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USA: Ron DeSantis' nächste große Lüge – betrifft auch Trump


DeSantis übernimmt Trump-Erzählung
Die nächste große Lüge

  • Bastian Brauns
Von Bastian Brauns

26.05.2023Lesedauer: 4 Min.
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Ein und dieselbe Lüge: Trump und DeSantis über den 6. Januar.Vergrößern des Bildes
Ein und dieselbe Lüge: Trump und DeSantis über den 6. Januar. (Quelle: Mike Stocker via www.imago-images.de/imago images)

Der neue Bewerber um das höchste Amt der USA, Ron DeSantis, hat angekündigt, was er als Präsident als Erstes tun würde. Eine Handlung betrifft auch seinen Erzrivalen Donald Trump.

Bis zur Präsidentschaft ist es noch ein langer Weg. Aber Ron DeSantis hat schon einmal angekündigt, was eine seiner ersten Amtshandlungen als US-Präsident sein wird: "politische" Gefangene zu begnadigen. Das sagte er am Donnerstag in der Radiosendung "The Clay Travis & Buck Sexton Show".

Dort führte DeSantis auch aus, wen er mit "politische Gefangene" meint. Die Demonstranten, die am 6. Januar das Kapitol stürmten. Dass ihre Verurteilung politisch motiviert sei, ist eine Legende, die von rechten Republikanern verbreitet wird. Begnadigen würde DeSantis auch Donald Trump – für den Fall, dass dieser verurteilt werden sollte. Es gehe ihm ausdrücklich um alle Fälle, "egal wie klein oder groß".

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DeSantis verkündete sein Ansinnen just an dem Tag, als ein Bundesgericht in Washington das bislang höchste Strafmaß im Zusammenhang mit dem gewaltsamen Aufstand verhängte. Der Rechtsextremist und Gründer der Neonazi-Organisation "Oath Keepers", Stewart Rhodes, wurde dabei zu 18 Jahren Gefängnis verurteilt.

Als Grund dafür, von seinem Recht auf Begnadigung als Präsident Gebrauch zu machen, nannte Ron DeSantis, dass "die Justizbehörden politische instrumentalisiert" würden. Pauschal wolle er zwar nicht vorgehen, aber er werde jeden Fall überprüfen lassen. Amnestie solle es etwa für jene Leute geben, die anders behandelt worden sein sollen als die Gewalttäter der "Black Lives Matter"-Bewegung. Dann müsse man sich eine solche "Ungleichbehandlung" ansehen, sagte DeSantis.

Eine alte Verschwörungstheorie

Trumps schärfster Konkurrent um die Kandidatur der Republikaner bedient sich dabei einer Erzählung, die er sich ausgerechnet bei Trump selbst abgeschaut hat. Das politische Ziel dahinter: DeSantis will dessen Anhänger für sich gewinnen.

Seit Monaten verbreiten Donald Trump und sein Team, flankiert von rechten Medienkanälen und Moderatoren wie dem geschassten Fox-News-Starhost Tucker Carlson, dass Hunderte, wenn nicht Tausende angeblich unschuldiger US-Bürger als "politische Gefangene" im Gefängnis säßen. Ein von "linken Eliten" unterwandertes FBI würde Jagd auf unbescholtene Amerikaner machen. Begleitet wird diese Erzählung von immer wieder gestreuten Verschwörungsthesen, dass der Sturm auf das Kapitol in Wahrheit eine Operation der Geheimdienste gewesen sei.

Als Höhepunkt dieser inszenierten Heldenverehrung seiner "politischen Gefangenen" ließ Donald Trump sogar einen Song mit den Inhaftierten aufnehmen. Ein Männerchor von Strafgefangenen singt dabei die amerikanische Nationalhymne, unterbrochen von Trump-Sätzen. Hinter Gitter gebracht hat die Sänger dabei Trump jedoch gewissermaßen selbst.

Am 6. Januar 2021 ließen sie sich von ihm anstacheln, zum Kapitol in Washington zu marschieren, um es gewaltsam zu stürmen. In Trumps Erzählung sind sie jedoch "politische Gefangene" des "Biden-Regimes", "wahre Patrioten". Am Ende rufen die Sträflinge: "U-S-A – U-S-A – U-S-A!" Aufgenommen worden sei die Hymne über ein Gefängnistelefon. Die Häftlinge würden sie jeden Abend in ihren Zellen singen, heißt es.

Die Realität ist eine andere

Die Erzählungen von Trump und DeSantis wurden allerdings längst widerlegt. Eine Recherche der britischen Zeitung "Guardian" von vor über einem Jahr legt sogar eher das Gegenteil nahe. Demnach wurden mindestens 70 Prozent der wegen des Aufstands im Kapitol Angeklagten sogar freigelassen, während sie auf ihren Prozess warteten. Eine derart hohe Entlassungsrate vor einem Prozess ist bei Bundesangelegenheiten absolut unüblich. In solchen Fällen werden in der Regel nur 25 Prozent der Angeklagten vor ihrem Prozess freigelassen.

Die Zahl der Beschuldigten schwankt aufgrund der laufenden Ermittlungen. Zwischenzeitlich lag sie bei mehr als 1.000 Personen, aktuell sollen es laut Recherchen von "NPR" insgesamt 994 sein. Schuldig im Sinne der Anklage haben sich bislang mit 541 mehr als die Hälfte bekannt. Für mehr als die Hälfe der Angeklagten bedeutete der Schuldspruch eine Gefängnisstrafe.

Die durchschnittliche Strafe für diejenigen, die eine Gefängnisstrafe erhielten, soll bei etwa 60 Tagen liegen. Bis vor Kurzem betrug das kürzeste Strafmaß von Verurteilten sieben Tage, das längste zehn Jahre. Mit dem Oath-Keepers-Urteil gegen Stewart Rhodes erweiterte sich die Spanne auf 18 Jahre.

Trump braucht die Lüge als Lebensversicherung

Die Angeklagten kommen insgesamt aus fast allen 50 Bundesstaaten. Wer sie sind, lässt sich kaum verallgemeinern. Es sollen überwiegend weiße Männer sein. Einige, die den rechtsextremen Gruppierungen "Proud Boys" oder "Oath Keepers" angehören, agierten als Rädelsführer. Die überwiegende Mehrheit der Angreifer war einfach davon überzeugt, am 6. Januar 2021 das Richtige zu tun, nämlich die Verfassung zu verteidigen. Schließlich hatte Trump ihnen gesagt, diese sei in Gefahr, weil ihm der Wahlsieg gestohlen worden sei. Daran hält der Ex-Präsident bis heute fest, obwohl es dafür keinerlei Beweise gibt.

Donald Trump braucht also gewissermaßen die neue Lüge von den unschuldig inhaftierten politischen Gefangenen, um seine Ur-Lüge vom Wahlbetrug weiterzuspinnen und seine eigentliche Niederlage zu kaschieren. Ron DeSantis begibt sich nun auf denselben Pfad, weil er offenbar glaubt, sich damit bei den Vorwahlen die Stimmen der extremen Trump-Anhänger sichern zu können. Warum diese aber dafür nicht das Original, also Trump, wählen sollten, ist unklar.

Vielleicht spekuliert DeSantis aber auch darauf, dass Trump am Ende wirklich im Gefängnis landet und er dann vor seinen Fans als glaubwürdiger Nachfolger erscheint. Diese Strategie könnte allerdings spätestens dann nach hinten losgehen, sobald DeSantis gegen Joe Biden die Moderaten und Unentschlossenen für sich gewinnen will. Denn die haben schon lange bewiesen, dass sie von der Wahllegende und ihren Folgelügen nichts mehr hören wollen.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherche
  • Twitter-Profil von Clay Travis (englisch)
  • npr.org: "The Jan. 6 attack: The cases behind the biggest criminal investigation in U.S. history" (englisch)
  • j6prisonchoir.com (englisch)
  • guardian.com: "Revealed: Majority of people charged in Capitol attack aren’t in jail" (englisch)
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