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US-Präsident Reagan wollte in Deutschland 198 Atomraketen stationieren


Bruch des Nato-Doppelbeschlusses
Reagan wollte in Deutschland mehr Atomraketen stationieren als vereinbart

t-online, are

Aktualisiert am 04.01.2015Lesedauer: 3 Min.
Der US-Präsident Ronald Reagan erwog zu Beginn der Achtzigerjahre offenbar, mindestens 198 ballistische Atomraketen in der Bundesrepublik Deutschland zu stationieren.Vergrößern des BildesDie Nato stationierte 1983 insgesamt 108 Pershing II-Raketen auf dem damaligen Gebiet der Bundesrepublik Deutschland. (Quelle: Picture Alliance/ap-bilder)
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Der damalige US-Präsident Ronald Reagan plante zu Beginn der Achtzigerjahre offenbar, viel mehr ballistische Atomraketen in der Bundesrepublik Deutschland zu stationieren als im Nato-Doppelbeschluss von 1979 vorgesehen war. Das berichtet der Spiegel in seiner morgigen Ausgabe. Zwei Bundeskanzler hätten sich aber gegen das Vorhaben der Supermacht gestemmt.

Der Nato-Doppelbeschluss erlaubte den USA die Stationierung von mit Atomsprengköpfen bestückten Raketen und Marschflugkörpern auf dem Gebiet des Bündnispartners - und zwar als Gegengewicht zu den sowjetischen SS20-Raketen, die auf dem Gebiet der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) stationiert waren.

Doppelbeschluss als Gegengewicht zur sowjetischen Aufrüstung

Die Nato hatte ihren Doppelbeschluss als "Modernisierung" und Ausgleich einer "Lücke" in der atomaren Abschreckung begründet, die die sowjetische Aufrüstung in Osteuropa und der Einmarsch in Afghanistan bewirkt habe. Dahinter stand als die Logik der nuklearen Abschreckung und des nuklearen Gleichgewichts der Kräfte.

Dabei ging es allerdings laut dem unter den Nato-Bündnispartnern 1981 in Genf im Detail ausgehandelten Plan zur Umsetzung des Doppelbeschlusses nur um 108 amerikanische Pershing-II-Raketen und Marschflugkörper vom Typ BGM-109 Tomahawk, die von westdeutschem Boden aus in wenigen Minuten bis kurz vor Moskau fliegen konnten. Reagan und seine Administration planten jedoch insgeheim 198 Atomwaffen auf westdeutschem Boden zu stationieren.

Schmidt und Kohl dagegen

Die damaligen Bundeskanzler Helmut Schmidt (SPD, 1974-1982) und Helmut Kohl (CDU, 1982-1998) sprachen sich gegen die Stationierung von mehr als der vereinbarten Raketen-Anzahl aus. In Bonner Sicherheitskreisen, so berichtet der "Spiegel" weiter, sei recht bald der Verdacht aufgekommen, dass die Amerikaner mindestens 90 weitere Pershings "als Nachladebestand" in der Bundesrepublik stationieren wollten.

1982 habe dann ein Bonner Offizier "inoffiziell" von US-Kollegen erfahren, dass Washington sogar die Produktion von 394 Pershings plus 328 Atomsprengköpfen plane. Mehrfach habe die Bundesregierung daraufhin zwischen 1981 und 1984 eine schriftliche Zusage Washingtons verlangt, dass die USA sich an den Doppelbeschluss halten würden - doch entsprechende Briefe seien unbeantwortet geblieben, berichtet das Hamburger Nachrichtenmagazin unter Berufung auf Akten aus dem Auswärtigen Amt, die das Institut für Zeitgeschichte in Berlin nun veröffentlicht hat.

Washington: mehr Raketen für "Übungsschießen"

Mitarbeiter des US-Verteidigungsministerium hätten stattdessen auf Anfrage aus Bonn mündlich erklärt, man brauche die überzähligen Raketen fast vollständig zu "Übungsschießen, Tests, Bestandserhaltung und Produktverbesserung" in den USA. Ob der damalige Außenminister Hans-Dietrich Genscher letztlich interveniert habe, u Reagan von seinen Geheimplänen abzubringen, sei ungeklärt. Die Bundesregierung und das Auswärtige Amt, so heißt es im "Spiegel"-Bericht, hätte die Akten nur bis 1984 freigegeben.

Am Ende stationierten die Amerikaner ab Dezember 1983 jedenfalls lediglich die vereinbarten 108 Pershings und Tomahawks in der Bundesrepublik.

Proteste gegen Doppelbeschuss

Der Doppelbeschluss hatte auch zu heftigen Protesten in der linken deutschen Friedensbewegung gesorgt. Diese sprach nicht nur von einer "Nachrüstung" sondern sogar von einer Erstschlags- anstatt einer Verteidigungswaffe.

Dabei verlangten die Nato-Verbündeten im Doppelbeschluss von 1979 auch ausdrücklich bilaterale Verhandlungen zwischen den USA und der Sowjetunion über die Begrenzung ihrer atomaren Mittelstreckenraketen mit einer Reichweite zwischen 1000 und 5500 Kilometern in Europa. Große Bevölkerungsteile in mehreren Nato-Staaten hatten die geplante Aufstellung abgelehnt, als die Genfer Abrüstungsverhandlungen zwischen den beiden Supermächten in den Jahren 1982 und 1983 wegen unüberbrückbarer Interessensdifferenzen letztlich gescheitert waren. Eine Abgeordnetenmehrheit des Deutschen Bundestages hatte dem offiziellen Doppelbeschluss ungeachtet der Proteste auch im eigenen Land am 22. November 1983 zugestimmt.

Unter Michail Gorbatschow bot die Sowjetunion seit 1985 den USA wieder weitreichende atomare Abrüstung an. 1987 vereinbarten beide Mächte in einem Vertrag über die Mittelstreckenwaffen (INF-Vertrag) den Rückzug, die Vernichtung und ein Produktionsverbot aller atomar bestückbaren Flugkörper mit Reichweiten von 500 bis 5500 Kilometern und ihrer Trägersysteme. Der Kalte Krieg blieb kalt - und ist nun, 25 Jahre nach seinem Ende, um eine neue Episode reicher.

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