Wie umweltfreundlich sind sie? Forscher entlarven E-Auto-Mythen

Sind E-Autos wirklich umweltfreundlich, günstig und alltagstauglich? Eine neue Analyse des Fraunhofer-Instituts liefert klare Antworten.
Die Elektromobilität ist im Straßenverkehr angekommen. Auf vielen Parkplätzen stehen inzwischen Ladesäulen, zahlreiche Hersteller haben ihre Modellpaletten um batterieelektrische Fahrzeuge erweitert. Trotzdem ist der große Durchbruch vor allem auf dem privaten Markt bislang ausgeblieben; im gewerblichen Sektor (vor allem Dienstwagen) sind die Zahlen besser. Zwar wächst der Bestand an E-Autos – weltweit und auch in Deutschland. Doch das Vertrauen in Technik, Alltagstauglichkeit und Wirtschaftlichkeit scheint noch nicht mitgewachsen zu sein.
Ungeachtet dieser Zurückhaltung ist der politische Fahrplan eindeutig: Deutschland will bis 2045 treibhausgasneutral sein. Ohne eine weitreichende Elektrifizierung des Pkw-Verkehrs ist dieses Ziel laut landläufiger Meinung nicht zu erreichen. Das zeigen nicht nur Strategiepapiere aus Berlin oder Brüssel, sondern auch die Emissionsdaten der vergangenen Jahre.
Forschende des Fraunhofer-Instituts für System- und Innovationsforschung (ISI) haben sich deshalb die aktuellen Fakten zur Elektromobilität vorgenommen. In einer umfassenden Analyse haben sie sich mit aktuellen Studien beschäftigt und sich mit 14 Kernfragen beschäftigt.
1. Zulassungszahlen
Nach Jahren des Wachstums gingen 2024 die Neuzulassungen von E-Autos in Deutschland spürbar zurück – ein Minus von rund 26 Prozent bei den reinen Stromern. Der Rückgang fiel mit dem abrupten Ende staatlicher Kaufprämien zusammen. Auch hohe Strompreise, Debatten um die Ladeinfrastruktur und wirtschaftliche Unsicherheit haben ihren Anteil daran. Allerdings zeigt sich Umfragen zufolge, dass E-Autos – primär gebrauchte – immer mehr an Zuspruch gewinnen.
Global betrachtet setzt sich der Trend fort: In China erreichte der E-Anteil an Neuwagen fast 45 Prozent, weltweit sind es knapp 20 Prozent – Tendenz steigend. Der weltweite Neuwagen-Anteil von E-Pkw dürfte bei Beibehaltung der Klimaschutzanstrengungen bis 2030 auf 40 Prozent und im Jahr 2035 auf mehr als 50 Prozent anwachsen, so die Autoren.
2. Wirtschaftlichkeit
Elektroautos sind in der Anschaffung nach wie vor oft teurer als vergleichbare Verbrenner – zumindest wenn man nur den Kaufpreis betrachtet. Doch auf die gesamte Haltedauer gerechnet, schneiden viele E-Autos günstiger ab. Der Grund: geringere Energie- und Wartungskosten. Hinzu kommen Einsparpotenziale durch das sogenannte gesteuerte oder bidirektionale Laden, also etwa die Rückspeisung von Strom ins Netz. Wobei es hier auch auf den Einzelfall ankommt, unter anderem das Fahrverhalten oder die Ladesituation, wie der ADAC ermittelt hat.
3. Umweltbilanz
Ein häufiges Argument gegen E-Autos: die energieintensive Produktion, insbesondere der Batterien. Tatsächlich verursacht die Herstellung eines Stromers mehr CO2 als die eines Verbrenners. Doch dieser Nachteil wird den Forschern zufolge im Betrieb schnell ausgeglichen – sofern mit Strom aus überwiegend erneuerbaren Quellen geladen wird.
Für ein typisches Mittelklasse-E-Auto ergibt sich laut Fraunhofer ISI über die gesamte Lebensdauer ein Emissionsvorteil von 40 bis 50 Prozent gegenüber Benzinern oder Dieselfahrzeugen. Wird die Batterie nachgenutzt oder recycelt, verbessert sich die Bilanz zusätzlich. Allerdings: Auch E-Autos sind keine "Null-Emission"-Lösung – etwa beim Thema Feinstaub oder Rohstoffabbau bestehen weiterhin Umweltfolgen.
Wenn es um Umweltbelastungen abseits von Abgasen geht, schneiden Elektroautos teils etwas schlechter ab. In einigen Bereichen liegen sie dabei hinter Verbrennern. Einer davon ist Feinstaub. Der Reifenabrieb ist hier die entscheidende Größe. Und dabei ist das höhere Gewicht der Stromer ein Nachteil. Allerdings gebe es Entwicklungen in der Reifentechnologie, die hier helfen könnten, schreiben die Autoren.
4. Reichweite
Moderne Stromer schaffen heute im Schnitt 400 Kilometer mit einer Akkuladung – genug für den Alltag der meisten Nutzer. Auch die Ladezeiten haben sich mit einer wachsenden Zahl an Schnellladesäulen reduziert. Dennoch hält sich die Sorge, man könnte "liegenbleiben" – die sogenannte "Reichweitenangst" steckt immer noch in den Köpfen. Das hängt den Experten zufolge weniger mit der Technik als mit der subjektiven Wahrnehmung zusammen.
Zwar kündigen einige Hersteller Reichweiten von 1.000 Kilometern an, doch das ist teuer erkauft: Mehr Batterie bedeutet mehr Gewicht, höhere Kosten und einen größeren Ressourcenverbrauch. Deshalb plädieren viele Expertinnen und Experten für kleinere Akkus – und ein besseres Ladesystem.

Wie haltbar sind die Akkus?
Eine aktuelle Untersuchung der Unternehmensberatung P3, die sich auf Elektromobilität spezialisiert hat, bringt nun neue Erkenntnisse zur Lebensdauer von Elektroauto-Batterien ans Licht: Sie sind deutlich haltbarer als bisher gedacht. Die Studie basiert auf realen Daten von über 7.000 Fahrzeugen.
5. Recycling
Altbatterien gelten oft als Umweltproblem – und potenzielle Rohstoffquelle zugleich. Tatsächlich zeigen neue Studien: Bis 2035 könnten bis zu 30 Prozent des Bedarfs an Lithium, Nickel und Kobalt durch Recycling gedeckt werden. Voraussetzung: Der Aufbau entsprechender Kapazitäten gelingt.
Außerdem arbeiten Industrie und Forschung an "Second Life"-Konzepten – etwa für die Nutzung gebrauchter Fahrzeugbatterien in stationären Stromspeichern, so die Forscher. Der ökologische Fußabdruck lässt sich dadurch deutlich verringern.
6. Brandschutz
Brennende E-Autos sorgen immer wieder für Schlagzeilen. Doch laut Studien ist die Brandhäufigkeit bei Stromern keineswegs höher als bei Verbrennern – im Gegenteil: Teilweise liegt sie sogar darunter. Der Unterschied: Das Löschen ist aufwendiger, weil spezielle Verfahren nötig sind.
Neue Batterietypen reduzieren dieses Risiko weiter – sie sind thermisch stabiler und schwerer entflammbar. Auch Versicherungen reagieren: Die Prämien für E-Fahrzeuge unterscheiden sich kaum noch von denen konventioneller Modelle.
7. Arbeitsmarkt
Die Automobilindustrie ist im Umbruch. Studien prognostizieren einen Rückgang klassischer Industriearbeitsplätze – etwa bei Getriebe- oder Auspuffherstellern. Die Batteriezellfertigung selbst ist hochautomatisiert und schafft nur begrenzt neue Jobs.
Doch an anderer Stelle entstehen neue Beschäftigungsfelder: im Bereich der Ladeinfrastruktur, der Stromproduktion, der Digitalisierung. Der Umbau ist also kein Nullsummenspiel – aber er erfordert Qualifizierung und gezielte Förderung, so die Experten.
8. Rohstoffe
Lithium, Nickel, Kobalt – die Nachfrage steigt rasant. Laut Fraunhofer ISI sind diese Rohstoffe global grundsätzlich ausreichend verfügbar. Aber: Der Abbau ist geografisch konzentriert, die EU stark abhängig von Importen – vor allem aus China. Recycling kann langfristig helfen, doch der Aufbau eigener Förderketten in Europa bleibt herausfordernd.
9. Zellfertigung
In Europa entstehen neue Batteriefabriken, unterstützt durch staatliche Förderung (gleichzeitig steht das ambitionierte Northvolt-Projekt vor dem Aus). Trotzdem dominieren Asien und die USA weiterhin die Wertschöpfung. Gründe sind unter anderem hohe Energiepreise, bürokratische Hürden und fehlende Produktionsroutinen in Europa. Die internationale Konkurrenz bleibt hart.
10. Lieferketten
Zwar sind Lieferengpässe aktuell nicht das Hauptproblem – die Lieferzeiten für E-Autos sinken sogar. Aber die Konzentration vieler Produktionsschritte in Asien birgt Risiken. Geopolitische Spannungen oder Handelskonflikte könnten schnell zu Engpässen führen. Europäische Hersteller setzen daher zunehmend auf Diversifizierung und eigene Fertigung.
11. Ladeinfrastruktur
Deutschland steht im internationalen Vergleich beim Ausbau der Ladeinfrastruktur gut da – insbesondere beim Schnellladenetz. Entscheidender für den Alltag ist aber die Verfügbarkeit am Wohnort oder Arbeitsplatz. Gesetzliche Vorgaben fördern den Ausbau, etwa bei Supermärkten. Dennoch bleibt das Netz regional unterschiedlich.
12. Batterien als Speicher
Bidirektionales Laden – also die Nutzung der Fahrzeugbatterie als mobiler Speicher – kann künftig helfen, das Stromnetz zu stabilisieren. Auch für Nutzer ergeben sich Einsparpotenziale, etwa durch Eigenverbrauch aus der Solaranlage. Technisch ist vieles möglich, doch regulatorische Hürden und fehlende Standards bremsen die Anwendung bislang.
13. Soziale und ökologische Standards
Die Gewinnung von Rohstoffen ist oft mit Umwelt- und Sozialproblemen verbunden. Gesetzliche Regelungen wie das Europäische Lieferkettengesetz sollen für mehr Transparenz sorgen. Gefordert sind laut den Experten bessere Kontrollen, Standards und partnerschaftliche Ansätze mit Förderländern.
14. Akzeptanz
Die Zustimmung zur Elektromobilität ist laut Umfragen seit Jahren relativ konstant. Doch der jüngste Rückgang bei den Verkaufszahlen zeigt: Kaufbereitschaft hängt stark von wirtschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen ab. Besonders groß ist das Interesse bei gut verdienenden, urbanen Haushalten – und bei Dienstwagenfahrern.
- isi.fraunhofer.de: "Policy Brief: Update zum Faktencheck und Handlungsbedarf bei Batterien für Elektroautos"
- Mit Material der Nachrichtenagentur dpa
- Archivmaterial
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