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China expandiert im Gelben Meer: Südkorea fordert Rückzug


Küste von Südkorea
Was China im Gelben Meer wirklich will

MeinungEin Gastbeitrag von Frederic Spohr

10.05.2025 - 12:13 UhrLesedauer: 4 Min.
imago images 0764927742Vergrößern des Bildes
Schiffe der chinesischen Küstenwache: Die Beziehungen zwischen China und Südkorea sind von Spannungen geprägt. (Quelle: IMAGO/CFOTO/imago)
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Die Volksrepublik China errichtet riesige Stahlkonstruktionen in einem umstrittenen Gewässer vor Südkoreas Küste. Das Vorgehen könnte ein Vorbote für noch aggressiveres Verhalten sein – so wie im Südchinesischen Meer.

Von der Weltöffentlichkeit weitgehend unbeachtet kam es Ende Februar zu einem brisanten Zwischenfall im Gelben Meer, dem Seegebiet zwischen China und Korea. Als sich ein südkoreanisches Forschungsschiff einer umstrittenen chinesischen Stahlkonstruktion für eine Inspektion näherte, blockierten ein Schiff der chinesischen Küstenwache sowie drei Schlauchboote mit Zivilisten die Zufahrt. Die Südkoreaner holten ihre eigene Küstenwache zur Hilfe, mussten ihre geplante Inspektion aber letztlich abbrechen.

Der Vorfall erinnert an die Situation im Südchinesischen Meer, wo China seit Jahren durch künstliche Inseln und militärische Präsenz Gebietsansprüche durchsetzen will. Nun besteht die Gefahr, dass sich auch im Gelben Meer derartige Konfrontationen häufen. Die jüngsten Ereignisse haben zu Spannungen zwischen Südkorea und China geführt. Eine Lösung ist nicht in Sicht.

Hintergrund des Streits sind massive Stahlkonstruktionen in einem umstrittenen Seegebiet, die China seit einiger Zeit errichtet. Laut dem amerikanischen Think Tank SeaLight handelt es sich um große Fischfarmen mit den Namen "Shenlan 1" und "Shenlan 2", die 2018 und 2024 in Betrieb gingen. In ihrer Nähe wurde zudem eine riesige Versorgungsplattform installiert – offenbar basierend auf einer alten Bohrinsel. Chinas Konstruktionen sind bis zu 100 Meter lang und 80 Meter breit.

Südkorea fordert Verlagerung

Bisher hatte Südkorea die Bauten zähneknirschend hingenommen. Doch mit dem Zwischenfall im Februar hat sich der Ton verschärft. Die südkoreanische Regierung forderte Peking Ende April auf, die Stahlkonstruktionen im Meer in chinesische Gewässer zu verlagern. Peking wies die Forderung zurück und erklärte, es handle sich um privat betriebene Aquakulturen. Ein Verstoß gegen Abkommen liege nicht vor.

Fischfarmen mögen harmlos klingen. Doch Analysten sind alarmiert, denn es ergeben sich Parallelen zu einem der geopolitisch brisantesten Gewässer: dem Südchinesischen Meer, wo China seit Jahren immer aggressiver auftritt. Dort errichtete die Volksrepublik künstliche Inseln, angeblich zu zivilen Zwecken – die später auch militärisch genutzt wurden. Wo einst Fischerhütten standen, sind nun mancherorts Flugfelder. Die Philippinen und Vietnam sind von der chinesischen Expansionspolitik bedroht.

Wie das Südchinesische Meer hat auch das Gelbe Meer strategische Relevanz. Schiffe auf dem Weg zum Hafen Tianjin – dem Zugang zum Meer für Chinas Hauptstadt Peking – passieren das Gelbe Meer. Auch der Hauptsitz der chinesischen Nordflotte in Qingdao liegt an der Küste des Gewässers. Für Südkorea ist das Gebiet nicht minder bedeutsam. Seoul liegt am Han-Fluss, der in das Gelbe Meer mündet. Dort, in Incheon, befindet sich der zweitgrößte Tiefseehafen des Landes. In Küstennähe betreibt das US-Militär Camp Humphreys, einen ihrer weltweit größten Auslandsstützpunkte. Hinzu kommt, dass im Gelben Meer signifikante Öl- und Gasvorkommen vermutet werden.

Die Region war früher Schauplatz militärischer Auseinandersetzungen. Sowohl im Ersten Chinesisch-Japanischen Krieg (1894-1895) als auch im Japanisch-Russischen Krieg (1904-1905) fanden entscheidende Seeschlachten im Gelben Meer statt.

China schickt immer mehr Schiffe

In dem wirtschaftlich und politisch so wichtigen Gelben Meer sind die territorialen Verhältnisse weitgehend ungeklärt. China beansprucht den 124. Längengrad als maritime Grenze – gestützt auf ein Abkommen mit Nordkorea aus dem Jahr 1962. Diese Linie verläuft jedoch innerhalb jenes Seegebiets, das Südkorea als Teil seiner Ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ) betrachtet. Laut internationalem Seerecht umfasst eine AWZ bis zu 200 Seemeilen (rund 370 Kilometer) ab der Küste eines Staates und verleiht exklusive Rechte zur Nutzung natürlicher Ressourcen.

(Quelle: Quelle: Friedrich-Naumann-Stiftung)

Zur Person

Frederic Spohr leitet das Büro der FDP-nahen Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit in Seoul, Südkorea. Er lebt seit 2012 in Asien und berichtet als Reporter über die tiefgreifenden wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Veränderungen der Region. Seit 2019 arbeitet er für die Stiftung, zunächst als Projektleiter in Thailand/ Myanmar. 2023 übernahm er die Büroleitung in Seoul und verantwortet die Arbeit der Stiftung in Süd- und Nordkorea. Er absolvierte die Kölner Journalistenschule und hat an der Universität zu Köln einen Masterabschluss in Politikwissenschaft gemacht.

Im Jahr 2001 einigten sich China und Südkorea auf die Einrichtung der sogenannten Provisional Measures Zone (PMZ) – und zwar in jenem Gebiet, in dem sich die jeweiligen AWZ-Ansprüche überlappen. Ziel war es, die Fischerei gemeinsam zu koordinieren und auf jede anderweitige Aktivität, etwa Probebohrungen, zu verzichten. Ist die Errichtung der Fischfarmen durch China mit dem Abkommen vereinbar? Die beiden Staaten haben unterschiedliche Auffassungen. Peking informierte Seoul im Vorfeld nicht über das Errichten der Fischfarmen.

China macht nicht nur durch die Bauten im Meer Druck, sondern auch mit militärischer Präsenz. Laut Presseberichten, die sich auf das südkoreanische Militär berufen, drangen chinesische Kriegsschiffe im vergangenen Jahr mehr als 330 Mal in Gewässer vor, die rechtlich umstritten sind oder eindeutig in Südkoreas Ausschließliche Wirtschaftszone fallen. In diesem Jahr ereigneten sich bis Mitte April mehr als 100 solcher Vorfälle.

Die Spannungen verschärfen sich in einer Phase innenpolitischer Unsicherheit in Südkorea. Nach der umstrittenen Ausrufung des Kriegsrechts durch Präsident Yoon Suk Yeol wurde er abgesetzt. Am 3. Juni wird neu gewählt. Ein konservativer Wahlsieger könnte eine härtere Haltung gegenüber China haben. Die progressive Partei in Südkorea agiert dagegen traditionell vorsichtiger gegenüber der Volksrepublik.

Südkoreas Verhältnis zu China ist generell schwierig. Einerseits ist die Volksrepublik wichtigster Handelspartner, andererseits herrscht großes Misstrauen, da der große Nachbar seine wirtschaftliche Macht immer wieder als politisches Druckmittel gegenüber Südkorea eingesetzt hat, beispielsweise durch Boykottaufrufe.

Die jüngsten chinesischen Provokationen im Gelben Meer wurden von beiden großen Parteien kritisiert. Der Fischereiausschuss des südkoreanischen Parlaments hat ein Budget von rund 60,5 Milliarden Won (ca. 41,9 Millionen US-Dollar) vorgeschlagen, um auf Chinas Aktivitäten in der PMZ zu reagieren. Wird der Etat vom Plenum bestätigt, könnten die Mittel zum Errichten eigener Strukturen in der Zone verwendet werden.

China hat laut Medienberichten in Gesprächen zugesagt, zunächst keine weiteren Strukturen zu errichten. Eine schriftliche Erklärung dazu hat Peking allerdings nicht abgegeben.

Die im Gastbeitrag geäußerten Ansichten geben die Meinungen und Analysen der Autoren wieder und entsprechen nicht notwendigerweise denen der t-online-Redaktion.

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