Gaza-Krieg US-Vorschlag für Gaza-Waffenruhe weckt leichte Hoffnung

Die USA haben Israel und der Hamas einen neuen Vorschlag für eine 60-tägige Feuerpause vorgelegt. Die humanitäre Lage im Gazastreifen ist dramatisch - wie der Sturm auf ein UN-Lagerhaus zeigt.
Der US-Sondergesandte Steve Witkoff hat nach israelischen Medienberichten einen neuen Vorschlag für eine 60-tägige Waffenruhe im Gaza-Krieg vorgelegt. Demnach sollten zehn im Gazastreifen festgehaltene Geiseln in zwei Schritten binnen einer Woche freigelassen werden, hieß es in mehreren Berichten. Zudem sollten die Leichen von 18 Verschleppten übergeben werden.
Im Gegenzug sollten 125 Palästinenser freikommen, die zu lebenslangen Haftstrafen verurteilt wurden, sowie 1.111 Gaza-Einwohner, die seit dem Terrorüberfall am 7. Oktober 2023 festgenommen worden waren. Außerdem sollten die Leichen von 180 Palästinensern übergeben werden.
Den Berichten zufolge sollen während der zweimonatigen Waffenruhe Gespräche über ein Ende des Gaza-Kriegs geführt werden. Im Falle einer Einigung zwischen Israel und der islamistischen Hamas sollten die restlichen Geiseln und die sterblichen Überreste von Verschleppten übergeben werden.
Hilfslieferungen wieder über UN und Truppenabzug
Der Vorschlag sieht demnach ebenfalls vor, dass die Hilfslieferungen im Gazastreifen erneut von den Vereinten Nationen und den internationalen Hilfsorganisationen übernommen werden. Die israelische Armee soll sich wieder auf die Positionen vor Beginn der jüngsten Offensive im März zurückziehen, wie es weiter hieß.
Nach israelischen Angaben befinden sich derzeit noch mindestens 20 lebende Geiseln im Gazastreifen. Bei drei weiteren Entführten ist unklar, ob sie noch am Leben sind. Zudem befinden sich die sterblichen Überreste von 35 Verschleppten in dem abgeriegelten Gebiet mit unzähligen unterirdischen Tunnelanlagen.
Witkoff hatte sich am Mittwoch im Weißen Haus optimistisch über eine mögliche Waffenruhe im Gaza-Krieg geäußert. Er habe "sehr gute Gefühle" über eine Feuerpause sowie eine längerfristige friedliche Lösung des Konflikts, sagte er vor Journalisten.
Tote bei Sturm auf UN-Lebensmittellager in Gaza
Die Lage im umkämpften Gazastreifen ist weiter dramatisch. Bei einem tumultartigen Sturm auf ein großes Lagerhaus des Welternährungsprogramms (WFP) im Zentrum des abgeriegelten Küstengebiets kamen nach Angaben der UN-Organisation mindestens zwei Menschen ums Leben, viele weitere seien verletzt worden. "Horden hungriger Menschen" seien in das Lagerhaus eingedrungen, um an "zur Verteilung bereitgestellte Lebensmittel" zu gelangen, hieß es. Aus medizinischen Kreisen im Al-Aksa-Krankenhaus in Deir al-Balah hieß es, zwei Menschen seien erdrückt, zwei weitere durch Schüsse getötet worden.
Umstrittene Stiftung weist Berichte zurück
Israel hatte im März alle Hilfslieferungen blockiert und kurz darauf auch die Angriffe im Gazastreifen wieder aufgenommen. Damit sollte der Druck auf die Terrororganisation erhöht werden, die verbliebenen Geiseln freizulassen. Israel behauptete, es gebe keinen Mangel an Hilfsgütern. Die Regierung beschuldigt die Hamas, diese zu stehlen, um damit Geld zu machen, was die Organisation bestreitet. Auch die UN sagen, Israel habe keine Beweise dafür vorgelegt.
Israel hatte die Blockade zuletzt etwas gelockert. Dennoch sind viele Menschen in dem Küstenstreifen in einer verzweifelten Lage - es fehlt an Nahrungsmitteln, Trinkwasser, Medikamenten und vielen anderen Dingen des täglichen Bedarfs. Bereits in den vergangenen Tagen gab es Berichte über Plünderungen und einen Sturm auf ein neues Verteilzentrum, das von der umstrittenen Stiftung Gaza Humanitarian Foundation (GHF) betrieben wird.
Die Stiftung wies jedoch Berichte über Tote, massenhaft Verletzte und Chaos an den von ihr eingerichteten Verteilzentren zurück. An keinem Standort der GHF habe es Todesfälle gegeben. "Berichte, die anderes behaupten, stammen von der Hamas und sind falsch", hieß es.
An drei bisher eröffneten Verteilungszentren seien bislang 17.280 Lebensmittelpakete verteilt worden, teilte die GHF mit. Dies entspreche mehr als 1,8 Millionen Mahlzeiten. Das dritte GHF-Verteilungszentrum eröffnete nach palästinensischen Angaben südlich des sogenannten Netzarim-Korridors. In einem ersten Schritt waren zunächst vier Standorte geplant. Laut GHF ist aber in den kommenden Wochen der Aufbau weiterer Verteilungszentren geplant.
UN und Israel machen sich gegenseitig Vorwürfe
Die Stiftung soll nach dem Willen der israelischen Regierung künftig für die Verteilung von Hilfsgütern zuständig sein. Hilfsorganisationen der UN und anderer internationaler Initiativen sollen so umgangen werden.
Das UN-Nothilfebüro übte scharfe Kritik daran und sprach von einem "militarisierten Verteilungssystem", das die Menschen gefährde und ihren Bedürfnissen nicht gerecht werde. Hilfe dürfe "nicht als Waffe eingesetzt werden".
Israels UN-Botschafter Danny Danon warf den UN wiederum "Erpressung und Drohungen" gegen humanitäre Organisationen vor, die mit der GHF zusammenarbeiteten. "Das ist mafiaähnliches Verhalten und ein eklatanter Verstoß gegen die Grundprinzipien der UN", schrieb Danon auf X.
Lage in Gaza "so düster wie nie zuvor"
Seit Beginn des Gaza-Kriegs im Oktober 2023 hat sich die Notlage der rund zwei Millionen Menschen in dem dicht besiedelten Küstengebiet drastisch verschärft. Nach 600 Tagen sei die humanitäre Lage "so düster wie nie zuvor", konstatiert das UN-Nothilfebüro.
"Die Zivilisten in Gaza haben die Hoffnung verloren", berichtete die UN-Koordinatorin für humanitäre Hilfe für den Gazastreifen, Sigrid Kaag, dem UN-Sicherheitsrat in New York. "Anstatt "Auf Wiedersehen" zu sagen, sagen die Palästinenser in Gaza jetzt "Wir sehen uns im Himmel"." Der Tod sei ständiger Begleiter für die Zivilisten, nicht die Hoffnung. Der US-Chirurg Feroze Sidhwa zitierte vor dem mächtigen UN-Gremium Erkenntnisse der Organisation "War Child Alliance", laut der jedes zweite Kind in Gaza suizidgefährdet ist.
Dutzende Tote bei neuen Angriffen im Gazastreifen
Bei einem israelischen Luftangriff im zentralen Abschnitt des Gazastreifens sind nach einem Medienbericht mindestens 23 Menschen getötet worden. Die palästinensische Nachrichtenagentur Wafa berichtete, es sei ein Gebäude im Flüchtlingsviertel Al-Bureidsch getroffen worden. Insgesamt wurden seit dem Morgengrauen nach palästinensischen Angaben bei verschiedenen Angriffen in dem Küstenstreifen Dutzende Menschen getötet worden.
Seit Beginn des Gaza-Kriegs vor mehr als eineinhalb Jahren wurden nach Angaben der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde mehr als 54.200 Palästinenser im Gazastreifen getötet. Ein Drittel davon seien Minderjährige. Auslöser des Kriegs war der Überfall der Hamas und anderer islamistischer Terroristen auf Israel am 7. Oktober 2023, bei dem etwa 1.200 Menschen getötet und mehr als 250 als Geiseln in den Gazastreifen verschleppt wurden.
- Nachrichtenagentur dpa