Heuschnupfen kann sich zu Asthma entwickeln
WĂ€hrend sich viele Menschen ĂŒber die milden Temperaturen freuen und den FrĂŒhling genieĂen, mĂŒssen andere niesen. Die Nase lĂ€uft, die Augen trĂ€nen, aber wer geht schon wegen ein bisschen Schnupfen zum Arzt? Doch der scheinbar harmlose Heuschnupfen kann in vier von zehn FĂ€llen zu Asthma fĂŒhren.
Umweltverschmutzung und Klimawandel verschÀrfen das Problem: Die Pollen werden immer aggressiver - und fliegen bei steigenden Temperaturen schon fast rund ums Jahr. Studien zufolge steigt die Zahl der Asthmatiker weltweit.
Unbehandelt leidet die Lungenfunktion
Oft wird die Erkrankung nicht ernst genommen. "Wenn man die EntzĂŒndung nicht kontrolliert, wird das Gewebe steifer, Folge ist eine eingeschrĂ€nkte Lungenfunktion", warnt Carsten Schmidt-Weber, Direktor des Zentrums Allergie & Umwelt (ZAUM) von Technischer UniversitĂ€t und Helmholtz Zentrum MĂŒnchen. "Das allergröĂte Problem ist bei Allergie die Bagatellisierung. Deshalb werden die Allergiker immer mehr allein gelassen mit ihrer Erkrankung."
Allergen-Analyse ist fĂŒr Ărzte nicht lukrativ
Obwohl es immer mehr Patienten gibt, nimmt in Deutschland die Zahl der behandelnden Praxen ab, ergab eine Studie 2013. Schmidt-Weber nennt das besorgniserregend. "Das Problem ist, dass es sich fĂŒr Ărzte nicht lohnt, einen Allergiepatienten zu behandeln." Denn das bedeutet hohen Zeitaufwand bei geringer Bezahlung. "Es ist Detektivarbeit. Ărzte können sich das fast nicht mehr leisten."
Langwierige Tests, oft gar ein Krankenhausaufenthalt, sind nötig, um das spezielle Allergen herauszufinden: die unterschiedlichsten Pollen von BĂ€umen und GrĂ€sern, Tierhaare oder Hausstaubmilben können hinter denselben Beschwerden stecken. Auch das Unkraut Ambrosia, das mit Vogelfutter aus Nordamerika eingeschleppt wurde und sich ĂŒber Ungarn in ganz Europa ausgebreitet hat, kann Allergien auslösen.
Bei Asthma reagiert das Immunsystem ĂŒber
Ein ausgeglichenes Immunsystem ignoriert diese Allergene. Die Abwehr des Asthmatikers aber bekÀmpft den vermeintlichen Feind mit aller Kraft: Die Atemmuskulatur verkrampft, die Schleimhaut der Bronchien schwillt und es folgt Atemnot. Zur Behandlung bleiben Hyposensibilisierung oder Medikamente wie CortisonprÀparate.
Es gibt auch nichtallergisches Asthma. Die Gene spielen eine Rolle, aber auch Umweltbedingungen wie Schimmel, Feuchtigkeit oder das Rauchen. Der schlimmste Fall ist laut Schmidt-Weber: "Wenn Menschen nicht mehr auf Therapie ansprechen. Sie verursachen 80 Prozent der Gesundheitskosten des Asthmas."
Bauernhof-Kinder sind weniger gefÀhrdet
Kinder leiden fast doppelt so hÀufig an Asthma wie Erwachsene, jedes zehnte Kind ist betroffen. Denn bei ihnen sind die Atemwege noch besonders anfÀllig - und sie sind hÀufig erkÀltet. Bei der HÀlfte der Kinder klingen die Beschwerden somit in der PubertÀt ab.
Auch bei den kleinen Patienten steigen die Zahlen, nur in einigen Gegenden scheint ein Peak erreicht. "Es sind Risikofaktoren dazugekommen wie Verkehr, und Schutzfaktoren haben abgenommen", sagt Bianca Schaub, OberĂ€rztin am Haunerschen Kinderspital des Klinikums der Ludwigs-Maximilians-UniversitĂ€t MĂŒnchen. Die Mediziner dort wiesen den "Bauernhofeffekt" nach: Kinder, die auf dem Bauernhof groĂ werden, viele Ă€ltere Geschwister haben oder frĂŒh in einer Krippe sind, erkranken seltener an Asthma und Allergien.
Das Team an der Asthma- und Allergieambulanz des Kinderspitals sieht einen Zusammenhang zwischen dem Kontakt mit vielfĂ€ltigen Mikroorganismen. Damit werde das Immunsystem frĂŒhzeitig gestĂ€rkt.
Baby-Nahrung könnte bald Asthma bekÀmpfen
Nun forschen die Wissenschaftler fieberhaft, inwieweit sich die Medizin diese positiven Folgen mikrobieller Vielfalt in den ersten Lebensjahren eines Menschen zunutze machen kann. Eine Idee ist, Baby-Nahrung, etwa Milchpulver, mit Bestandteilen zu versehen, die der mikrobiellen Vielfalt auf dem Land Ă€hneln. Die Voraussetzung dafĂŒr ist, dass Infektionsrisiken ausgeschlossen werden können. FrĂŒhestens in zehn Jahren könnte möglicherweise eine solche frĂŒhkindliche "Immunisierung" gegen Allergien mit der Babynahrung möglich sein, schĂ€tzt Schaub.
Asthmatiker-Rate lÀsst Mediziner rÀtseln
Trotz steigender Patientenzahlen melden die Ărzte Fortschritte, denn die Zahl der TodesfĂ€lle geht hierzulande zurĂŒck. Starke Allergiker - auch jene, die auf Lebensmittel oder Bienenstiche mit allergologischem Schock reagieren - können sich mit einer Spritze selbst helfen.
Vieles ist bis heute ungeklĂ€rt. Mediziner hatten gehofft, dass mit besseren Luftwerten die Zahl der Asthmatiker sinken werde - das Gegenteil war der Fall. RĂ€tselhaft bleibt auch die hohe Zahl der Asthmatiker in GroĂbritannien: Gut 15 Prozent der Menschen sind dort betroffen, doppelt so viele wie in Deutschland. Vielleicht sind die grĂŒnen Wiesen schuld. "Die Graspollen sind in England ein groĂes Problem. Wir wissen aus unseren Messungen, dass der Allergengehalt in den Pollen in England besonders hoch ist", sagt Schmidt-Weber. Das sei aber nur eine These. "Es wĂ€re dringend nötig, dass wir mehr Forschung betreiben."
Urbane RĂ€ume sind nicht an Allergiker angepasst
WĂ€hrend Ărzte Alarm schlagen, fragen Stadtplaner und Politiker bei der BegrĂŒnung der StĂ€dte kaum nach Pollenflug und Allergien. Birken und Erlen, aber auch Pappeln und Weiden gelten teils als hochallergen - und zieren weiter Parks und StraĂenrĂ€nder. "Ich verstehe nicht, dass gerade in den urbanen RĂ€umen diese BĂ€ume nicht eingeschrĂ€nkt werden und dass wir uns nicht damit beschĂ€ftigen, allergiearme Pflanzen zu zĂŒchten", sagt Schmidt-Weber. Er hĂ€lt auch gesetzliche BeschrĂ€nkungen fĂŒr möglich: "Ich weiĂ nicht, ob Birken und Erlen so schön sind, dass wir sie ĂŒberall in den StĂ€dten herumstehen haben mĂŒssen."