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Scholz verweigert Taurus-Lieferung: "Behauptung des Kanzlers ist falsch"


Scholz verweigert Taurus-Lieferung
"Die Behauptung des Kanzlers ist falsch"

Von t-online, cc

Aktualisiert am 27.02.2024Lesedauer: 4 Min.
Kanzler Olaf Scholz (SPD) bei einer Sitzung des Bundeskabinetts.Vergrößern des Bildes
Kanzler Olaf Scholz (SPD) bei einer Sitzung des Bundeskabinetts. (Quelle: Maurizio Gambarini)
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Lange hatte der Kanzler die Öffentlichkeit im Unklaren gelassen. Nun äußerte er sich zum Thema Taurus-Marschflugkörper – und erntet Widerspruch von allen Seiten.

Während an der Front in der Ukraine jeden Tag immer mehr ukrainische Ortschaften von der russischen Invasionsarmee eingenommen werden, während dort immer mehr ukrainische Soldaten sterben, in Gefangenschaft geraten oder mutmaßlich von russischen Aggressoren hingerichtet werden, hat sich der deutsche Bundeskanzler nun erstmals ausführlich dazu geäußert, warum Deutschland keine Taurus-Marschflugkörper an die Ukraine liefert.

Sein Argument lautet: "Deutsche Soldaten dürfen an keiner Stelle und an keinem Ort mit den Zielen, die dieses System erreicht, verknüpft sein. Auch nicht in Deutschland." Das sagte er am Montag auf einer Chefredakteurskonferenz der Nachrichtenagentur dpa. "Ich wundere mich, dass es einige gar nicht bewegt, dass sie nicht einmal darüber nachdenken, ob es gewissermaßen zu einer Kriegsbeteiligung kommen kann durch das, was wir tun."

Video | So funktioniert die Hightech-Waffe Taurus
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Quelle: t-online

Sekundiert wird er dabei von Verteidigungsminister Boris Pistorius. "Natürlich" dürfe die Bundeswehr keine Kriegspartei werden. "Eigentlich kennt jeder diese Argumentation", sagte der SPD-Politiker. Den Einwand, dass auch andere Länder Taurus-Systeme ohne Bundeswehrsoldaten einsetzten, wies er zurück.

Wieso sind keine Bundeswehrsoldaten in Südkorea?

Der Kreml wird die Nachricht mit Wohlwollen aufgenommen haben. Russlands Diktator dürfte sich in seinem Kurs der Einschüchterung des Westens bestätigt fühlen.

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Hierzulande ist die Empörung in Teilen der Öffentlichkeit groß ob des Nein des Kanzlers zu Taurus. Vor allem die Begründung Scholz' sorgt für Kopfschütteln, behauptete der Kanzler bei dem Medientreffen doch, dass für die Lieferung und Zielsteuerung des Taurus-Systems auch die Stationierung deutscher Soldaten in der Ukraine notwendig sei.

"Olaf Scholz führt gegen die Lieferung von Taurus ein längst widerlegtes Argument an", schreibt die FDP-Abgeordnete Agnes Strack-Zimmermann bei X. "Deutsche Soldaten werden für Taurus nicht auf ukrainischem Boden benötigt. Die Behauptung des Bundeskanzlers ist falsch", so die Verteidigungspolitikerin. Es gebe in der Ukraine bereits eine Menge programmierter Waffen aus deutscher Produktion: "Wenn das also das Argument ist, müssten wir sofort alle automatischen Waffen, die auf Angriffe reagieren, abziehen. Ich halte das für vorgeschoben."

Der CDU-Außenexperte Norbert Röttgen zeigte sich in einer ersten Reaktion auf der Plattform X ebenfalls fassungslos: "Die Behauptung, mit der Lieferung von Taurus würde Deutschland zur Kriegspartei, ist rechtlich schlicht falsch und politisch infam."

Militärexperte widerspricht Scholz

Wie groß die Enttäuschung über den Kanzler selbst in der Ampelkoalition ist, zeigt auch die Reaktion der grünen Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt. "Niemand, der Taurus für die Ukraine fordert, will, dass Deutschland zur Kriegspartei wird", sagte sie dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Aber: "Für den Frieden in Europa und darüber hinaus ist es essenziell, dass die Ukraine diesen Verteidigungskampf gewinnt."

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Das Hauptargument, das Scholz nun anführt, wenn er Taurus-Lieferungen verweigert, bezieht sich auf den möglichen Einsatz von Bundeswehrsoldaten zur Steuerung der Systeme. Doch auch unabhängige Experten wie der Sicherheitsberater Gustav Gressel vom European Council on Foreign Relations (ECFR) zerpflücken die Argumentation des Kanzlers. Übergabe und Bedienung der Taurus-Marschflugkörper müssten mitnichten von der Bundeswehr erledigt werden. "Das ist Herstellersache", so Gressel zu ntv.de.

Ähnlich sei es schon bei der Lieferung der Iris-T-Systeme an die Ukraine gewesen. Zudem hat Deutschland dem strategischen Partner Südkorea bereits 2014 Taurus geliefert, ohne dass es dafür eines Bundeswehrmandats bedurft hätte. "Es ist die Aufgabe des Herstellers, mit an den Ort zu reisen, an den der Taurus übergeben wird und sich die dazugehörigen Träger anzuschauen und die Programmierung zu übernehmen."

Kiesewetter wirft Scholz "Täuschung" vor

Scholz behauptete in seiner Rede am Montag, die Zielsteuerung des Taurus, wie es die Briten und Franzosen bereits mit den Storm Shadow und Scalp-Systemen machten, die sie an die Ukraine geliefert haben, könne im Fall der deutschen Waffe nicht gewährleistet werden. Das wisse jeder, der sich mit der Materie auseinandergesetzt habe, so der Kanzler.

Gressel widerspricht: "Das wäre auch bei Taurus möglich." Es brauche dafür lediglich klassifizierte Geodaten und die Anpassung bereits existierender Protokolle, die den Ukrainern übergeben werden müssten.

Der Militärexperte Fabian Hoffmann von der Universität Oslo bestätigt dies. Er sagt sogar, dass die geografischen Daten für die Taurus-Zielsteuerung größtenteils öffentlich zugänglich seien und deshalb keine Unterstützung durch die Bundeswehr erforderten. Das Eskalationsrisiko infolge einer etwaigen Lieferung hält er deshalb für "extrem gering".

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Der Grünen-Politiker Robin Wagener mutmaßt angesichts Scholz' Ausführungen bei X: "Ich fürchte, der Bundeskanzler wurde falsch beraten. Es braucht kein Bundestagsmandat. Der Taurus kann – wie andere Systeme – unabhängig von der Bundeswehr eingesetzt werden."

Der CDU-Politiker Roderich Kiesewetter glaubt nicht, dass der Kanzler falsch beraten wurde. Er wirft dem 65-jährigen Sozialdemokraten vielmehr "unterlassene Hilfeleistung" und eine bewusste Täuschung des Parlaments vor. "Das Lavieren mit längst widerlegten Pseudo-Argumenten bestätigt nur, dass Scholz mit voller Absicht der Ukraine diese effektive Waffe vorenthält. Er nimmt höhere Opfer in Kauf und stärkt somit wissentlich Russland. Bedrückend, dass er das Parlament also bewusst getäuscht hat."

Verwendete Quellen
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