Die subjektive Sicht des Autors auf das Thema. Niemand muss diese Meinung übernehmen, aber sie kann zum Nachdenken anregen.
Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet.Die Epstein-Affäre Amerika findet sich ab mit seinem Lügen-Imperium

Donald Trump, Jeffrey Epstein und eine Nation, die Lügen nicht nur verzeiht, sondern längst einkalkuliert. Die USA sind eine Gesellschaft geworden, in der die Wahrheit längst optional geworden ist.
Er hat es wieder getan. Der US-Präsident hat erneut gelogen. Diesmal über seine Freundschaft mit Jeffrey Epstein. Seit Jahren beteuert Donald Trump, kaum mehr als ein flüchtiger Bekannter des überführten Sexualstraftäters gewesen zu sein. Glaubwürdig war das noch nie. Zu viele Fotos und Videos zeigen Trump und Epstein in trauter Zweisamkeit. Ermittlungen belegen, dass Trump immer wieder im Privatjet des verstorbenen Milliardärs mitgeflogen ist.
Nun zeigt auch ein exklusiver Bericht des "Wall Street Journal" buchstäblich ein anderes Bild, als Donald Trump stets beteuerte. In einem 2003 zum 50. Geburtstag Epsteins zusammengestellten Album findet sich laut den Recherchen ein Brief von Trump, eingerahmt von der Zeichnung einer nackten Frau. Darunter unterschrieb er mit "Donald", an jener Stelle, wo die Schambehaarung wäre.
Seine Widmung an Epstein: "Ein Kumpel ist eine wunderbare Sache. Happy Birthday – und möge jeder Tag ein weiteres Geheimnis bergen." Dazu verfasste Trump eine offenbar imaginierte Konversation zwischen ihm und seinem Freund. Sie lautete:
Stimme: Es muss im Leben mehr geben, als alles zu haben
Donald: Ja, das gibt es, aber ich verrate dir nicht, was es ist.
Jeffrey: Ich auch nicht, denn ich weiß auch, was es ist.
Donald: Wir haben gewisse Dinge gemeinsam, Jeffrey.
Jeffrey: Ja, wenn ich es mir recht überlege, haben wir das.
Donald: Rätsel altern nie, ist dir das aufgefallen?
Jeffrey: Tatsächlich war mir das schon klar, als ich dich das letzte Mal sah.
Diese Worte laden ein zu gespenstischen Interpretationen, wenn man weiß, was heute über Epstein bekannt ist. Der in der Promiwelt damals bestens vernetzte Amerikaner betrieb über viele Jahre ein System sexueller Ausbeutung und Vergewaltigung von minderjährigen Mädchen. Was Trump mit diesen Zeilen ausdrücken wollte, weiß im Zweifel nur er selbst. Aber dem US-Präsidenten war laut früheren Aussagen bekannt, dass Epstein eine Vorliebe für "junge Frauen" hatte.
Trumps Dementis und die erdrückende Beweislage
Und so bestreitet Trump natürlich alles: "Fake News", "gefälscht", "nicht meine Worte", poltert er und droht dem "Wall Street Journal" mit Klage. Er habe niemals Bilder von Frauen gezeichnet.
Fakt ist: Es kann keine Kontaktschuld geben. Das heißt: Nur, weil Trump mit Epstein offenkundig befreundet war und nach eigenem Bekunden gewisse Interessen teilte, bedeutet das nicht, dass der amtierende Präsident sich einer Straftat schuldig gemacht hat. Dafür gibt es bislang zumindest keine Beweise.
Aber der Fall Epstein und Trumps Umgang damit offenbart einmal mehr die verkommene Moral des amerikanischen Präsidenten und auch der Mehrheit der Gesellschaft, die er repräsentiert.
Das Prinzip der Lüge als Methode
Die erste und die zweite Präsidentschaft Trumps zeigen: Das Prinzip Lüge hat Methode. Trump leugnet ja nicht nur seine Nähe zu Epstein. Er leugnet alles, was ihm nicht in den Kram passt. Unlängst behauptete er etwa, Joe Biden habe den von ihm verhassten Notenbankchef Jerome Powell ernannt. Dabei war es Trump selbst in seiner ersten Amtszeit.
Trump lügt oft und wann immer es ihm beliebt – ob über die Größe der Menschenmengen bei seiner Amtseinführung 2018, ob über den Ausgang der Wahl 2020 und angebliche Wahlmanipulationen. Er lügt über seine Steuerunterlagen, über den Sturm auf das Kapitol am 6. Januar 2021. Die "Washington Post" kam einst auf allein in seiner ersten Amtszeit mehr als 30.000 dokumentierte Falschaussagen. Und auch in seiner zweiten Amtszeit kann und darf man Trump nichts glauben.
Gesellschaftliche Kapitulation trotz Enthüllungen
Doch was passiert? Nichts. Trump bleibt Präsident. Er wurde zum zweiten Mal gewählt, trotz zweier Amtsenthebungsverfahren, trotz Prozessen, trotz Schuldsprüchen, darunter auch sexuelle Nötigung, trotz vieler weiterer Enthüllungen und Bloßstellungen seiner Lügen. Aber auch seine zweite Amtszeit wird wohl auf diese Weise weitergehen. Der Mann entzieht sich jeglicher rechtlichen und erst recht jeder moralischen Kontrolle. Im Gegenteil: Er wird immer wieder belohnt. Weil er eine Gesellschaft regiert, die seine Lügen längst eingepreist hat.
Auch die neuen Enthüllungen über Trump und Epstein werden daran nichts ändern. Im Gegenteil. Sie bestätigen, was die Menschen im Grunde längst wissen und offenkundig zu akzeptieren bereit sind. Trump wird abstreiten, drohen, weiterlügen. Die Hälfte des Landes wird ihm glauben, die andere Hälfte letztlich mit den Schultern zucken oder den Kopf schütteln.
Das sagt eigentlich fast weniger über Trump aus als über die USA selbst. Die Vereinigten Staaten sind gekennzeichnet von stiller und von lauter Zustimmung. Von nachhaltigem Widerstand ist bis auf klägliche Versuche nichts zu sehen. Amerika hat sich zum zweiten Mal einen Präsidenten gewählt, der lügt, betrügt, droht und trotzdem der mächtigste Mann der Welt bleibt. Eine Gesellschaft, die das hinnimmt, hat sich längst damit abgefunden, dass Wahrheit optional ist und dass Lügen im besten Fall schlicht unterhaltsam sind.
- Eigene Überlegungen
- wsj.com: "Jeffrey Epstein’s Friends Sent Him Bawdy Letters for a 50th Birthday Album. One Was From Donald Trump." (Englisch, kostenpflichtig)