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Krieg in Nahost | Telefonat zwischen Biden und Netanjahu: Unzufriedenheit


Telefonat zwischen Biden und Natanjahu
Es knirscht zwischen den Verbündeten


Aktualisiert am 12.02.2024Lesedauer: 4 Min.
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US-Präsident Joe Biden (l) neben Benjamin Netanjahu, Israels Ministerpräsident (Archivbild): Washington zeigt sich zunehmend kritisch gegenüber dem Vorgehen der israelischen Armee in Gaza.Vergrößern des Bildes
US-Präsident Joe Biden (l) neben Benjamin Netanjahu, Israels Ministerpräsident (Archivbild): Washington zeigt sich zunehmend kritisch gegenüber dem Vorgehen der israelischen Armee in Gaza. (Quelle: POOL/reuters)

Zwischen den USA und Israel herrscht schlechte Stimmung. Biden zeigt sich zunehmend unzufrieden mit Netanjahus Plänen. Besonders der jüngste ärgert ihn.

Fast eine Stunde ging das Telefonat zwischen dem Weißen Haus in Washington und dem israelischen Regierungssitz in Jerusalem am Sonntag. Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu und US-Präsident Joe Biden sprachen miteinander über das Vorgehen der israelischen Armee gegen die Terrororganisation Hamas im Gazastreifen.

Dass das Gespräch so lang dauerte, dürfte jedoch vor allem daran gelegen haben, dass es zwischen den Verbündeten kriselt. Der Grund: Netanjahu plant genau das, wovor ihn Biden schon seit langem gewarnt hatte.

Mit einer Militäroffensive in Rafah will Netanjahu auch die Hamas-Bataillone im Süden des Gazastreifens bekämpfen. Biden warnte ihn jedoch schon vor Ankündigung seiner Pläne vor diesem Schritt. In dem Gebiet haben seit Oktober mehr als eine Million Menschen aus dem Norden des Gazastreifens Zuflucht gefunden, teils auf Anweisung der israelischen Armee, die der palästinensischen Zivilbevölkerung dort Schutz vor Angriffen versprach. Seit dem reihen sich in der Stadt, die ursprünglich rund 300.000 Einwohner zählte, Zelte an Zelte.

Am Donnerstag verschärfte Biden seine Tonart gegenüber Israel. Er bezeichnete das Vorgehen der israelischen Armee im Gazastreifen als "unverhältnismäßig". Netanjahu aber zeigt sich uneinsichtig: "Wie hätten die USA an unserer Stelle reagiert? Ich würde sagen, die Reaktion wäre mindestens genauso stark ausgefallen wie die von Israel", sagte er darauf angesprochen bei Fox News. Biden erhöhte in dem Telefonat mit Netanjahu am Sonntag daher nochmals den Druck auf den israelischen Ministerpräsidenten.

Biden verlangt Schutz für die Menschen in Rafah

Der US-Präsident forderte Netanjahu dazu auf, ein überzeugendes Konzept für den Schutz der Zivilbevölkerung in Rafah vorzulegen. Nach Angaben von Augenzeugen griff Israel bereits mehrfach Ziele in der Stadt aus der Luft an. Es brauche daher "einen glaubwürdigen und umsetzbaren Plan, um die Sicherheit der mehr als eine Million Menschen, die dort Zuflucht suchen, zu gewährleisten", habe Biden laut einer Mitteilung des Weißen Hauses gesagt. Zudem habe er konkrete Schritte hin zu mehr humanitärer Hilfe verlangt, hieß es weiter.

Die Pläne Israels sehen bislang vor, einen "sicheren Korridor" zu errichten, damit die Menschen sicher aus Rafah fliehen können. "Wir sind in dieser Sache nicht leichtsinnig", sagte Netanjahu in einem Interview des US-Senders "ABC News". Man werde der Zivilbevölkerung einen "sicheren Korridor gewähren, damit sie das Gebiet verlassen kann". Auf die Frage, wohin die weit mehr als eine Million Palästinenser in der an Ägypten angrenzenden Stadt gehen sollen, sagte Netanjahu demnach, dass man "einen detaillierten Plan" ausarbeite.

Wie der aussehen könnte, ließ Netanjahu in einem Interview mit dem US-Sender Fox News durchblicken: Dort erklärte er, es gebe nördlich von Rafah für die Menschen "viel Platz, wo sie hinkönnen". Israel schicke sie in diese Richtung, unter anderem mithilfe von Flyern und über mobile Kommunikation.

Bereits zuvor hatte Israel im Norden des Gazastreifens die Zivilbevölkerung auf diese Weise gewarnt. Kritik daran gab es jedoch von Menschenrechtsorganisationen, da das Mobilnetz häufig zusammenbreche und die Menschen teils keine Möglichkeiten hätten, ihre Mobiltelefone aufzuladen.

Netanjahu braucht einen Erfolg in Verhandlungen um Geiseln

Netanjahu aber will offenbar nicht von seinem Plan abrücken: "Diejenigen Leute, die sagen, wir können unter keinen Umständen nach Rafah vorrücken, sagen im Grunde: Gewinnt nicht, sondern verliert", argumentierte er im Interview mit Fox News. Mit der Militäroffensive in Rafah will er jedoch offenbar nicht nur die Hamas bekämpfen, sondern auch den Druck auf die Terrororganisation in weiteren Verhandlungen um einen möglichen Geisel-Deal erhöhen.

In einem Interview des US-Senders ABC News, betonte er, die Zahl der verbliebenen Geiseln rechtfertige Israels massives militärisches Vorgehen im Gazastreifen. Die beiden Ziele, die Hamas zu besiegen und die Leben der Geiseln zu retten, schlössen sich nicht gegenseitig aus. Militärischer Druck habe dazu geführt, dass bereits 110 Geiseln hätten befreit werden können. "Es erfordert Druck. Der Druck hat gewirkt. Und der Druck wird wieder wirken."

Derzeit befinden sich noch 136 Menschen in der Gewalt der Hamas im Gazastreifen, von denen aber nach israelischen Militärangaben mindestens rund 30 nicht mehr am Leben sein dürften.

Einen Erfolg in den Verhandlungen um ihre mögliche Freilassung bräuchte der Ministerpräsident daher umso dringender, denn in der israelischen Bevölkerung steigt der Frust. Immer wieder versammeln sich Angehörige der von der Hamas gefangen genommenen Geiseln und protestieren für die Freilassung ihrer Angehörigen und einen Rücktritt Netanjahus. In einer Umfrage des israelischen Senders Umfrage von Channel 12 sprachen sich zuletzt mehr als die Hälfte der Befragten für Neuwahlen aus.

Appelle ohne Widerhall

Viele der Geisel-Angehörigen werfen dem israelischen Ministerpräsidenten vor, die von internationalen Vermittlern geführten Verhandlungen zu torpedieren, die zu einer Waffenruhe im Krieg mit der Hamas und zu einem Austausch der Geiseln gegen palästinensische Häftlinge führen sollen. Grund zur Sorge haben sie, das zeigt etwa die jüngste Drohung der Hamas, bei einer Militäroffensive der israelischen Armee in Rafah, die Verhandlungen um die Geiseln abbrechen zu wollen. Die vom Iran unterstützten Terroristen hatten sie bei ihrem Angriff auf Israel am 7. Oktober nach Gaza verschleppt.

In dem Telefongespräch zwischen Netanjahu sei es nach Angaben des Weißen Hauses neben dem gemeinsamen Ziel, die Hamas zu besiegen und die langfristige Sicherheit Israels und des israelischen Volkes zu gewährleisten, daher vor allem auch um die Verhandlungen um die Geiseln gegangen. Biden habe darauf gepocht, "die in den Verhandlungen (mit der Hamas) erzielten Fortschritte zu nutzen, um die Freilassung aller Geiseln so schnell wie möglich sicherzustellen". Die Unterhändler, die an einem Abkommen arbeiteten, hätten in den vergangenen Wochen "echte Fortschritte" erzielt, sagte ein US-Vertreter am Abend.

Wann ein Ergebnis der Verhandlungen feststehen könnte, ist derzeit unklar. Auch wann die Militäroffensive der israelischen Armee in Rafah beginnen könnte, steht bislang nicht fest, ebenso, ob Netanjahu der Forderung Bidens nachkommen wird.

Die USA drängen Israel schon länger dazu, den Schutz der Zivilbevölkerung zu verstärken und mehr Hilfe für die Bevölkerung in Gaza zu ermöglichen. Dass Washingtons Appelle in der israelischen Regierung jedoch offenbar nur wenig Beachtung finden, zeigt auch das erneute Telefonat zwischen Biden und Netanjahu. Aus diesem ging keine Übereinkunft hervor, stattdessen nahm es ein offenbar eisiges Ende: Die beiden Staatschefs hätten nach Angaben des Weißen Hauses vereinbart, weiterhin in Kontakt zu bleiben. Netanjahu äußerte sich bislang nicht zu dem Gespräch.

Verwendete Quellen
  • Mit Material der Nachrichtenagenturen dpa und Reuters
  • Eigene Recherche
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