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Kosovo | Dutzende Friedenssoldaten verletzt – die Lage eskaliert


Dutzende verletzte Friedenssoldaten
Warum die Lage im Kosovo gerade eskaliert

Von dpa, afp, reuters, ne

Aktualisiert am 30.05.2023Lesedauer: 4 Min.
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Ausschreitungen eskalieren: Bei Protesten im Kosovo sind Friedenssoldaten verletzt worden. (Quelle: reuters)
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Im Norden des Kosovos kam es zu heftigen Ausschreitungen – Dutzende Nato-Friedenssoldaten wurden bei Kämpfen mit militanten Serben verletzt. Ein Überblick.

Der Konflikt zwischen Serbien und Kosovo spitzt sich zu. Dutzende Nato-Friedenssoldaten wurden bei Zusammenstößen im serbisch bewohnten Norden des Kosovos verletzt. Was ist genau passiert? Wie reagierte das westliche Verteidigungsbündnis und was steckt hinter dem Konflikt? Ein Überblick über die aktuelle Lage in der Krisenregion.

Das ist im Kosovo passiert

Bei Zusammenstößen im Norden des Kosovos sind am Montag zahlreiche Soldaten der Nato-geführten Kosovo-Schutztruppe KFOR verletzt worden. Mehrere Uniformierte aus Italien und Ungarn erlitten bei Angriffen militanter Serben in der Ortschaft Zvečan Knochenbrüche und Verbrennungen, teilte das KFOR-Kommando am Montagabend in Pristina mit.

Der italienische Außenminister Antonio Tajani sprach auf Twitter von elf verletzten Italienern des KFOR-Kontingents. Drei von ihnen hätten schwere Verwundungen erlitten, seien aber nicht in Lebensgefahr.

Auch 20 ungarische KFOR-Soldaten seien unter den Verletzten, schrieb das Budapester Nachrichtenportal "hvg.hu" unter Berufung auf diplomatische Kreise. Die Nachrichtenagentur Reuters hatte zuvor von 25 verletzten Soldaten aus Italien und Ungarn berichtet.

Am Dienstag war bereits von rund 80 Verletzten auf beiden Seiten die Rede. Zudem hätten sich am Morgen erneut Serben im Norden des Kosovos zu Protesten versammelt. Demonstranten fanden sich vor den Gemeindeämtern in Zvečan, Leposavić und Zubin Potok ein, die von der Nato-geführten KFOR gesichert werden, berichtete das kosovarische Nachrichtenportal "koha.net" unter Berufung auf eigene Reporter vor Ort.

So reagierte die Nato

Die Nato verurteilte die Angriffe auf die KFOR-Truppen scharf. "Solche Angriffe sind völlig inakzeptabel. Die Gewalt muss sofort aufhören. Wir rufen alle Seiten auf, von Handlungen Abstand zu nehmen, die die Spannungen weiter anheizen, und in einen Dialog einzutreten", hieß es von einer Sprecherin der Militärallianz. KFOR werde alle erforderlichen Maßnahmen ergreifen, um ein sicheres Umfeld aufrechtzuerhalten.

Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell schrieb auf Twitter: "Die EU fordert die Behörden des Kosovo und die Demonstranten auf, die Situation sofort und bedingungslos zu deeskalieren." Auch er forderte einen sofortigen Dialog.

Italiens Ministerpräsidentin Giorgia Meloni verurteilte den Angriff ebenfalls. "Was hier geschieht, ist absolut inakzeptabel und unverantwortlich. Wir werden keine weiteren Angriffe auf die KFOR dulden", sagte sie am Montagabend laut einer Mitteilung.

So kam es zu der Eskalation

Die jüngsten Zusammenstöße ereigneten sich am Montagnachmittag, als militante Serben gegen die Einsetzung neuer Bürgermeister in Zvečan und weiteren Gemeinden protestierten. KFOR-Soldaten, die das Gemeindeamt in Zvečan sicherten, lösten den gewalttätig gewordenen Protest auf, wie örtliche Medien berichteten.

Dabei setzten sie Blendgranaten und Tränengas ein. Die Menge bewarf sie wiederum mit Steinen, Brandsätzen, Flaschen und anderen Gegenständen. Auf Bildern ist zudem zu sehen, wie die Protestierenden mit Stöcken auf die Soldaten losgingen.

Ein Serbe wurde durch Schüsse verletzt, teilte das Krankenhaus in der nahen Stadt Mitrovica am Montag mit. Weitere 52 Serben seien dort mit Verletzungen eingeliefert worden, so das Krankenhaus.

Die etwa 300 KFOR-Soldaten hatten zuvor am Montagmorgen in Kampfmontur vor dem Gemeindeamt in Zvečan Stellung bezogen. Zugleich hatte sich auch eine größere Menge serbischer Demonstranten vor dem Amtsgebäude versammelt.

Die KFOR-Truppe sollte anstelle der kosovarischen Sonderpolizei das Amtsgebäude sichern. Diese hatte sich am vergangenen Freitag Zugang zum Gemeindeamt verschafft. Der serbische Präsident Aleksandar Vučić hatte daraufhin Gefechtsbereitschaft angeordnet, allerdings zunächst auf einer niedrigeren Stufe. Hier lesen Sie mehr dazu. Inzwischen versetzte Serbien seine Streitkräfte in höchste Gefechtsbereitschaft. Das teilte Verteidigungsminister Miloš Vučević mit.

Vučić werde sich am Dienstag mit den Botschaftern der Vereinigten Staaten, Italiens, Frankreichs, Deutschlands und Großbritanniens – der sogenannten Quint-Gruppe – treffen, teilte das Büro des Präsidenten mit. Danach werde er getrennte Treffen mit den Botschaftern Finnlands, Russlands und Chinas abhalten.

Das steckt hinter dem Konflikt

Hintergrund des zuletzt wieder aufgeflammten Konflikts zwischen der serbischen Minderheit und der albanischen Mehrheit im Kosovo sind die Kommunalwahlen vom 23. April: Die Polizei hatte den neuen Bürgermeister, einen Albaner, der sein Amt antreten wollte, eskortiert. Serben protestieren auch in zwei anderen Orten des Nord-Kosovos, wo ebenfalls albanische Bürgermeister die Amtsgeschäfte übernahmen.

Die drei Politiker waren im April in ihre Ämter gewählt worden. Viele serbische Kosovaren hatten die Wahl boykottiert. Auch deshalb kommen die Wahlsieger aus albanischen Parteien. Die bisherigen serbischen Bürgermeister hatten ihre Funktionen im November 2022 aus Protest gegen die Politik der kosovarischen Regierung niedergelegt.

Zur Eskalation am Montag kam es, als sich die serbische Menge in Zvečan weigerte, die dort noch stehenden Fahrzeuge der kosovarischen Polizei wegfahren zu lassen. Der KFOR-Trupp löste daraufhin die Versammlung auf.

Streit um Unabhängigkeit

Der Ursprung des Konflikts reicht jedoch bis in die 1990er-Jahre zurück: Nach dem Zerfall des Vielvölkerstaats Jugoslawien gab es damals eine Serie von Kriegen auf dem Balkan. Unter Präsident Slobodan Milošević versuchte Serbien, sich mehrheitlich serbisch besiedelte Gebiete in anderen Teilrepubliken einzuverleiben. Vor allem in Bosnien, Kroatien und auch im Kosovo kam es in der Folge zu ethnisch motivierten Vertreibungen, umfangreichen "ethnischen Säuberungen" und Kriegsverbrechen.

Um Massaker in der vor allem von Albanern bewohnten serbischen Provinz Kosovo zu beenden, beschloss die Nato 1999 Luftangriffe, an denen sich auch Deutschland beteiligte – der erste Kampfeinsatz deutscher Soldaten nach 1945. Mit der Nato-Intervention löste sich der Kosovo aus dem serbischen Staatsverband heraus und erklärte sich 2008 schließlich für unabhängig. In der Zwischenzeit war das Land von der UN-Mission Unmik verwaltet worden. 115 Staaten erkennen den Kosovo heute als unabhängig an, darunter auch Deutschland.

Serbien verweigert dem Kosovo die Anerkennung und betrachtet das Land als abtrünniges, südserbisches Gebiet. Im Ausland wirbt Serbien gar offensiv dafür, dass andere Staaten dem Kosovo die Anerkennung entziehen. In den vergangenen Jahren hatte es immer wieder Dialoge gegeben, allerdings ohne Einigung.

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Die EU verlangt von Serbien, das Land anzuerkennen, um Mitglied in der Staatengemeinschaft werden zu können. Die Nato stellt zudem im Rahmen der KFOR-Mission Soldaten, darunter auch von der Bundeswehr, die im Kosovo Unterstützung dabei leisten, die öffentliche Ordnung zu sichern.

Der Kosovo ist mehrheitlich von Albanern bewohnt, vor allem im Norden leben Serben. Viele von ihnen erkennen die staatlichen Einrichtungen des Kosovos nicht an.

Verwendete Quellen
  • Nachrichtenagenturen dpa, Reuters und AFP
  • t-online.de: "Warum sich der Kosovo-Konflikt verschärft"
  • srf.ch: "Lage nach Ausschreitungen im Kosovo wieder ruhig"
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