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Marsch der Lebenden in Auschwitz: 12.000 Menschen gedenken und mahnen


Marsch der Lebenden 2025 in Auschwitz
"Wir heiligen das Leben, nicht den Tod"

Von Alon David und Sarah Maria Sander

09.05.2025 - 13:31 UhrLesedauer: 4 Min.
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Marsch der Lebenden auf dem Gelände des ehemaligen Konzentrationslagers Auschwitz im vergangenen Jahr. (Quelle: IMAGO/imageBROKER/Piotr Dziurman/imago)
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Am 24. April 2025 zogen Tausende schweigend von Auschwitz nach Birkenau – begleitet von Shoah-Überlebenden, befreiten Hamas-Geiseln und Angehörigen. Der "Marsch der Lebenden" war Mahnung und Hoffnung zugleich.

12.000 Menschen, 80 Shoah-Überlebende, ein Marsch des Lebens und der Erinnerung: Am 24. April 2025 versammelten sich Menschen aus aller Welt, um gemeinsam den "Marsch der Lebenden" zu gehen – eine stille, aber eindrucksvolle Demonstration gegen das Vergessen. Von Auschwitz I bis nach Birkenau zogen sie auf dem ehemaligen Todesweg, begleitet von rund 80 Überlebenden der Shoah, von der Hamas verschleppten und mittlerweile befreiten Geiseln sowie Angehörigen.

Es war eine der letzten Gelegenheiten, den Holocaust mit den Augen derer zu sehen, die ihn überlebt haben, und zugleich ein Zeichen gegen den Antisemitismus der Gegenwart. Diese 1988 ins Leben gerufene Gedenkveranstaltung findet traditionell am Jom haScho'a, dem israelischen Holocaust-Gedenktag, statt. In diesem Jahr wurde das 80-jährige Jubiläum der Befreiung des Lagers begangen.

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Phyllis Greenberg Heideman, Präsidentin des "March of the Living", richtete sich an die Überlebenden, die nahe dem Tor mit der berüchtigten Inschrift "Arbeit macht frei" saßen: "Es ist ein merkwürdiger Satz, aber wir heißen euch in Auschwitz willkommen. Ihr seid die wahren Helden. Wir werden euer Erbe für immer in Ehren halten."

Vom Terror zurück ins Leben

Neben den Überlebenden nahmen auch ehemalige Geiseln, die kürzlich aus der Gefangenschaft der Hamas in Gaza befreit wurden, sowie Angehörige von noch immer gefangen gehaltenen Geiseln teil. Der Marsch führte die Teilnehmer auf einer rund 3,5 Kilometer langen Strecke von Auschwitz I bis zum benachbarten Auschwitz II-Birkenau – dem größten Vernichtungslager des nationalsozialistischen Deutschlands, in dem mehr als eine Million Menschen, überwiegend Juden, ermordet wurden.

Der Marsch wurde von Delegationen aus 40 Ländern begleitet. Neben Botschaftern und Vertretern aus ganz Europa, Israel und den Vereinigten Staaten waren auch Repräsentanten aus Lateinamerika, von den pazifischen Inseln und aus Afrika anwesend.

"Wir heiligen das Leben"

Zu den bekanntesten Gesichtern des diesjährigen Marschs gehörte Eli Sharabi, der am 7. Oktober 2023 von der Hamas aus seinem Zuhause im Kibbutz Be'eri nach Gaza entführt wurde und nach fast 500 Tagen befreit wurde. "Die Tatsache, dass wir heute hier sind, ist ein Sieg des jüdischen Geistes. Das jüdische Volk wird für immer existieren. Wir heiligen das Leben, nicht den Tod", erklärte Sharabi.

Die abgemagerte Erscheinung, die er nach seiner Freilassung zeigte, erinnerte ein wenig an Bilder von Überlebenden des Holocaust. Abschließend reflektierte er seine eigene Erfahrung: "Ich habe am 7. Oktober meine Frau, meine zwei Töchter und meinen Bruder verloren. Ich habe schreckliche Dinge in der Gefangenschaft in Gaza durchgemacht, aber ich habe mich trotzdem für das Leben entschieden. Das gibt mir Hoffnung, jeden Morgen neu zu beginnen und mein Leben wieder aufzubauen."

Unter den Marschierenden befanden sich auch die befreiten Geiseln Gadi Mozes und Agam Berger. Sie riefen die Namen der 59 Geiseln auf, die noch immer in Gaza festgehalten werden.

Mozes' Tochter, Moran Mozes Ben Yishay, die ebenfalls an der Veranstaltung teilnahm, sagte: "Es gibt keine Heilung für unsere Gemeinschaft, solange die 59 Geiseln nicht nach Hause zurückgebracht werden. Vierzehn von ihnen kommen aus unserer Gemeinde Kibbutz Nir Oz. Wir fühlen uns verpflichtet, für sie zu kämpfen."

Erinnerung in den Ruinen

Michael Kupershtein, ein Holocaust-Überlebender und Großvater des von der Hamas entführten Bar Kupershtein, sprach in den ehemaligen Gaskammern von Auschwitz-Birkenau. "Du bist stark, du wirst da rauskommen, habe keine Angst und weine nicht", richtete er sich an seinen Enkel. "Unser Volk ist stark!"

Kupershtein selbst überlebte nur knapp, als seine Mutter 1941 vor dem vorrückenden NS-Regime aus der Sowjetunion floh und ihn, damals noch ein Säugling, in Taschkent in Sicherheit brachte. 1972 ließ er sich zusammen mit seiner Frau und seinen Kindern in Israel nieder.

Auch der israelische Präsident Isaac Herzog nahm am Marsch teil. "An Tagen, an denen der Antisemitismus wieder sein hässliches Haupt erhebt und Rufe nach der Zerstörung Israels laut werden, müssen wir die Welt an das Versprechen 'Nie wieder' erinnern", sagte Herzog. Er rief zudem zur Rückkehr der 59 Geiseln auf: "Die Rückkehr der Geiseln ist ein universelles menschliches Gebot. Ich fordere die internationale Gemeinschaft auf, diesem Verbrechen ein Ende zu setzen."

Der polnische Präsident Andrzej Duda warnte vor der Gefahr, Hass und Diskriminierung zu ignorieren: "Man darf nicht schweigen. Wenn man schweigt, kann das Ergebnis das sein, was hier geschehen ist."

Duda würdigte auch den Widerstand der jüdischen Kämpfer im Warschauer Ghetto, deren Heldentum vielen das Überleben sicherte. Während des Marsches ertönte immer wieder der Ruf "Bringt sie nach Hause!" und "Am Israel Chai!" ("Das Volk Israel lebt.") Die Teilnehmer legten Holzpaddel zwischen die Bahnschienen, einige mit Fotos von im Holocaust ermordeten Familienmitgliedern, andere mit Botschaften von Hoffnung, Liebe und Einheit.

Musik im Regen

Am "Tor des Todes" von Birkenau, wo der Marsch endete, versammelten sich befreite Geiseln wie Keith Seigel. Mit einer israelischen Flagge über den Schultern stand er auf einem grasbewachsenen Hügel nahe der Zugschienen. Seigel, der zusammen mit Omri Miran in Gaza festgehalten wurde, sagte: "Ich muss alles tun, um sie nach Hause zu bringen, um die Vereinbarung, die mich und 33 Geiseln freigelassen hat, umzusetzen."

Als zum Ende der Zeremonie strömender Regen einsetzte, versammelten sich die Teilnehmer unter Schirmen und Regencapes. Agam Berger spielte auf einer 150 Jahre alten Geige, die aus der Zeit des Holocaust gerettet wurde, begleitet von Daniel Weiss, einem Überlebenden aus dem Kibbutz Be’eri, dessen beide Eltern am 7. Oktober ermordet wurden.

Der IDF-Kantor Shai Abramson sang zusammen mit der Überlebenden Sarah Weinstein das jiddische Lied "Oyfn Pripetshik", das an das Europa vor dem Holocaust erinnert. Es war ein Moment der Trauer, des Gedenkens, aber auch des unerschütterlichen Lebenswillens.

Der "Marsch der Lebenden" 2025 war mehr als eine Erinnerung an den Holocaust – er war ein eindringlicher Appell, heute Verantwortung zu übernehmen. Gegen Hass. Für das Leben. Für die, die nicht mehr sprechen können – und für die, die noch immer auf ihre Befreiung warten.

Verwendete Quellen
  • Eigene Beobachtungen
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