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TV-Kritik "Anne Will": "China hat die Diktatur digitalisiert"


TV-Kritik – "Anne Will" zu China
"Merkel hat das Thema viele Jahre sträflich vernachlässigt"

Eine TV-Kritik von David Heisig

Aktualisiert am 25.11.2019Lesedauer: 4 Min.
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Talkrunde bei "Anne Will": In der Sendung wurde über China als Wirtschaftsmacht und Überwachungsstaat diskutiert.Vergrößern des Bildes
Talkrunde bei "Anne Will": In der Sendung wurde über China als Wirtschaftsmacht und Überwachungsstaat diskutiert. (Quelle: NDR/Wolfgang Borrs)

Huawei, Handel und Menschenrechte: Das Verhältnis zwischen Deutschland und China wird von vielen Faktoren bestimmt. Wie abhängig darf Deutschland sich vom Reich der Mitte machen?

Die Gäste

  • Kristin Shi-Kupfer, Politikwissenschaftlerin
  • Margarete Bause (Bündnis 90/Die Grünen), Menschenrechtsexpertin
  • Linda Teuteberg, Generalsekretärin der FDP
  • Peter Altmaier (CDU), Bundeswirtschaftsminister
  • Dieter Kempf, Präsident des Bundesverbands der Deutschen Industrie
  • Georg Mascolo, Journalist

Die Positionen

Die deutsch-chinesischen Beziehungen scheinen aktuell von einem Unternehmen abzuhängen: Huawei. Industrievertreter und Politiker warnen vor einer Beteiligung des Unternehmens am Aufbau des deutschen 5G-Netzes als Motor der Industrie 4.0. Hintergrund ist, dass der Telefonriese Daten an den chinesischen Staat weiterleiten muss. Für Bause war klar: Es ist vielmehr eine politische denn technische Frage, ob man ein Unternehmen aus einem autoritären Staat an die "Hauptschlagader der Gesellschaft" lassen solle. Altmaier betonte, es sei kein Geheimnis, dass China keine Demokratie sei. Man sei in den Schlüsseltechnologien aber von vielen Unternehmen – nicht nur chinesischen – abhängig. Beispielsweise müssten auch amerikanische Firmen Informationen an die US-Regierung weiterleiten. Kempf nickte zustimmend. Wichtig sei es, das höchste Niveau an Sicherheit zu garantieren, kontrolliert durch deutsche Sicherheitsbehörden. Die Bundesregierung mache aus der politischen Frage gar eine legislative, so der Minister: Man plane ein Gesetz, das einen Kriterienkatalog festlege. Teuteberg pflichtete dem bei: "Wir müssen unsere kritischen Infrastrukturen schützen, auch wenn wir freien Handel wollen", sagte Teuteberg. Man brauche im Gesetz starke Sicherheitskriterien, die eine Einflussnahme durch den chinesischen Staat ausschließen. Daran würde Huawei am Ende scheitern.

Der Aufreger des Abends

Die Runde war sich über die politische Dimension einig. Allein Mascolo legte den Finger in die Wunde. Das Abarbeiten eines Kriterienkatalogs lange nicht aus. Die Kanzlerin habe mit der Bundesregierung das Thema über Jahre hinweg "klein gekocht". Somit sei die politische Debatte überfällig. Zumal Huawei schon heute einen sehr hohen Anteil am Betrieb des 4G-Netzes habe. Schon 2013 habe die Bundesregierung betont, das Unternehmen sei nicht vertrauenswürdig. Es habe aber keinen öffentlichen deklaratorischen Akt gegeben, um Verstimmungen mit den Chinesen zu vermeiden. Altmaier entgegnete, er sei "entschieden der Auffassung", dass man mit China beiderseitig sicherstellen werde, dass es keinen Zugang zu deutschen Daten gebe. Allerdings betonte die Runde, dass Ingenieur-Kunst deutsche Stärke sei, die Entwicklung von Soft- und Hardware aber nicht. Mascolo wiederholte die These, dass eine technische Regulierung in diesem Bereich – selbst für Fachleute – schnell an Grenzen komme. Für Bause war klar: die Bundesregierung habe das Thema über "viele Jahre sträflich vernachlässigt". Jetzt sei es Zeit für eine europäische digitale Strategie.

Das Zitat des Abends

Mascolo brachte ein starkes Zitat: "China hat die Diktatur digitalisiert". Er bezog seine Äußerung auf die systematische Überwachung und die Menschenrechtsverletzungen im Umgang mit den Uiguren, der muslimischen Minderheit im Reich der Mitte. Durchgeführt durch ein chinesisches Staatsunternehmen, das mit Siemens kooperiere. China werde immer noch durch ein kommunistisches Regime regiert, das wirtschaftlich liberalisiere, bezüglich Freiheitsrechten aber die Schrauben andrehe.

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Teuteberg nickte. China stehe "für die Versuchung, gesellschaftlichen Totalitarismus mit ein bisschen dossierter wirtschaftlicher Freiheit" zu vereinen. Kempf und Altmaier brachte die Siemens-Frage ein wenig in Erklärungsnot. Kempf betonte, der könne als Verbandspräsident nicht für einzelne Unternehmen sprechen. Altmaier plädierte für eine Trennung von weltwirtschaftlichen Fragen und Menschenrechtsthemen. Wer nur mit Ländern kooperieren wolle, die lupenrein mit Menschenrechten umgingen, müsse mit einer kleinen Landkarte leben. Nichtsdestotrotz war sich die Runde einig, dass die Diskussion über dieses Thema auf die Agenda jeder Wirtschaftsdelegation gehöre. Shi-Kupfer ergänzte, dass es mittlerweile auch in China Kader gebe, die Veränderungen prägen wollten.

Der Faktencheck

Wie schaut es denn aus mit dem Handel mit der Volksrepublik? Allein aufgrund der Zahlen ist China der wichtigste deutsche Handelspartner. Nimmt man Im- und Exporte zusammen liefen 2018 Waren im Wert von 199 Milliarden Euro zwischen beiden Staaten hin und her. Deutsche Unternehmen exportierten dabei Waren im Wert von 93 Milliarden Euro nach China, vor allem aus den Bereichen Maschinenbau und Automotive. Investitionen tätigten sie vor allem beim Anlagenbau. Vor 10 Jahren waren es noch 37 Milliarden. Tendenz steigend. Zwar nimmt die Gesamtheit der Exporte in alle Welt generell zu, mit rund 7,5 Prozent Exportrate bis Mitte 2019 ist das Reich der Mitte aber größter Exportpartner Deutschlands.

Dieser Erfolg führt laut deutscher Ökonomen die deutsche Wirtschaft jedoch in ein "Dilemma", wie es Michael Hüther vom Institut der Deutschen Wirtschaft im Sommer formuliert hat. Oblägen chinesische Unternehmen doch ideologischen Regressionen durch die Staatsführung, etwa in Form eines Sozialpunktesystems mit dem Regimetreue geprüft wird.

Deutsche Industrieverbände mahnen zudem Transparenz an. Im Umkehrschluss braucht auch China verlässliche Wirtschaftspartner, um prognostizierte schwächere Wachstumszahlen zu kompensieren, im Handelsstreit mit den USA alternative Handelswege zu sichern und für die eigene Bevölkerung den versprochenen Wohlstand zu generieren. Das eröffnet für deutsche und europäische Wirtschaftspartner zweierlei: Die Chance, die Öffnung des chinesischen Marktes zu forcieren, europäische Investoren in China zu schützen – und Faktoren anzusprechen, die mit Wirtschaft vielleicht nur mittelbar zu tun haben. Stichwort: Umweltschutz und Menschenrechte.

Verwendete Quellen
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