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Experte über Diabetes-Therapien: Diese neuen Medikamente machen Hoffnung


Diabetologe informiert
Diese Medikamente machen Diabetikern Hoffnung

Ein Interview von Andrea Goesch

Aktualisiert am 30.08.2023Lesedauer: 3 Min.
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Blutzuckersenkende Tabletten und Insulintherapie gehören zwar immer noch zum Standard der Diabetes-Therapie. Doch es gibt bereits viele Alternativen.Vergrößern des Bildes
Blutzuckersenkende Tabletten und Insulintherapie gehören zwar immer noch zum Standard der Diabetes-Therapie. Doch es gibt bereits viele Alternativen. (Quelle: turk_stock_photographer/getty-images-bilder)

Die Behandlung von Typ-2-Diabetes hat sich dank neuer Wirkstoffe stark verbessert. Sie könnten möglicherweise bald in Tablettenform eingenommen werden.

Die Rede ist von den so genannten GLP-1-Agonisten und den SGLT-2-Hemmern, die neben der klassischen Insulintherapie bei der Behandlung von Diabetes-Typ-2 eingesetzt werden.

Im Interview erklärt der Berliner Diabetologe Dr. Martin Scherwinski, für wen die Behandlungsmethoden geeignet sind und welche Therapien zukünftig bei Diabetes sonst noch eine Rolle spielen könnten.

t-online.de: Medikamente mit neuartigen Wirkmechanismen wie die GLP-1-Analoga konnten die Therapie der Stoffwechselerkrankung erheblich verbessern. Können Sie beschreiben, wie sie wirken?

Dr. Martin Scherwinski: Die Diabetes-Behandlung für Typ 2 hat in den vergangenen zehn Jahren tatsächlich große Fortschritte gemacht. Die Inkretin-Analoga sind gerade Gegenstand intensiver Forschung, die noch lange nicht abgeschlossen ist. Im Einsatz an Patienten befindet sich derzeit ausschließlich ein Inkretin, die GLP-1-Analoga.

Inkretine und Inkretin-Analoga:
Inkretine sind Hormone, die im Darm gebildet werden und den Blutzucker unter anderem durch die Stimulierung der Insulin-Ausschüttung in der Bauchspeicheldrüse regulieren. Wichtige Vertreter sind das Glucagon-like-Peptid 1 (GLP1) und das Glucose-dependent insulinotropic peptide (GIP). Inkretin-Analoga dagegen sind Medikamente, die in der Diabetes-Therapie eingesetzt werden. Sie ahmen die Wirkung des natürlichen Inkretinhormons GLP-1 nach und senken auf diese Weise den Blutzucker ohne Gefahr der Unterzuckerung.

Interessant ist, dass die Inkretin-Analoga neben ihrem blutzuckersenkenden Effekt eine zusätzliche positive Wirkung für den Patienten haben. So konnte in den Zulassungsstudien gezeigt werden, dass die Patienten Gewicht verlieren. Außerdem konnte in dem für Patienten wichtigen Feld der kardiovaskulären Erkrankungen eine Senkung der Erkrankungs- und Sterbezahlen gezeigt werden.

Was ist anders im Vergleich zur herkömmlichen Insulintherapie?

Angenehm für die Patienten ist, dass viele GLP-1-Analoga nur einmal wöchentlich gespritzt werden müssen. Im Gegensatz zum Insulin, dass häufig bis zu viermal am Tag gespritzt werden muss. Eine Substanz aus den GLP-1-Analoga wurde sogar soweit entwickelt, dass sie als Tablette eingenommen werden kann. Diese ist aktuell in Deutschland noch nicht erhältlich, schätzungsweise aber 2021. Beide Formen sind für alle Diabetes-2-Patienten geeignet.

Doch es wurden noch weitere Medikamente mit neuen Wirkstoffklassen entwickelt. Welche sind das?

Die DPP-4-Hemmer sind ältere Medikamente und den GLP-1 in ihrer Wirkung und ihrem Zusatznutzen deutlich unterlegen. Die SGLT-2-Hemmer sind eine Substanz, die die Glukoseausscheidung mit dem Urin deutlich erhöhen. Durch den verbesserten Zuckerstoffwechsel profitieren die Patienten natürlich enorm. Auch die SGLT-Hemmer sind für alle Diabetes Typ2-Patienten geeignet.

Können die SGLT-2 Hemmer Spätschäden und Folgeerkrankungen besser verhindern?

In den Studien zeigte sich überraschend eine deutliche Senkung von Herzinfarkten, Herzinsuffizienz und Gefäßerkrankungen bei den Patienten. Und ganz wichtig: Die Einnahme des Medikamentes verlangsamte auch das Fortschreiten einer Nierenschwäche, eine der häufigen Komplikationen der Diabetes-Erkrankung.

(Quelle: privat)


Dr. Martin Scherwinski ist Facharzt für Diabetologie und Allgemeinmedizin. Er ist unter anderem Mitglied der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG) und im Bundesverband Niedergelassener Diabetologen (BVND).

Wie beurteilen Sie die Chancen von GLP-Agonisten zur Unterstützung des Gewichtsmanagements bei Menschen ohne Diabetes-Erkrankung?

Ein GLP-1-Agonist hat bereits eine Zulassung zum Einsatz bei adipösen Menschen. Weitere werden aktuell in dieser Indikation geprüft. Der Einsatz von GLP-Agonisten erscheint mir eine vernünftige Option, da das Nebenwirkungsprofil der GLP-Agonisten inzwischen gut bekannt ist und bei Beachtung der Kontraindikationen von einer sehr sicheren Therapie ausgegangen werden kann. Allerdings wird aller Voraussicht nach der Patient die Kosten für das Arzneimittel auch in Zukunft selber tragen müssen.

Muss trotzdem weiterhin täglich Blutzucker gemessen werden?

Nein, das ist dann oft überflüssig. Das ist aber immer eine Einzelfallentscheidung und wird in Abstimmung mit dem Gesamtbehandlungskonzept und dem Patienten besprochen.

Ist das Ende der Insulintherapie in Sicht?

Beim Diabetes Typ-2 wird das nicht in absehbarer Zeit der Fall sein. Den Beginn einer Insulintherapie wird man aus meiner Sicht aber durch ein besseres Gewichtsmanagement hinauszögern und oft auch ganz verhindern können.

Oft können Patienten durch eine Umstellung ihres Lebensstils ihre Blutzuckerwerte in den Griff bekommen. In welchen Fällen ist das möglich?

Bei den meisten Patienten, die gerade ihre Diabetes-Diagnose bekommen haben, wäre es ohne größere Probleme möglich, durch ein verändertes Ernährungs- und Bewegungsverhalten den Diabetes wieder verschwinden zu lassen. Deshalb sehe ich als Diabetologe es als meine Aufgabe an, das Gewichtsmanagement meiner Patienten durch Schulungen und die Wahl geeigneter Medikamente zu unterstützen.

Brauchen Sie eine Auffrischung der Corona-Schutzimpfung?

Die Ständige Impfkommission (STIKO) am Robert Koch Institut (RKI) empfiehlt eine jährliche Auffrischung der Corona-Schutzimpfung für Personen mit einem erhöhten Risiko für einen schweren Krankheitsverlauf. Das gilt für Personen ab 60 Jahren, Bewohner von Pflegeeinrichtungen, Personen mit erhöhtem SARS-CoV-2 Infektionsrisiko wie medizinisches und pflegerisches Personal sowie Personen ab 6 Monaten mit relevanten Grunderkrankungen.

Stichwort "inhalierbares Insulin" und "Stammzellentherapie": Wie ist der Stand der Forschung?

Das Thema "inhalierbares Insulin" ist meines Erachtens durch. Es wird keine bedeutende Rolle spielen, weil die Dosierung und die Anwendung deutlich schwieriger sind als bei der Insulintherapie. Die Stammzellentherapie ist da schon spannender, sie spielt bislang eher bei Diabetes Typ-1 eine Rolle. Die Fortschritte der vergangenen Jahre lassen hoffen, dass wir in Zukunft aus Stammzellen insulinproduzierende Betazellen herstellen können, die auch längerfristig die Injektion von Insulin überflüssig machen.

Glauben Sie, dass Diabetes Typ-2 eines Tages heilbar ist?

In den nächsten Jahren vermutlich nicht. Allerdings haben Patienten mit Diabetes Typ-2 durch die Anpassung ihres Lebensstils gute Chancen, den Diabetes wieder loszuwerden. Das erfordert Disziplin und Willen, aber möglich ist es durchaus und dabei kann meiner Meinung nach der Patient auch zunehmend besser medikamentös unterstützt werden.

Vielen Dank für das Gespräch, Dr. Scherwinski.

Transparenzhinweis
  • Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.
Verwendete Quellen
  • Interview mit Dr. Martin Scherwinski
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