Alle Fragen und Antworten im Überblick Wird heute die Dieselkrise beendet?

Die Regierung will die Dieselkrise endlich beenden. Welche Maßnahmen sind geplant? Was kosten sie? Welche Vor- und Nachteile haben sie? Und für wen kommen sie dennoch zu spät?
Inhaltsverzeichnis
- Städtetag fordert umfassendes Konzept
- Hardware-Eingriff für Euro-5-Diesel geplant
- Wer müsste Nachrüstungen an der Abgastechnik bezahlen?
- Was bringen Hardware-Nachrüstungen für die Abgasreinigung?
- Und was sind die Nachteile?
- Und was ist mit nachgerüsteter Abgas-Software?
- Ab wann gelten die Fahrverbote?
- Werden nur einzelne Straßen oder ganze Viertel gesperrt?
- Können Fahrverbote auch auf Benziner ausgeweitet werden?
- Was kosten Verstöße?
- Können weitere Fahrverbote folgen?
- Lassen sich drohende Fahrverbote noch abwenden?
- Welche Autos kauft man nun?
Nach jahrelangen Diskussionen über zu schmutzige Luft in deutschen Städten sollen Einwohner und Millionen Dieselbesitzer endlich Klarheit über Gegenmaßnahmen bekommen. Die Spitzen von Union und SPD wollen sich auf ein Paket einigen, das Dieselfahrverbote in weiteren Städten abwenden soll. Bei einem heutigen Treffen des Koalitionsausschusses geht es um Umtauschprämien von mehreren Tausend Euro und um mögliche Umbauten an älteren Dieselmotoren. Noch sind aber viele Fragen offen.
"Alle Einzelfälle werden wir nicht lösen können", warnt Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) vor zu hohen Erwartungen. Nach seinen Worten dürfte es aber eine Tausch- und eine Nachrüst-Option für ältere Dieselautos in dem Konzept der Regierung geben. Beim Tausch gehe es darum, für einen älteren Diesel mit einer Prämie ein neues oder ein saubereres, gebrauchtes Fahrzeug zu erhalten.
Städtetag fordert umfassendes Konzept
Der Deutsche Städtetag verlangt ein umfassendes Konzept. "Es darf jetzt keine halbherzigen Lösungen mehr geben, die in Kürze wieder ergänzt werden müssen", sagt Hauptgeschäftsführer Helmut Dedy. Anwohner belasteter Straßen, die Städte und die Dieselfahrer bräuchten eine solide Perspektive. Nach quälend langen Diskussionen und mehreren Gerichtsurteilen müsse ein Paket kommen, das die Stickoxidbelastung reduziere und die Industrie in die Pflicht nehme. Dazu gehörten Hardware-Nachrüstungen für Euro-5-Diesel auf Kosten der Hersteller, attraktivere Umtauschprämien und ein Konzept nicht nur für wenige besonders belastete Städte.
Scheuer setzt vorrangig auf neue Anreize, damit mehr Fahrer ihren älteren Diesel der Klassen Euro-4 und Euro-5 in saubere Euro-6-Autos tauschen – Benziner oder Diesel, neue oder gebrauchte. Auch Kanzlerin Angela Merkel (CDU) sieht dies als "Hauptelement" des neuen Konzepts. Offen ist, in welchen Regionen solche Prämien von mehreren Tausend Euro angeboten werden sollen. Kritiker wie Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter halten dagegen: Selbst mit einer Umtauschprämie von ein paar Tausend Euro würden sich viele Dieselfahrer kein neues Auto leisten können.
Hardware-Eingriff für Euro-5-Diesel geplant
Daneben soll für Euro-5-Diesel ein Einbau besserer Abgastechnik an den Motoren ermöglicht werden – das Urteil zu Frankfurt hatte hier für Bewegung gesorgt. Merkel, die lange gegen Hardware-Nachrüstungen argumentiert hatte, öffnete sich angesichts dessen dafür. In Hessen ist am 28. Oktober Landtagswahl. Ungeklärt waren aber Fragen der Haftung für umgerüstete Autos. Außerdem waren die Hersteller vorerst nicht bereit, die kompletten Kosten zu tragen. Die Bundesregierung pochte aber darauf.
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Die Betriebsratsvorsitzenden von VW, Daimler und BMW sprechen sich gegen pauschale Hardware-Nachrüstungen für Dieselfahrzeuge aus. "Wir sind gegen eine Lösung, die einseitig deutsche Hersteller benachteiligen und Arbeitsplätze gefährden würde", erklärten Bernd Osterloh (VW), Michael Brecht (Daimler) und Manfred Schoch (BMW) gemeinsam in der "Bild"-Zeitung. Sie favorisieren Umtauschprämien, um alte Diesel von den Straßen zu verbannen.
Hier finden Sie Antworten auf die wichtigsten Fragen zur Dieselkrise.
Wer müsste Nachrüstungen an der Abgastechnik bezahlen?
Das ist einer der heikelsten Punkte. Überlegungen wurden bekannt, dass Autokonzerne für bestimmte Dieselmodelle bis zu einem Preis von 3.000 Euro bis zu 80 Prozent der Umbaukosten tragen könnten.
Scheuers Modell sah zunächst bei Hardware-Nachrüstungen eine Selbstbeteiligung der Autobesitzer von bis zu 600 Euro vor. Das aber soll nach heftiger auch parteiinterner Kritik wieder einkassiert werden. Finanzminister Olaf Scholz (SPD) machte noch einmal klar, dass die Autohersteller nicht auf Staatshilfe hoffen können: "Ich glaube nicht, dass das ein Thema ist für öffentliches Geld", sagt er. Die meisten Betroffenen könnten sich gar keinen Neuwagen leisten, sondern kauften ein gebrauchtes Fahrzeug. Es müsse sichergestellt sein, dass sie mit dem Auto auch künftig noch überall hinfahren können.
Es bleibe aber, etwa beim Angebot von VW, eine Lücke bei den Kosten, über die man noch sprechen müsse, sagt Scheuer.
Was bringen Hardware-Nachrüstungen für die Abgasreinigung?
Wie bei den Kosten gehen die Schätzungen weit auseinander. Klar ist aber, dass sie den Ausstoß gesundheitsschädlicher Stickoxide mehr senken als Software-Updates. Das Verkehrsministerium rechnet mit 65 Prozent weniger. Die Deutsche Umwelthilfe (DUH), die selbst Abgastests durchführt, spricht von 93 Prozent und mehr.
Und was sind die Nachteile?
Der Spritverbrauch dürfte ein wenig steigen. Die Schätzungen liegen zwischen "nahe Null" bis zehn Prozent. Außerdem gibt es rechtliche Unsicherheiten. Wie sieht es mit Garantien aus? Ist ein nachgerüstetes Euro-5-Auto noch Euro-5, kann oder sollte man es kennzeichnen? Kann man Autofahrer oder Hersteller zu Nachrüstungen zwingen? In diesen Fragen gehen die Meinungen auseinander.
Und was ist mit nachgerüsteter Abgas-Software?
Laut des Verkehrsministeriums gingen für rund 6,3 Millionen Diesel-Pkw Anträge für neue Software zur Abgasreinigung beim Kraftfahrt-Bundesamt ein. Darunter sind 2,5 Millionen Fahrzeuge aus dem VW-Konzern, aus denen illegale Software entfernt werden muss. Hinzu kommen freiwillige Updates, zu denen sich nun auch etliche ausländische Hersteller bereiterklären.
Auf etwa 3,2 Millionen Diesel-Pkw wurden mittlerweile frische Programme installiert. Über die eingeräumten Manipulationen im Fall Volkswagen hinaus waren bei mehreren Herstellern Hinweise aufgetaucht, dass die bestehende Software in bestimmten Fahrsituationen die Reinigung stark herunterregelt. Die Folge: ein höherer Abgas-Ausstoß als angegeben.
Ab wann gelten die Fahrverbote?
In Hamburg trat am 1. Juni 2018 das erste Fahrverbot in Kraft. Im Januar 2019 folgt ein Verbot in Stuttgart . Dann tritt im gesamten Stadtgebiet ein Fahrverbot für ältere Diesel der Abgasnorm Euro-4 und schlechter in Kraft. In Frankfurt/Main gilt voraussichtlich ab Februar 2019 ein Fahrverbot für Diesel von Euro 4 und älter, außerdem für Benziner der Norm Euro-1 und Euro-2. Ab September 2019 gilt das Fahrverbot für Euro-5-Diesel.
Werden nur einzelne Straßen oder ganze Viertel gesperrt?
Beide Varianten sind möglich. In Hamburg sind zwei Straßen betroffen. Sie können umfahren werden. Das Stuttgarter Fahrverbot wird im gesamten Stadtgebiet gelten. Frankfurt wird das Fahrverbot vermutlich auf das Gebiet der bisherigen Umweltzone begrenzen.
Können Fahrverbote auch auf Benziner ausgeweitet werden?
Ja. Auch ältere Benziner mit Abgasnorm Euro 1 oder Euro 2 könnten ausgesperrt werden. Betroffene Autos wurden vor dem Jahr 2001 erstmals zugelassen.
Was kosten Verstöße?
In Hamburg kostet der Verstoß 25 Euro für Pkw und 75 Euro für Lkw. In Stuttgart muss man 80 Euro bezahlen. Frankfurt hat noch keine Summe festgelegt.
Können weitere Fahrverbote folgen?
Rund 70 deutsche Städten haben zu hohe Stickoxidwerte, allen voran München, Stuttgart und Köln. Für die nächsten Monate rechnet die DUH mit Entscheidungen zu Berlin, Köln, Bonn, Gelsenkirchen, Essen, Dortmund, Bochum, Wiesbaden und Darmstadt.
Lassen sich drohende Fahrverbote noch abwenden?
Bundesverkehrsminister Scheuer setzt darauf, dass die Belastung durch ein Milliardenprogramm für die Kommunen in vielen Städten sinkt. Das Programm sieht etwa Maßnahmen für einen besseren öffentlichen Nahverkehr sowie Umrüstungen bei Bussen und kommunalen Fahrzeugen vor.
Welche Autos kauft man nun?
Wer Fahrverbote sicher umgehen will, wählt einen Diesel mit dem Abgasstandard Euro 6d-TEMP bzw. Euro-6d. Andernfalls entscheidet man sich am besten für einen anderen Antrieb.
- dpa-AFX
- ADAC
- Reuters