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Ukrainer auf der Flucht: "Putin ist das reine Böse"


Polnisch-ukrainische Grenze
Ukrainer auf der Flucht – "Putin ist das reine Böse"

Von F. Holewik und M. Körner (Fotos), Przemyśl

26.02.2022Lesedauer: 3 Min.
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Krieg in Ukraine: t-online hat sich an der polnisch-ukrainischen Grenze umgeschaut. Ein Pärchen berichtet von dramatischen Szenen an der Grenze. (Quelle: t-online)

Zehntausende Ukrainer sind bereits vor dem russischen Angriffskrieg nach Polen geflüchtet. Die Wut vor Ort ist groß – vor allem auf Russlands Präsidenten Putin.

Am Bahnhof in der polnischen Stadt Przemyśl herrscht am Samstagabend dichtes Gedränge. Nur wenige Kilometer östlich verläuft die Grenze zur Ukraine. Von dort kommen im Minutentakt Menschen in Zügen, Bussen und zu Fuß – auf der Flucht vor dem Krieg.

Unter ihnen ist auch Marta aus Lwiw mit ihrer Familie. Die Angst um ihre Kinder hat die junge Mutter dazu gezwungen, ihre Heimat zu verlassen. Sie wirkt müde, und doch spürt man im Gespräch, wie aufgebracht sie ist. "Putin ist das reine Böse", sagt sie.

Ihren Ehemann musste Marta in der Heimat zurücklassen. Seit Freitagvormittag dürfen Männer zwischen 18 und 60 Jahren nicht mehr aus der Ukraine ausreisen. Der Krieg ruft, sie sollen mit Waffen ihr Land verteidigen.

Bisher können die beiden Kontakt halten. Er berichtet, dass es in Lwiw mittlerweile schwer sei, Lebensmittel zu bekommen, überall seien die Regale leer. Geld abheben sei auch nicht mehr möglich. Immer wieder habe es in den vergangenen Tagen Sirenen und Bombenalarme gegeben, gemeinsam mit den Nachbarn habe er sich in einem Bunker versteckt.

"Ich möchte wieder nach Hause!"

Marta ist dennoch nicht alleine gekommen. Auch ihre fünfjährige Tochter Maria hat Marta aus der Ukraine nach Polen gerettet, verängstigt drückt sich das Kind an das Bein ihrer Mutter. Mit dabei sind auch ihr neunjähriger Sohn Severyn sowie Oma Dana.

Zusammen haben sie eine strapaziöse Reise hinter sich. Eine lange Autofahrt, Staus, Anstehen. Allein am Grenzübergang mussten sie zwölf Stunden warten. Auf der anderen Seite empfing Martas Bruder die kleine Familie. Gemeinsam wollen sie nun über Krakau nach Prag fahren. Dorthin ist der Bruder vor elf Jahren ausgewandert.

Von der internationalen Gemeinschaft fordert Marta "alles, was möglich ist, um den Krieg zu beenden". Vor allem die zögerliche Verhängung der Sanktionen macht sie zornig – nur einen Wunsch hat sie an diesem Abend im düsteren Przemyśl: "Ich möchte wieder nach Hause!"

"Diplomatie kommt nicht gegen Waffen an"

Wie Marta geht es vielen der Ukrainer, die in diesen Stunden ihr Land verlassen – vertrieben von russischen Bombern und Soldaten, die im Auftrag von Präsident Wladimir Putin den eigenen Bruderstaat angreifen.

Nur wenige Meter weiter am Gleis steht Anna. Bereits vor einer Woche habe sie ein ungutes Gefühl gehabt, erzählt die Kiewerin. "So, als wenn etwas passieren könnte", sagt sie, während sie an einem Pappbecher Kaffee nippt. Deshalb sei sie mit ihrem Sohn zunächst nach Lwiw gefahren, das weiter entfernt von der Grenze zu Russland in der Westukraine liegt.

Eigentlich wollte sie dort nur ihre Tochter einsammeln. Als sie jedoch die ersten Sirenen hörten, beschlossen sie, direkt zu handeln. Gemeinsam nahmen sie in der Nacht von Freitag auf Samstag den Zug über die Grenze. Proppenvoll sei der gewesen, berichtet sie, um die Plätze sei regelrecht gekämpft worden.

"Diplomatie kommt nicht gegen Waffen an"

"Er ist verrückt", ist das Erste, was Anna zu Putin einfällt. Sie könne einfach nicht nachvollziehen, was in ihm vorgehe, was er erreichen wolle. Vor allem, wie schnell russische Truppen nach Kiew vorgedrungen sind, erschreckt sie. Der Krieg selbst hingegen überrascht sie kaum.

"Ich verstehe nicht, warum die EU und die USA nicht vorher geholfen haben", sagt Anna. Schließlich sei die Bedrohung der Ukraine bekannt gewesen. Die aktuellen Hilfszusagen reichten nicht aus: "Diplomatie kommt nicht gegen Waffen an". Es brauche daher deutlich mehr militärische Unterstützung.

Immerhin hier, jenseits der Grenze, im sichern Nato- und EU-Staat Polen ist die Hilfsbereitschaft groß. Direkt am Grenzübergang und auch im Bahnhofsgebäude stehen viele Unterstützer bereit, um die Geflüchteten zumindest mit dem Nötigsten zu versorgen: Obst, Brötchen, Süßigkeiten und Getränke. Dazwischen finden sich immer wieder auch Menschen, die Schilder aus Pappe hochhalten, mit denen sie nach Bekannten und Kollegen suchen.

Bald zurück in die Heimat? Wohl kaum

Anna wartet nun auf einen deutschen Freund. Der will sie und ihre Kinder abholen und sie für die nächste Zeit bei sich aufnehmen. Dass sie schnell in die Heimat zurückkann, glaubt sie derweil nicht.

In der Ukraine hat sie bisher als Typografin für Magazine und Kinderbücher gearbeitet. Nun macht sie sich Sorgen, wie sie Geld verdienen soll. "Werde ich arbeiten können? Werde ich eine Arbeitserlaubnis bekommen?", fragt sie. "Ich kann doch meinem Freund nicht ewig auf der Tasche liegen."

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherche
  • Gespräche mit Anna und Marta
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