Moldau verstÀrkt Patrouillen an Grenze zu Transnistrien
In Moldau wĂ€chst die Sorge davor, in den Ukraine-Krieg hineingezogen zu werden. Aus der abtrĂŒnnigen Region Transnistrien werden angebliche AnschlĂ€ge gemeldet â ein Vorwand fĂŒr eine russische Intervention?
Nach mehreren Explosionen in der prorussischen Separatistenregion Transnistrien hat die moldauische Zentralregierung die Bevölkerung zur Ruhe aufgerufen. "Wir appellieren an die BĂŒrger, Ruhe zu bewahren und sich sicher zu fĂŒhlen", sagte PrĂ€sidentin Maia Sandu am Dienstag nach einer Sitzung des nationalen Sicherheitsrats. Moldau und Ukraine sind NachbarlĂ€nder. Die Explosionen verstĂ€rkten die Furcht vor einem Ăberschwappen des Ukraine-Kriegs auf das Land.
Angeblicher Angriff auf RegierungsgebÀude in Tiraspol
Den Behörden in Transnistrien zufolge war am Montag das Ministerium fĂŒr Staatssicherheit in der Regionalhauptstadt Tiraspol mit einem mutmaĂlichen Granatenwerfer attackiert worden. Am Dienstag meldete das Innenministerium der Region dann zwei Explosionen an einem Funkturm im Ort Majak nahe der ukrainischen Grenze. Der Sicherheitsrat der Region erklĂ€rte, es habe auĂerdem einen Angriff auf eine MilitĂ€reinheit im Dorf Parkany nahe Tiraspol gegeben.
In dem international nicht anerkannten Gebiet wurde ein 15-tÀgiger Terrorwarnzustand ausgerufen. Die traditionelle Parade zum Tag des Sieges im Zweiten Weltkrieg am 9. Mai wurde abgesagt.
Kontrollen an der Grenze verstÀrkt
Sandu empfahl eine VerstĂ€rkung der Patrouillen und Fahrzeugkontrollen in der Pufferzone, die zwischen dem von den moldauischen Behörden kontrollierten Staatsgebiet und Transnistrien liegt, auĂerdem zusĂ€tzliche SicherheitsĂŒberprĂŒfungen der wichtigen Infrastruktur des Landes. Die Explosionen seien ein "Versuch, die Spannungen zu eskalieren", sagte die PrĂ€sidentin. Sie machte "interne Differenzen zwischen verschiedenen Gruppierungen in Transnistrien mit einem Interesse an einer Destabilisierung der Situation" fĂŒr die Angriffe verantwortlich.
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Es ist nicht auszuschlieĂen, dass es sich bei den VorfĂ€llen um Inszenierungen handelt. Bei diesen sogenannten "False Flag"-Operationen sollen Gegner fĂŒr die Aktionen verantwortlich gemacht werden. Das wiederum wĂŒrde einen Vorwand fĂŒr GegenschlĂ€ge oder Interventionen bieten. DafĂŒr spricht, dass Russland bereits ukrainische KrĂ€fte fĂŒr die angeblichen AnschlĂ€ge verantwortlich gemacht hat, ohne Beweise vorzulegen.
Russland beschuldigt Ukraine, Kiew spricht von Inszenierung
Die mit den Separatisten in Transnistrien verbĂŒndete russische Regierung Ă€uĂerte sich angesichts der Explosionen "besorgt". Die Nachrichtenagentur Ria Nowosti meldete unter Berufung auf transnistrische Regierungsquellen, die Angreifer seien aus der Ukraine nach Transnistrien gekommen.
Ăhnlich Ă€uĂerte sich der transnistrische PrĂ€sident Wadim Krasnoselski. Kiew mĂŒsse eine Untersuchung zu der "illegalen" Einreise von KĂ€mpfern und dem "von ihnen verĂŒbten Terrorakt" in Transnistrien einleiten, erklĂ€rte er. Die Ukraine warf ihrerseits Russland vor, die Attacken in Transnistrien inszeniert zu haben.
Westliche LĂ€nder unterstĂŒtzen Regierung in Moldau
Die Organisation fĂŒr Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) verurteilte "alle Versuche, die Situation" in Transnistrien und der Pufferzone zu "destabilisieren". Frankreichs AuĂenminister Jean-Yves Le Drian betonte die UnterstĂŒtzung der Regierung in Paris fĂŒr die "StabilitĂ€t, SouverĂ€nitĂ€t und territoriale IntegritĂ€t der Republik Moldau" angesichts der "Risiken der Destabilisierung", denen sich das Land ausgesetzt sehe.
Auch die USA erklĂ€rten sich "besorgt angesichts möglicher Versuche, die Spannungen zu eskalieren". Washington unterstĂŒtze den Appell der moldauischen Regierung, die Ruhe zu bewahren, sagte US-AuĂenamtssprecher Ned Price. "Wir unterstĂŒtzen die territoriale IntegritĂ€t und SouverĂ€nitĂ€t vollstĂ€ndig", betonte er. Verteidigungsminister Lloyd Austin sagte bei seinem Besuch in Deutschland, die Vereinigten Staaten untersuchen die Ursache der Explosionen und seien "nicht wirklich sicher, worum es geht".
Transnistrien hatte sich im Zuge des Zerfalls der Sowjetunion 1990 von Moldau abgespalten. International wird das Gebiet nicht als eigenstĂ€ndig anerkannt. Die russische Armee verfĂŒgt in der Region ĂŒber einen MilitĂ€rstĂŒtzpunkt und ein groĂes Munitionslager. Die Regierung in Chisinau fordert seit Langem den Abzug der russischen Truppen aus der Region.
Russland hat strategisches Interesse an Moldau
Der Krieg in der benachbarten Ukraine sorgt in Moldau fĂŒr Unruhe. In der vergangenen Woche hatte der ranghohe russische General Rustam Minnekajew gesagt, Aufgabe der russischen Armee sei es, die Kontrolle ĂŒber den Donbass und die SĂŒdukraine zu erlangen. Auf diese Weise könne eine Landverbindung zur annektierten Schwarzmeer-Halbinsel Krim sowie nach Transnistrien hergestellt werden. Russischsprachige Menschen wĂŒrden dort "unterdrĂŒckt", behauptete Minnekajew.
Das AuĂenministerium in Chisinau bestellte wegen der ĂuĂerungen des Generals den russischen Botschafter ein und forderte Moskau zum Respekt der "SouverĂ€nitĂ€t und territorialen IntegritĂ€t" Moldaus auf.
Moldaus PrÀsidentin Sandu gilt als pro-westlich. Wie die Ukraine strebt die ehemalige Sowjetrepublik mit 2,6 Millionen Einwohnern einen EU-Beitritt an.