"Lassen uns nicht erpressen" Habeck kündigt neue China-Handelspolitik an
Die Bundesregierung arbeitet derzeit eine neue China-Strategie aus. Wirtschaftsminister Robert Habeck zufolge wird der Kurs deutlich schärfer.
Die Bundesregierung wird in der Handelspolitik künftig einen schärferen Kurs gegen China fahren. Das kündigte Vize-Kanzler Robert Habeck am Dienstag in einem Interview mit der Nachrichtenagentur Reuters an. China sei ein willkommener Handelspartner. "Aber wenn es Staatsprotektionismus gibt, dann muss er mit Gegenmaßnahmen bekämpft werden. Wir können uns nicht erpressen lassen."
Reuters hatte vergangene Woche berichtet, die Regierung stelle ihre Unterstützung für deutsche Unternehmen bei Geschäften in China auf den Prüfstand. Das Wirtschaftsministerium überlege etwa, die staatlichen Investitions- und Exportgarantien für in China tätige Firmen zu kippen, sagten mehrere mit den Vorgängen vertraute Personen. Zudem solle die staatliche Förderbank KfW prüfen, ob sie ihre Kreditlinien für das China-Geschäft deutscher Firmen nicht zurückfahren und diese im Gegenzug für Aktivitäten in anderen asiatischen Ländern wie Indonesien ausbauen könne.
Schluss mit Naivität
Wirtschaftsminister Habeck sagte, die neue Strategie stehe unter dem Motto, nicht mehr naiv zu sein. Es dürfe keine Wettbewerbsverzerrungen für chinesische Firmen mehr geben oder Erpressungen westlicher Konzerne. Das werde sich in der China-Strategie widerspiegeln, die die Bundesregierung gerade ausarbeite und zu der das Wirtschaftsministerium seinen Beitrag bereits weitgehend geleistet habe.
Deutschland soll Habeck zufolge wehrhafter agieren. "Auch Investitionen von China nach Europa sollen deutlich kritischer angeguckt werden." Die Volksrepublik wolle im Rahmen der sogenannten Seidenstraßen-Initiative strategische Infrastruktur in Europa aufkaufen und so Einfluss nehmen. "Das sollten wir nicht zulassen." Als Beispiel nannte der Grünen-Politiker die Einstiegspläne des chinesischen Reederei-Riesens Cosco bei einem Container-Terminal in Hamburg. "Ich tendiere in die Richtung, dass wir das nicht erlauben." Der Container-Hafen Tollerort sei zwar nur kleiner Teil vom Gesamthafen, aber China könnte dann Einfluss auf den Handel nehmen.
Handelspolitik als Machtinstrument
Die Fiktion von einer geeinten Welt mit einem gemeinsamen Handel sei am Ende, sagte Habeck vor den Beratungen der sieben führenden Industrienationen (G7) am Mittwoch und Donnerstag in Brandenburg. "Wir müssen die Handelspolitik auch als neues Machtinstrument begreifen, auch als Solidaritätsinstrument begreifen." Gleichzeitig dürfe es aber auch keine Blockbildung geben. Auch die Vereinigten Staaten sollten nicht zu protektionistisch gegen China sein: "Es gibt bestimmte Standards, die gelten für alle, die gelten auch für China", so Habeck.
Nach dem russischen Angriff auf die Ukraine Ende Februar sei das russisch-chinesische Handelsvolumen zwar gestiegen. Das gehe aber vor allem auf Energie zurück, China sei nicht bei hochwertigen Gütern eingesprungen. China spiele eine Zwischenrolle, sei nicht auf Seite des Westens. "Aber sie unterstützen Russland noch nicht mit voller Kraft." China brauche schließlich auch die Handelsbeziehungen mit Europa.
Habeck ergänzte, Abhängigkeiten von China gebe es vor allem bei Rohstoffen, etwa für Batterien oder Halbleiter. Dies sei nicht so schnell zu ersetzen: "Wir arbeiten daran." Außerdem sei die deutsche Exportindustrie stark abhängig vom chinesischen Absatzmarkt. "Würde der, was nicht zu befürchten steht, aber natürlich in einer Zeit wie dieser mitgedacht werden muss, würde der sich verschließen, hätte wir extreme Absatzprobleme. Auch da muss diversifiziert werden." Neue Handelspartner und Regionen müssten entsprechend erschlossen werden.
Scholz setzt auf Globalisierung
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) setzt indes weiterhin auf wirtschaftliche Globalisierung. Er wende sich "gegen all diejenigen, die jetzt die Idee der Deglobalisierung nach vorne stellen", sagte Scholz beim traditionellen Arbeitgebertag am Dienstag in Berlin. "Wir werden das nicht tun."
Der Kanzler sprach sich für eine weitere Diversifizierung aus. Es gebe viele einflussreiche Länder im Süden Amerikas, in Afrika und ganz besonders in Asien, mit denen weiter zusammengearbeitet werden solle, erläuterte er. "Dann schaffen wir auch die Grundlage dafür, dass wir weiter eine globale Zusammenarbeit in der Weltwirtschaft haben und dass deutsche Unternehmen mit ihren Fähigkeiten und Kompetenzen davon profitieren können", sagte Scholz. "Seien Sie sicher, das ist die Strategie der Bundesregierung." Man wolle sich nicht nur auf sich selber beschränken, sondern die Potenziale der Welt gemeinsam nutzen.
Zuvor hatte Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger die Deglobalisierung als einen der wesentlichen Preistreiber bezeichnet. "Durch die Corona-Krise, den Ukraine-Krieg und vor allem auch die ungewisse Entwicklung in China reißen Lieferketten ab", sagte Dulger. "Das treibt die Kosten und das trifft Deutschland besonders." Wegen der Deglobalisierung müsse in Zukunft mit anhaltend hohen Inflationsraten gerechnet werden.
- Nachrichtenagenturen Reuters und dpa