Verbale Aufrüstung Erdogan will "Virus" und "Metastasen" aus Staat vertreiben

Die "Säuberungen" in der Türkei nach dem gescheiterten Putsch gegen Präsident Recep Tayyip Erdogan gehen weiter. Bei einer Begräbnisfeier für Opfer des Aufstands kündigte Erdogan ein gnadenloses Vorgehen gegen Unterstützer seines Erzfeindes, des islamischen Geistlichen Fethullah Gülen an.
"Liebe Brüder, ist das genug?", fragte er vor jubelnden Anhängern im Istanbuler Bezirk Fatih mit Blick auf Tausende Festnahmen in Militär und Justiz. "In allen Behörden des Staates wird der Säuberungsprozess von diesen Viren fortgesetzt. Denn dieser Körper, meine Brüder, hat Metastasen produziert. Leider haben sie wie ein Krebsvirus den ganzen Staat befallen."
Mitglieder der Gülen-Gruppe im Militär, die die Streitkräfte "ruiniert" habe, seien festgenommen worden. Es handele sich um Soldaten aller Ränge. Insgesamt gab es bisher rund 6000 Festnahmen bei Militär und Justiz.
Schuldiger steht für Erdogan fest
Erdogan macht Anhänger des im US-Exil lebenden Predigers Fethullah Gülen für den Putschversuch verantwortlich. Dieser streitet das ab. Der Prediger war einst ein enger Verbündeter von Erdogan und ist inzwischen Staatsfeind. Erdogan sagte, die Türkei werde die Auslieferung beantragen. US-Außenminister John Kerry hatte eine Prüfung zugesagt, wenn ein Auslieferungsersuchen gestellt werde.
Auf erneute Forderungen der Menge nach der Todesstrafe sagte Erdogan: "In Demokratien kann man die Forderung des Volkes nicht ignorieren." Die entsprechenden Behörden würden das entscheiden. Schon am Samstag hatte Erdogan gesagt, dass eine Diskussion über die Einführung der Todesstrafe Sache des Parlaments sei. Am Sonntag mahnte er jedoch auch: "Wir sind keine Rächer". Der größte Rächer sei Gott.
Volk soll weiter auf Straße gehen
Erdogan rief das Volk erneut dazu auf, am Abend auf die Straße zu gehen. "Ihr seid es, die die Plätze füllen sollen. Es darf keine Lockerung geben." Schon am Samstag waren Zehntausende in der Türkei einem Aufruf der Regierung gefolgt, öffentliche Plätze nicht möglichen weiteren Putschisten zu überlassen.
Die Bundesregierung forderte die Regierung in Ankara nach der Verhaftungswelle auf, auf demokratische Rechte für alle und Minderheitenschutz zu achten. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) pochte darauf, bei der Bestrafung der Umstürzler rechtsstaatliche Verfahren einzuhalten. Justizminister Heiko Maas (SPD) warnte die Türkei vor "Rache und Willkür".