Darum ist das Asow-Stahlwerk so schwer einzunehmen
Im Asow-Stahlwerk in Mariupol harren immer noch Tausende Soldaten und Zivilisten aus. Einen Sturm auf das GelΓ€nde hat Putin ΓΌberraschend abgesagt. Denn der kΓΆnnte fΓΌr seine Soldaten verheerend sein.
Das weitlΓ€ufige WerksgelΓ€nde von Asow-Stahl in der zerstΓΆrten ukrainischen Hafenstadt Mariupol ist das letzte Bollwerk der ukrainischen Truppen. Russlands PrΓ€sident Wladimir Putin wies seine Armee am Donnerstag an, das Werk weiter zu belagern β so engmaschig, dass "keine Fliege mehr heraus kann".
Dem ukrainischen PrΓ€sidenten Wolodymyr Selenskyj zufolge harren "rund tausend Zivilisten, Frauen und Kinder" und Hunderte Verletzte in dem Industriekomplex aus. Die dort verschanzten ukrainischen Truppen lehnen eine Kapitulation ab. Sie warnten aber, ihre VorrΓ€te wΓΌrden knapp, und forderten internationale UnterstΓΌtzung, um eine Evakuierung der Zivilisten zu ermΓΆglichen.
Geschichte des Stahlwerks β zwischen zwei LΓ€ndern
Die UrsprΓΌnge des gigantischen Industriekomplexes am Ufer des Asowschen Meeres reichen in die 30er-Jahre zurΓΌck, als die sowjetischen BehΓΆrden den Bau eines Eisenwerks in der Hafenstadt Mariupol anordneten. Die Produktion begann 1933, wurde aber kurz nach dem Angriff Nazi-Deutschlands auf Russland im Zweiten Weltkrieg im Jahr 1941 gestoppt.
1943 zerstΓΆrten die deutschen Truppen bei ihrem RΓΌckzug wichtige Anlagen. Nachdem die sowjetischen Truppen die Kontrolle zurΓΌckerlangt hatten, wurde das Werk binnen weniger Jahre wieder in Betrieb genommen. 2006 wurde der Komplex von der Metinvest-Gruppe ΓΌbernommen, die von dem reichsten Mann der Ukraine, Rinat Achmetow, kontrolliert wird.
Achmetow galt jahrelang als russlandfreundlich und war der wichtigste GroΓspender der Partei des ehemaligen prorussischen ukrainischen PrΓ€sidenten Viktor Janukowitsch, der 2014 nach einer proeuropΓ€ischen Revolution gestΓΌrzt wurde. Danach stellte er sich hinter die Regierung in Kiew. Vergangenen Monat warf er den russischen StreitkrΓ€ften Kriegsverbrechen und "Verbrechen gegen die Menschlichkeit" in der Ukraine vor.
Undurchsichtiges GelΓ€nde erschwert russischen Truppen den Kampf
Bis zum Beginn des russischen Angriffskrieges konnte das Werk laut Metinvest 5,7 Millionen Tonnen Eisen und 6,2 Millionen Tonnen Stahl pro Jahr produzieren. Damit gehΓΆrt es zu den grΓΆΓten Stahlwerken Europas. Die riesige Fabrik bot Tausenden Menschen Arbeit und beherrscht das Stadtbild von Mariupol.
Das rund elf Quadratkilometer groΓe Areal besteht aus einem Gewirr von Eisenbahnschienen, LagerhΓ€usern, KohleΓΆfen, Fabriken, Schornsteinen und Tunneln, das als ideal fΓΌr einen Guerillakampf gilt.
"Es ist eine Stadt in der Stadt", sagte kΓΌrzlich Eduard Basurin, Vertreter der prorussischen Separatisten in der Region Donezk. "Es gibt mehrere unterirdische Ebenen noch aus der Sowjetzeit, die man nicht von oben bombardieren kann. Du musst runtergehen, um sie zu sΓ€ubern, und das wird dauern."
Mit dem Wort "sΓ€ubern" stΓΌtzt sich Basurin auf die Kriegspropaganda des Kremls. Russlands PrΓ€sident Wladimir Putin bezeichnet die ukrainische FΓΌhrung als Nazis und begrΓΌndete seinen Angriff auf das Nachbarland auch mit dem Ziel einer "Entnazifizierung" der Ukraine. Der ukrainische PrΓ€sident Wolodymyr Selenskyj ist allerdings selbst jΓΌdischer Herkunft und verlor mehrere seiner Familienmitglieder im Holocaust durch die Nazis.
Russland versucht, ukrainische Truppen mit Bomben einzuschΓΌchtern
Putin sagte am Donnerstag, eine ErstΓΌrmung des Werks sei "unmΓΆglich". "Es ist nicht nΓΆtig, in diese Katakomben zu klettern und unter der Erde durch diese Industrieanlagen zu kriechen."
Stattdessen attackierten russische Flugzeuge den Komplex mit Bomben, um den Widerstand der dort verschanzten ukrainischen Truppen zu brechen. Drohnenaufnahmen, welche die staatliche russische Nachrichtenagentur Ria Nowosti am Sonntag verΓΆffentlichte, zeigten die weitflΓ€chige ZerstΓΆrung durch die Besatzungstruppen. Zu sehen war ein Schlachtfeld mit komplett zerstΓΆrten GebΓ€uden, aus denen stellenweise noch Rauch aufstieg.
- Nachrichtenagentur AFP