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Ampel-Sondierungen: Es gelten die ersten zwei Regeln des "Fight Club"!


Ampel-Sondierungen
Es gelten die ersten zwei Regeln des "Fight Clubs"

  • Johannes Bebermeier
Von Johannes Bebermeier

Aktualisiert am 14.10.2021Lesedauer: 4 Min.
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Volker Wissing, Annalena Baerbock, Christian Lindner und Robert Habeck: Schöne Selfies, aber bloß keine Inhalte!Vergrößern des Bildes
Volker Wissing, Annalena Baerbock, Christian Lindner und Robert Habeck: Schöne Selfies, aber bloß keine Inhalte! (Quelle: Instagram @volkerwissing/Reuters-bilder)

Am Freitag wollen uns die Koalitionspartner in spe endlich aus ihrer Floskelwelt erlösen. Dann soll es ein Sondierungspapier mit konkreten Ergebnissen geben. Es wird auch tatsächlich Zeit.

Eines muss man den Vielleicht-bald-Ampel-Koalitionären ja lassen: Sie haben sich in den vergangenen Tagen wirklich Mühe gegeben, ihre selbst verordnete Sprachlosigkeit immer wieder neu zu verpacken.

Ein paar Kostproben?

"Respektvoll, sachlich, auch konstruktiv und vertrauensvoll" seien die Zweiergespräche mit SPD, FDP und Union gewesen, sagte Grünen-Chefin Annalena Baerbock am vergangenen Mittwoch. Und gab dann bekannt, dass es mit SPD und FDP noch ein bisschen konstruktiver werden solle.

"Intensiv und diskret", habe man das mit den Grünen eingestielt, verriet FDP-Chef Christian Lindner wenig später – und erzählte dann ebenfalls nicht mehr viel Zusätzliches.

Beim ersten Dreiergespräch am vergangenen Donnerstag ging es dann richtig los. Das sei nämlich "von einer ernsthaften Gesprächsatmosphäre" geprägt gewesen, wusste SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil zu berichten. So was ist ja auch wichtig, gar keine Frage.

Fast so wichtig wie das, was FDP-Generalsekretär Volker Wissing der Runde am Dienstag bescheinigte. "Wir haben in einem guten Ton miteinander gesprochen", sagte er da, sogar mehrfach. Donnerwetter!

Besser als "Wildsau" und "Gurkentruppe"

An einem guten Ton ist natürlich erst mal nichts falsch und alles richtig. Immerhin gab es ja tatsächlich schon Koalitionäre, die sich mit "Gurkentruppe" und "Wildsau" angeredet haben. Die FDP dürfte sich an diese schwarz-gelbe Regierungserfahrung noch gut erinnern.

Aber dass sich potenzielle Koalitionspartner zumindest in einer Findungsphase nicht permanent anschreien, ist eben trotzdem die Mindestvoraussetzung für alles. Eine Selbstverständlichkeit, eigentlich. Genau wie die betonte Sachlichkeit, der Respekt, die Konstruktivität und die Ernsthaftigkeit.

Dass die wahrscheinlichen Ampelkoalitionäre trotzdem tagelang Selbstverständlichkeiten als Neuigkeiten ausgeben mussten, liegt daran, dass sie sich selbst eine Art Schweigegelübde auferlegt haben. Manch Beteiligter nennt es auch weniger charmant (und scherzhaft): einen Maulkorb.

Es würde nicht verwundern, wenn Lars Klingbeil zu Beginn der Gespräche den Filmklassiker "Fight Club" vorgeführt hätte, um allen die ersten zwei Regeln einzubläuen, nur ganz leicht abgewandelt: "Die erste Regel der Sondierungen lautet: Ihr verliert kein Wort über die Sondierungen. Die zweite Regel der Sondierungen lautet: Ihr verliert KEIN WORT über die Sondierungen!"

Ob es so war? Lars Klingbeil als Filmfigur Tyler Durden? Man weiß es nicht, denn es verrät ja niemand! Wirklich niemand!

Maulkorb mit zwei Sinnen

Doch der Maulkorb hat natürlich seinen Sinn für die Koalitionäre in spe. Im Grunde sogar mindestens zwei Sinne.

Nach den Erfahrungen aus den gescheiterten Jamaika-Verhandlungen 2017 waren sich alle einig, dieses Mal nicht quasi-öffentlich verhandeln zu wollen. Denn das macht interne Gedankenspiele über mögliche Zugeständnisse schwer bis unmöglich. Wer befürchten muss, dass sein Kompromissvorschlag sofort ohne Kontext öffentlich wird und dort wahrscheinlich als Einknicken ankommt, der dürfte sich künftig hüten, überhaupt Kompromisse anzudeuten. Und die braucht es bei jeder Regierungsbildung.

Der zweite Sinn des Maulkorbs ist mindestens genauso wichtig, und er erfüllt sich in diesen Tagen quasi von selbst. Denn indem erstaunlicherweise bisher wirklich alle Parteien die Vertraulichkeit der Gespräche wahren, wächst das Vertrauen unter den ziemlich ungleichen Partnern, die sich in der Vergangenheit eben nicht so richtig vertrauten.

Allerdings zeigt der Maulkorb damit natürlich auch, dass beim Vertrauen durchaus noch "ein weiter Weg zu gehen" ist, um im Ampel-Jargon dieser Tage zu bleiben. Denn wer so viel Angst vor Indiskretionen hat, dass er nicht mal verrät, welche Themen wann besprochen werden, der kann eine Portion Extravertrauen definitiv gebrauchen.

Die Stunde der Generäle und Notetaker

Und zwar schon ziemlich bald. Denn wenn am Freitag das Sondierungspapier vorgestellt wird, werden die Debatten ohnehin losgehen, egal ob sie sinnvoll sind oder nicht: Kann die FDP das wirklich so mitmachen? Lassen sich die Grünen da nicht über den Tisch ziehen? Und wer hat sich jetzt eigentlich durchgesetzt?

Dann wird es nicht mehr ausreichen, allgemein von den Hürden zu sprechen auf einem weiten Weg zur Regierung. Und von den Brücken, die man schlagen wolle. Dann werden die Beteiligten Hürden und Brücken benennen und durchdiskutieren müssen. Auch in der eigenen Partei.

Damit es überhaupt ein Sondierungspapier gibt, sitzen seit Mittwoch die Generalsekretäre in kleiner Runde zusammen, Lars Klingbeil für die SPD, Volker Wissing für die FDP und Michael Kellner für die Grünen. Sie sollen aus dem, was die sogenannten Notetaker der Parteien bei den bisherigen Gesprächen mitgeschrieben haben, ein etwa achtseitiges Papier erarbeiten. In welcher Schrift und Größe und mit welchem Zeilenabstand, ist selbstverständlich noch nicht bekannt.

Sogar der Ort ist diesmal geheim, und das ist angesichts der Aufgabe vielleicht sogar angemessen. Denn einerseits müssen mit dem Papier alle Partner einverstanden sein, es darf also keine Punkte enthalten, die noch strittig sind. Andererseits soll es die Grundlage für Koalitionsverhandlungen bilden, und nach allem, was die Beteiligten verraten haben, heißt das: Die wirklichen Knackpunkte sollten schon dort aufgelöst sein, zumindest in Ansätzen. Eine Art Koalitionsvertrag light sozusagen.

Ob das funktioniert, ob also das Vertrauen ausreicht, das wird am Freitag deutlich werden. Falls nicht doch noch jemand die Vertraulichkeit etwas großzügiger auslegt und das Sondierungspapier vorher durchsticht. In den anschließenden Koalitionsverhandlungen dürfte das Schweigegelübde ohnehin kaum noch durchzuhalten sein. Denn dort werden viele, viele Beteiligte mehr an den Verhandlungstischen sitzen.

Da dürfte dann selbst Lars Klingbeil aus der "SPD" als Tyler Durden aus "Fight Club" machtlos sein.

Verwendete Quellen
  • Eigene Beobachtungen und Recherchen
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