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Erderwärmung – Weltklimarat schlägt Alarm: "Drastische Änderungen" nötig


Bericht des Weltklimarats
Deutscher Experte: 45 Prozent weniger CO2 reichen nicht mehr

Von afp, dpa, aj, law

Aktualisiert am 08.10.2018Lesedauer: 5 Min.
Braunkohlekraftwerke und ein Ballon mit der Aufschrift "Es gibt keinen Planet B.": Der Weltklimarat drängt zu raschem Handeln für ein 1,5-Grad-Ziel.Vergrößern des BildesBraunkohlekraftwerke und ein Ballon mit der Aufschrift "Es gibt keinen Planet B.": Der Weltklimarat drängt zu raschem Handeln für ein 1,5-Grad-Ziel. (Quelle: Ina Fassbender/dpa)
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Zwei Monate vor einem UN-Klimagipfel warnen Forscher eindringlich davor, was schon bei einer Erwärmung um 1,5 Grad Celsius passieren kann. Ein deutscher Experte sagt, dass die volle Dramatik gar nicht deutlich wird.

Der Weltklimarat IPCC hat ein entschlossenes Handeln angemahnt, um die Erderwärmung noch auf 1,5 Grad zu begrenzen. Notwendig seien "schnelle, weitreichende und beispiellose Änderungen in allen gesellschaftlichen Bereichen", heißt es in einem Sonderbericht des IPCC, der am Montag veröffentlicht wurde. Sollte das 1,5-Grad-Ziel verfehlt werden, drohen den Wissenschaftlern zufolge dramatische Folgen für das Leben auf der Erde.

Lage spitzt sich mit jedem Jahr zu

In dem Bericht sprechen die 91 Autoren aus 40 der beteiligten 195 Staaten davon, dass der Ausstoß etwa von Kohlendioxid (CO2) bis 2030 um 45 Prozent gegenüber dem Wert von 2010 gesenkt werden müsste, um das 1,5 Grad-Ziel zu erreichen. Doch dieser Wert täuscht die Öffentlichkeit, es ist inzwischen noch dramatischer, warnt Stefan Rahmstorf, Leiter des Bereichs Erdsystemanalyse am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung.

Gegenüber 2015, dem Jahr der jüngsten verlässlichen Daten, müsste der Wert inzwischen sogar um 58 Prozent gesenkt werden, schreibt der renommierte Experte auf Twitter. Das zeige, "wie schnell sich unsere Situation mit jedem Jahr verschlechtert, das ohne entschlossene Maßnahmen vergeht", so Rahmstorf. Es sei "überlebenswichtig", rasch zu handeln.

In ihrer Zusammenfassung für politische Entscheidungsträger gehen die 91 Autoren aus 40 der beteiligten 195 Staaten davon aus, dass bereits heute eine Erwärmung von etwa einem Grad im Vergleich zum vorindustriellen Niveau zu verzeichnen ist – mit erheblichen Folgen wie häufigerem Extremwetter, steigendem Meeresspiegel und dem Verschwinden arktischen Meereises.

"Eine der Kernaussagen des Berichts ist: Wir sehen derzeit bereits die Konsequenzen von einem Grad Erderwärmung wie mehr Extremwetter, steigende Meeresspiegel, schwindendes arktisches Meereis und andere Veränderungen", sagte der Co-Vorsitzende einer IPCC-Arbeitsgruppe Panmao Zhai.

Während jedoch früher davon ausgegangen wurde, dass bei einer Erwärmung um zwei Grad die Folgen der Erderwärmung noch halbwegs kontrollierbar sein dürften, äußern die Wissenschaftler daran nun deutliche Zweifel und drängen daher auf entschiedeneres Handeln.

"Jede weitere Erwärmung, besonders über 1,5 Grad hinaus, vergrößert die Gefahr langanhaltender oder nicht mehr umkehrbarer Veränderungen wie etwa dem Verlust von Öko-Systemen", erklärte dazu der Ko-Vorsitzende der Arbeitsgruppe II des IPCC, der Kieler Klimaforscher Hans-Otto Pörtner. Dem Bericht zufolge könnte die 1,5-Grad-Marke bereits 2030 erreicht werden. "Die kommenden Jahre sind vermutlich die wichtigsten in der Menschheitsgeschichte", warnte die IPCC-Wissenschaftlerin Debra Roberts.

Der Weltklimarat wurde damit beauftragt, den Sonderbericht zum 1,5-Grad-Ziel zu erstellen. Er analysierte daraufhin über 6.000 Studien. Die Zusammenfassung des neuen Berichts wurde in der vergangenen Woche mit Vertretern von 195 Staaten abgestimmt, sodass diese nun ein politisches Gewicht hat. Die Daten sind auch Grundlage für die Weltklimakonferenz im Dezember im polnischen Kattowitz.

"Jetzt handeln, es ist fast schon zu spät"

"Der Sonderbericht sendet ein klares Signal an die Politik: jetzt handeln, es ist fast schon zu spät," kommentierte Niklas Höhne von der niederländischen Universität Wageningen. "Vielen in der Politik war vielleicht noch nicht klar, worauf sie sich eingelassen haben, als sie 2015 in Paris dem Ziel zugestimmt haben, den globalen Temperaturanstieg möglichst auf 1,5 Grad Celsius zu begrenzen."

Das Papier zeigt einige klare Unterschiede zwischen einer Erwärmung von 1,5 und einer von 2 Grad. Der globale Meeresspiegel würde bis zum Ende dieses Jahrhunderts bei 1,5 Grad Erwärmung um 10 Zentimeter weniger klettern als bei 2 Grad. "Das würde beinhalten, dass 10 Millionen weniger Menschen den Risiken ausgesetzt wären, wie der Versalzung von Äckern oder Überschwemmungen durch Stürme in küstennahen Gebieten", sagt IPCC-Autor Wolfgang Cramer. "Das Nildelta und andere Flussdeltas erleben schon jetzt Verluste an Landfläche durch eindringendes Meerwasser."

Einen eisfreien Arktischen Ozean im Sommer gibt es laut IPCC bei 1,5 Grad wahrscheinlich einmal pro Jahrhundert, bei 2 Grad vermutlich "mindestens einmal pro Jahrzehnt". Auch warnen die Autoren, dass etwa 70 bis 90 Prozent der Korallenriffe verschwinden, wenn es um 1,5 Grad wärmer wird als vor der Industrialisierung. "Mit 2 Grad wären praktisch alle verloren." Bei 2 Grad Erwärmung könnten deutlich weniger Fische gefangen werden.

Einig sind sich die meisten Forscher, dass die Welt ohne zusätzliche Anstrengungen auf 3 bis 4 Grad Erwärmung zusteuert. Im Klimaabkommen von Paris hatten die Länder eine Obergrenze von deutlich unter zwei Grad Erwärmung beschlossen. Es sollte auf Drängen kleiner Inselstaaten zudem versucht werden, sie bei 1,5 Grad zu stoppen.

Zeitgewinn "schon längst verfrühstückt"

Nach dem neuen IPCC-Bericht kann der Mensch im Vergleich zu älteren Berichten möglicherweise etwas mehr CO2 ausstoßen, um dennoch dass 1,5-Grad-Ziel zu erreichen. Für den Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung, Ottmar Edenhofer, ist das kein Grund zur Entspannung. "Gegenüber früheren Abschätzungen des IPCC haben wir höchstens einen Zeitgewinn von sieben Jahren." Der sei aber "schon längst verfrühstückt" angesichts der geplanten und existierenden Kohlekraftwerke, die oft noch Jahrzehnte CO2 ausstießen. "Es gibt zwar keinen Grund zum Fatalismus, aber es gibt einen gewaltigen Handlungsdruck. Wenn wir global nicht bald aus der Kohle aussteigen, schlagen wir die Tür zum 1,5-Grad-Ziel ein für alle Mal zu."

Der Bericht zeigt vor allem Szenarien auf, die nicht zu einem sogenannten Overshoot führen, einer kurzzeitigen Überschreitung des 1,5-Grad-Ziels. Beim Overshoot müsste der Mensch später mehr CO2 aus der Atmosphäre ziehen als er produziert. Das kann durch sogenanntes Geoengineering geschehen. Die Techniken dazu sind im großen Maßstab jedoch noch ungeprüft. Einige könnten zudem große Risiken bergen, warnen die IPCC-Autoren.

"Dem Thema Geoengineering wird im IPCC-Report zum Glück eine deutliche Absage erteilt", sagte die Referentin für Internationale Klimapolitik bei der Heinrich-Böll-Stiftung, Linda Schneider, die an der Debatte in Incheon teilgenommen hatte. Dagegen gebe es die Möglichkeiten der CO2-Bindung durch die Wiederherstellung von natürlichen Ökosystemen, "vor allem Wäldern, die der Bericht wegen ihrer Vorteile für Biodiversität, Bodenqualität und lokaler Ernährungssicherheit" als sehr positiv bewerte, betonte Lindner.

"Jetzt ist politischer Handlungswille gefordert"

Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter forderte als Konsequenz aus dem neuen Bericht die Bundesregierung auf, schnellstmöglich die Stromerzeugung aus Kohle zu beenden. "Hitzesommer, Extremwetter, Ernteausfälle – alle Alarmzeichen stehen auf Rot", sagte er der Nachrichtenagentur AFP in Berlin.

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Bis spätestens 2025 müsse der Kohleausstieg in Deutschland abgeschlossen sein, forderte Laura Weis vom Klimaschutz-Netzwerk 350.org

"Jetzt ist politischer Handlungswille gefordert, um den Ausbau der erneuerbaren Energien für eine saubere Strom- und Wärmeversorgung voranzubringen", erklärte die Präsidentin des Bundesverbands Erneuerbare Energien (BEE), Simone Peter.

Verwendete Quellen
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