen sollten so investiert werden, dass zum einen unsere sehr gute, gegenwärtige Wirtschaftsstruktur aufrechterhalten wird. Da zählt die Autoindustrie unbedingt dazu, aber auch der deutsche Mittelstand in anderen Branchen und die vielen oftmals inhabergeführten "Hidden Champions". Logischerweise sollten vorrangig jene Branchen gefördert werden, wo die meisten Arbeitsplätze gefährdet sind und viele Unternehmen vor dem Aus stehen. Beispielsweise im Reise- und Veranstaltungssektor. Zum anderen müssen wir unsere Zukunft retten. Deswegen sollten wir unseren jungen, innovativen Start-ups helfen. Gerade unsere Tech-Gründer von digitalen Geschäftsmodellen schaffen die Arbeitsplätze von morgen und sichern unsere Wettbewerbsfähigkeit für die Zukunft. Wenn wir das verschlafen, wird der Rückstand auf die USA noch größer. Und auch China wird uns für immer überholen.

Die vermutlich kommende Kaufprämie ist nur eine von vielen Regierungsmaßnahmen in der Corona-Krise. Wie bewerten Sie deren bisherige Arbeit?

Mein Urteil: maximal Durchschnitt. Es gibt zu viele unterschiedliche Maßnahmen zu absolut gleichen Infektionsgefahren, sodass ich das Gefühl nicht loswerde, dass bei den Lockerungen auch der anstehende Wahlkampf mitschwingt. Es würde mich freuen, wenn mehr einheitliche Richtlinien erlassen werden wie die bundesweite Maskenpflicht – die es dann aber auch ausreichend geben muss.

Die Pandemie trifft uns nicht nur als Gesellschaft – sondern natürlich auch ganz privat in allen Bereichen. Wie gehen Sie selbst damit um?

Weil die Geschäftsreisen nur sehr eingeschränkt möglich sind, habe ich mich schon damit abgefunden, dass ich Mitarbeiter und Gründer seit Monaten nicht mehr persönlich treffen kann. An ausschließlich Videokonferenzen mit Zoom, Skype & Co. habe ich mich längst gewöhnt. Bisher konnte ich mir nicht vorstellen, in Start-ups zu investieren, wo ich die Gründer nicht persönlich kennengelernt habe. Aber: Im April habe ich mit unserem Wachstumsfonds ALSTIN II in ein Start-up investiert, wo ich die Gründer noch nie live gesehen habe. Ein sehr schlüssiges Geschäftsmodell verliert nicht durch einen Videocall an Attraktivität.

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Bisher bin ich zu fast sämtlichen Meetings quer durch die Republik gereist. Das werde ich zukünftig weniger machen. Die eingesparte Reisezeit werde ich in gute, produktive Zeit eintauschen. Und es ist auch schön, einige Calls von Zuhause aus machen zu können und so werde ich auch zukünftig nah bei der Familie sein. Und eine Erfahrung, die ich in allen meinen Gesellschaften mache: Home-Office in der Breite klappt viel besser, als die Skeptiker uns weis machen wollten.

Wie wird die Corona-Krise unser Leben darüber hinaus verändern?

Eines steht fest: Die Welt wird nach Corona eine andere sein. In manchen Bereichen wird uns klar werden, dass die Versorgungssicherheit zukünftig wichtiger ist, als dass der letzte Cent durch eine Produktion in Fernost gespart wird. Deshalb werden wir in manchen Bereichen die Produktion zurück ins Land holen und nationaler Eigenversorger werden, speziell bei Pharma- und Medizinprodukten. Außerdem werden internationale Lieferketten regionaler. Es wird also eine Art De-Globalisierung geben, weniger Güter- und Berufsverkehr.

Gleichzeitig werden wir als Land einen deutlichen Digitalisierungsschub erfahren. Selbst ältere Menschen kaufen jetzt online. Schön wäre es, wenn Verwaltungsabläufe jetzt digitalisiert werden und das Ziehen einer Nummer im Bürgeramt oder ein ausgedrucktes Rezept hoffentlich bald der Vergangenheit angehören. Ich hoffe, dass auch die letzten Firmen und alle Behörden jetzt endlich zu einer konsequenteren Digitalisierung bereit sind. Dann hätte die Krise sogar ihr Gutes.

Herr Maschmeyer, vielen Dank für das Gespräch.

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