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Streit eskaliert: Polens Präsident Duda verhöhnt EU mit weiteren Gesetzen


Streit eskaliert
Polens Präsident verhöhnt EU mit weiteren Gesetzen

Aktualisiert am 21.12.2017Lesedauer: 3 Min.
Polens Präsident Andrzej Duda: Noch am Mittwoch unterzeichnete der PiS-Politiker zwei weitere umstrittene Justiz-Reformen.Vergrößern des BildesPolens Präsident Andrzej Duda: Noch am Mittwoch unterzeichnete der PiS-Politiker zwei weitere umstrittene Justiz-Reformen. (Quelle: Czarek Sokolowski/ap-bilder)
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Zum ersten Mal führt die EU ein Strafverfahren gegen eines ihrer Mitglieder. Die Reaktion der polnischen Führung wirkt wie Spott.

Kurz nach der Beantragung eines Strafverfahrens gegen Polen durch die EU-Kommission sind in dem Land zwei weitere umstrittene Justizreformen in Kraft getreten. Staatspräsident Andrzej Duda unterzeichnete am Mittwoch nach eigenen Angaben zwei Reformen, die das Oberste Gericht und den Nationalen Justizrat betreffen. "Wir führen in Polen sehr gute Lösungen ein, die das Justizwesen effizienter machen", sagte Duda in einer Fernsehansprache. "Der demokratische Charakter des Justizsystems wird gestärkt."

Die polnische Opposition und die EU sehen in den Gesetzesänderungen eine Einschränkung des Rechtsstaates und der Gewaltenteilung. Im Streit darüber hatte die EU-Kommission zuvor ein bisher nie eingesetztes Strafverfahren in Gang gesetzt. Es kann bis zum Entzug von Stimmrechten auf EU-Ebene führen. Hier erklären wir, was der Schritt der EU genau bedeutet.

Die nationalkonservative Regierung in Warschau habe in den vergangenen beiden Jahren insgesamt 13 Gesetze verabschiedet, die "eine ernsthafte Gefahr für die Unabhängigkeit der Justiz" und der Gewaltenteilung darstellten, begründete EU-Vize-Kommissionspräsident Frans Timmermans den Antrag. "Gemeinsames Muster" der Reformen sei, dass sie der regierenden Mehrheit die Möglichkeit gegeben hätten, "systematisch" in das Funktionieren des Justizsystems einzugreifen.

Polens Ministerpräsident verteidigt Justizreformen

Eine von der Kommission angestrebte Lösung des Konflikts über einen Dialog mit Polen sei gescheitert, sagte der Niederländer weiter. Nun habe die Behörde als "Hüterin der Verträge" keine Wahl mehr gehabt, als "schweren Herzens" das Verfahren nach Artikel 7 EU-Vertrag einzuleiten.

Polens Ministerpräsident Mateusz Morawiecki verteidigte die Justizreformen als "dringend notwendig". Sein Land fühle sich dem Rechtsstaat verpflichtet wie alle Länder der EU. Er glaube, dass die polnische Souveränität mit der Idee der europäischen Einheit vereinbar sei.

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Bundesregierung auf Brüssels Seite

Auch Timmermans betonte, dass Brüssel weiter für einen "konstruktiven Dialog" mit Warschau offen sei. Die Kommission gab Polen mehrere Empfehlungen auf den Weg, wie der Konflikt beizulegen wäre.

Das polnische Außenministerium erklärte, die Entscheidung Brüssels habe politischen und nicht rechtlichen Charakter. Die Entscheidung belaste die gegenseitigen Beziehungen unnötigerweise und erschwere den Aufbau von gegenseitigem Vertrauen und Einigkeit. Justizminister Zbigniew Ziobro spielte die Eskalation hingegen herunter und sagte: "Ich nehme die Entscheidung mit Gelassenheit zur Kenntnis."

Die Bundesregierung unterstützt die Brüsseler Linie: "Die Kommission hat es sich wirklich nicht leicht gemacht", sagte Sprecher Steffen Seibert. Der Entscheidung sei ein konstruktiver und intensiver Dialog vorausgegangen.

Einmaliges Verfahren in EU-Geschichte

Ein Verfahren nach Artikel 7 EU-Vertrag ist bisher niemals gegen einen Mitgliedstaat eingeleitet worden. Als nächstes müssen nun das Europaparlament zustimmen und die Mitgliedstaaten mit einer Mehrheit von vier Fünfteln (mindestens 22 Staaten) feststellen, dass es in Polen eine "eindeutige Gefahr einer schwerwiegenden Verletzung" von europäischen Grundrechten gibt.

Vor Sanktionen wäre danach ein einstimmiger Beschluss nötig. Die ungarische Regierung hat jedoch bereits klargemacht, dass sie diesen mit ihrem Veto verhindern würde. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hatten vergangene Woche beim EU-Gipfel ihre Unterstützung für die Kommission erklärt, sollte diese die Einleitung des Strafverfahrens beschließen.

EU zündet die "Atombombe"

Das Artikel-7-Verfahren ist in der EU als "Atombombe" im Verhältnis zu den Mitgliedstaaten bekannt. In der Analogie soll es vor allem der Abschreckung dienen, aber eigentlich niemals eingesetzt werden.

Timmermans wies diesen Vergleich zurück. "Es ist keine nukleare Option", sagte er. Auch Artikel 7 ziele auf eine Lösung des Konflikts. Die Mitgliedstaaten, die nun am Zug sind, könnten ihrerseits mit Warschau in einen Dialog treten, bevor sie weitere Entscheidungen träfen.

Viel Zustimmung für Entscheidung

Die CDU/CSU-Gruppe im Europaparlament bezeichnete die Entscheidung der Kommission als "konsequent und richtig". Warschau habe "das Rad der systematischen Entmachtung der Judikative immer weiter gedreht". Die SPD-Europaabgeordnete Sylvia-Yvonne Kaufmann forderte nun auch von den anderen Mitgliedstaaten "Tacheles gegenüber der polnischen Regierung". Die Grünen erklärten, es sei "höchste Zeit" für das Verfahren. Demokratie und Rechtsstaatlichkeit könnten für EU-Mitglieder "nicht optional" sein.

Im Fall eines Gesetzes, das die Befugnisse des Justizministers bei der Besetzung von Richterposten ausweitet, zieht die Kommission nun vor den Europäischen Gerichtshof. Hierzu hatte die Behörde schon Ende Juli ein Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet. Bekommt Brüssel vor Gericht Recht, drohen Warschau empfindliche Geldbußen.

Quellen und weiterführende Informationen:
- AFP, dpa
- Erklärung der EU-Kommission (englisch)
- Eigene Recherchen

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